Frage an Ska Keller bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Ska Keller, Bild: Dominik Butzmann
Ska Keller
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Edgar R. •

Frage an Ska Keller von Edgar R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Keller,
das ist schön, wenn man einmal eine direkte Frage stellen kann, denn vielmals ist es schwer, zu den wesentlichsten Themen Fragen zu stellen.
Meine zwei brennendsten Fragen zum Friedensbeitrag: Wie können Sie sich in Gegenwart von unserer Generation, den negativen Politikwechsel gegenüber von Russland und China erklären? Und welche gegensteuernden Maßnahmen unternimmt Ihre Partei, z. B. im Bund, um eine brandgefährliche Konfliktsituation für die nahe Zukunft abzuwenden?

Diese Fragestellung beruht natürlich unter der Berücksichtigung von einigen bekannten Stolpersteinen innerhalb der Ost-Westbeziehungen.

Wenn man diese einmal nach Ost-West gegeneinander aufrechnet, findet man erstaunlicherweise mehr irritierende Fakten auf Seiten des Westens.

Begleitgedanken zu den Fragen an die Verantwortlichen:
Besonders die älteren, „kriegsnäheren“ Generationen wundern sich, warum man seit einigen Jahren einen solchen offensichtlichen Poli-tikwechsel durch die westliche Seite vollziehen konnte.
Ist es nicht so, dass wir aus der Geschichte diese Form von kurzsichtigen Argumenten vor vielen Kriegsausbrüchen kennen?
Ist es nicht so, dass Beziehungspflege mehr hilft, als Vorhaltungen, Aufrechnungen, Einmischungen, Druck und ständig neue Sanktionen?
Ist es nicht so, dass man zur wahren Konfliktlösung, Ehrlichkeit und Akzeptanz vorweisen muss, um gemeinsam von einem Ausgangspunkt starten zu können??
Warum haben die alten warnenden Sätze, wie z. B., „nie wieder Krieg“, ihre einstige Greifbarkeit verloren?
Wie gefährlich sind die ablenkenden Gesellschafts-Diskussionen?

In Hochachtung

E. Reinbold

Ska Keller, Bild: Dominik Butzmann
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Reinbold,

vielen Dank für Ihre Zuschrift.

Die Ereignisse der letzten Tage und Monate machen erneut klar: Wir brauchen eine grundsätzliche Neuausrichtung der Politik gegenüber Russland. Mit brutaler Gewalt geht die russische Polizei gegen friedliche Demonstrierende vor. Tausende wurden verhaftet. Alexej Nawalny, der den Mordanschlag auf sich nur knapp überlebte, wurde nach seiner Rückkehr nach Russland in einem politisch motivierten Prozess zu einer hohen Haftstrafe verurteilt. Gewalt, Willkür und Repressionen dürfen für die politisch Verantwortlichen nicht folgenlos bleiben. Wir fordern ein klares Signal an die russische Führung, dass ihr Handeln Konsequenzen hat. Die Bundesregierung muss der Gaspipeline Nord Stream 2 endlich die politische Unterstützung entziehen - aus Verantwortung für die Menschenrechte in Russland und weil das Pipeline-Projekt europa-, energie- und klimapolitisch absolut falsch ist.
Die Lage der Menschen und insbesondere der Minderheiten in China wird immer besorgniserregender, so etwa die Menschenrechtslange in Xinjiang und Tibet, die Repressionen gegenüber Hongkong oder die aggressive Politik im südchinesischen Meer und die zunehmenden Drohungen gegenüber Taiwan. Es braucht Klarheit über die Konfliktpotenziale und Kooperationschancen, aber auch die Hebel, die Europa und Deutschland im Umgang mit China haben. Und es braucht Einigkeit, statt 27 unterschiedliche China-Politiken. Die neue China-Politik muss alle drei Dimensionen in den Blick nehmen. Was der Systemrivale anrichtet, muss Konsequenzen für den Wettbewerber wie den Partner haben.

Aus der Sicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist die Europäische Union der zentrale Bezugsrahmen für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik. Die herausragende Bedeutung dieser Gemeinschaft für Frieden und Wohlstand würdigen wir. Auch zukünftig sind der Zusammenhalt und die Zusammenarbeit in der EU unverzichtbar, um Bedrohungen und globale Herausforderungen zu bewältigen. Vom Kampf für Klimaschutz über das Eintreten für gemeinsame Sicherheit und Frieden, bis zum Einsatz für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Starke Zivilgesellschaften und verantwortliches Regierungshandeln sind fundamental an die Respektierung der Menschenrechte geknüpft. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind zudem Fundamente einer pluralen Gesellschaft und friedlichen Entwicklung. Doch immer mehr Staaten schränken Pressefreiheit und zivilgesellschaftliches Engagement systematisch ein. Sie diffamieren, behindern und kriminalisieren die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen. Dieser Entwicklung stellen wir uns entgegen und werden autoritäre Regime auch in Zukunft kritisieren und die Einhaltung der Menschenrechte einfordern und unterstützen. Dazu gehört, dass deutsche Entwicklungs-, Außen-, Kultur-, Wirtschafts- und Handelspolitik auf negative Folgen für die Zivilgesellschaft überprüft und gegebenenfalls angepasst werden müssen.

Ganz besonders muss unsere Demokratie sich gegen Angriff aus autoritär gelenkten Staaten und von Populisten wehren. Denn Zweifel an der Demokratie nehmen anscheinend zu und die Feinde der Demokratie haben Zulauf. Dagegen braucht es Bürgerinnen und Bürger, die sich einmischen und engagieren. Und es braucht Parteien und demokratische Institutionen, die für mehr Transparenz und Beteiligung offen sind. Insofern ist es unabdingbar, dass wir als Demokratie geschlossen gegen Angriff auf die Grundlagen unserer demokratischen Werteordnung eintreten.

Dass dabei Frieden immer auch Messlatte des politischen Handels sein muss, versteht sich von selbst. Wir Grünen stehen für Frieden, Abrüstung, kooperative Sicherheit und eine Kultur der militärischen Zurückhaltung sowie eine Stärkung der Parlamentsrechte. Unsere Politik zielt darauf ab, Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen. Wir fordern die zivile Krisenprävention ins Zentrum deutscher Außenpolitik zu stellen, sich engagiert für Abrüstung einzusetzen und keine Waffen in Krisenregionen zu liefern.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Ska Keller

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Ska Keller
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