Frage an Sören Bartol bezüglich Finanzen

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Sören Bartol
SPD
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Frage von Klaus-P. K. •

Frage an Sören Bartol von Klaus-P. K. bezüglich Finanzen

Hallo Herr Bartol,

meine Frage ist wie verhält sich die SPD im Bezug der Neuregelung von Lebensversicherungen, hier insbesondere der Beteiligung an den Bewertungsreserven. Wie man in den letzten Tagen vermehrt lesen kann, lässt sich die SPD wohl auch dazu hinreisen dem Ansinnen der Versicherungswirtschaft stattzugeben die Bewertungsreserven von Lebensversicherungen zu Gunsten der Versicherer zu ändern.Ich halte dies für einen eklatanten Rechts-und Vertragsbruch der auch noch politisch sanktioniert werden soll.Versicherte die vor langen Jahren (bei mir 40 Jahre) Lebensversicherungen als Alterssicherung abgeschlossen haben werden so um einen Teil ihrer rechtmäßig und vertraglich garantierten Auszahlung gebracht. Sollte die SPD dem zustimmen, dann wird sie wohl bei den nächsten Wahlen auf unter 10% an Wählern sinken. Man beschwert sich seitens der Politik, dass immer mehr Menschen nicht zur Wahl gehen und das extreme Parteien aufsteigen können, wie sebstverliebt kann man denn sein wenn man dies nicht erkennt.

Nochmals meine Frage an Sie wie stehen Sie und die SPD-Fraktion in der Regierung zu diesem geplanten Gesetz.

Für eine rasche Antwort Danke ich ihnen.

mfg K.P. Kratky

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SPD

Sehr geehrter Herr Kratky,

vielen Dank für Ihre Mail, in der Sie Ihre Kritik am Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) darlegen. Insbesondere Ihre Enttäuschung über die Neuregelung der Beteiligung der Versicherungsnehmer an den sogenannten Bewertungsreserven verstehe ich.

Wie alle Abgeordnete der SPD-Bundestagsfraktion stimmte ich dem Gesetzentwurf der Bundesregierung nach gewissenhafter Prüfung zu. Als Gesetzgeber wurden wir damit unserer Verantwortung für den Schutz aller Lebensversicherten gerecht. Gern erläutere ich Ihnen, warum das LVRG nach unserer Überzeugung einen fairen Ausgleich der gegenläufigen Interessen der Betroffenen sicherstellt.

Die klassische Lebensversicherung ist ein seit über hundert Jahren in Deutschland bewährtes Modell. Einerseits sichert der Versicherungsnehmer seine Angehörigen für den Todesfall ab. Andererseits spart er – gemeinsam mit anderen Versicherten – eine Kapitalleistung für den Fall an, dass das versicherte Risiko nicht eintritt. Bei diesem Kollektiv profitiert der einzelne Kunde vom ersten Tag an von dem Kapitalstock, den Generationen von Versicherten über Jahrzehnte ansammeln. Dies gilt auch für die Erträge aus der Anlage dieses Vermögens.

Kapitalbildende Lebensversicherungen garantieren dem Versicherungsnehmer eine Mindestverzinsung des Sparanteils seiner Versicherungsprämien. Außerdem sehen sie regelmäßig eine Beteiligung an etwaigen Überschüssen vor, die ihm während der Ansparphase und bei Auszahlung der Versicherung gutgeschrieben werden kann. Die mögliche Ablaufleistung, die dem Kunden bei Vertragsabschluss oder in der gesetzlich vorgeschriebenen jährlichen Unterrichtung über seine Ansprüche genannt wird, ist nur ein Prognosewert. Die tatsächliche Auszahlung bei Vertragsende hängt wesentlich von der Kapitalmarktentwicklung und der Ausschüttungspolitik des jeweiligen Versicherers ab.

Das Bundesverfassungsgericht traf in dem häufig erwähnten Urteil von 2005 keine Feststellung darüber, ob oder in welchem Umfang Bewertungsreserven aus den Kapitalanlagen der Versicherer an die Versicherten auszuzahlen sind. Es verpflichtete den Gesetzgeber jedoch, den Schutz der individuellen Vermögensinteressen sicherzustellen. Bei der Ermittlung des Schlussüberschusses solle der einzelne Versicherungsnehmer angemessen an den Vermögenswerten beteiligt werden, die durch seine Prämienzahlungen geschaffen wurden. Dabei gestand uns das Gericht einen weiten Gestaltungsspielraum zu. Insbesondere betonten die Richter, dass nicht die – so wörtlich – „Optimierung“ der individuellen Ansprüche, sondern, wie im Versicherungsrecht typisch, ein Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen innerhalb der Risikogemeinschaft notwendig sei.

Mit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) setzten SPD und CDU/CSU im Jahr 2007 den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts um. Wir schrieben eine verursachungsgerechte Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Überschüssen vor, darunter eine hälftige Beteiligung an den ihnen zugeordneten Bewertungsreserven bei Vertragsende. Schon damals wurde in § 153 VVG aber klargestellt, dass die Lebensversicherungsunternehmen vorrangig zur Erbringung der garantierten Versicherungsleistungen verpflichtet bleiben. Diese Feststellung traf auch das Urteil von 2005.

Die mit dem LVRG jetzt vorgenommene Einschränkung der Beteiligung an den Bewertungsreserven ist eine Präzisierung der bisherigen Regelung. Notwendig wurde dies durch die lang anhaltende Niedrigzinsphase. Zum Schutz der Versicherten mussten wir als Gesetzgeber rechtzeitig Schritte ergreifen, um die Erfüllbarkeit der Verpflichtungen der Versicherer sicherzustellen.

Es gehört zu den Aufgaben der Unternehmen, die langfristige Lebensversicherungsverträge anbieten, ihre Tarife sorgfältig zu kalkulieren und ihre Zinszusagen durch geeignete Vermögensanlagen abzusichern. Übliche Konjunkturzyklen mit schwankenden Zinsniveaus sind dabei zu berücksichtigen. Doch mit langjährig minimalen Guthabenzinsen konnten und mussten die deutschen Versicherer nach den bisherigen Erfahrungen nicht rechnen. Steigen die Zinsen nicht an, könnten viele Unternehmen ihren Versicherten mittelfristig nicht einmal mehr die garantierte Mindestverzinsung zahlen. Vor diesem Risiko warnten uns nicht nur die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, sondern eindringlich auch die Deutsche Bundesbank und jüngst der Internationale Währungsfonds.

Bereits Ende 2012 wollten CDU/CSU und FDP deshalb die Beteiligung der Versicherungs-nehmer an den Bewertungsreserven einschränken. Das Gesetzgebungsvorhaben wurde aber von den SPD-geführten Ländern im Bundesrat gestoppt. Sie lehnten die einseitige Belastung der Versicherten ab und forderten einen spürbaren Beitrag auch der Unternehmen selbst zur Stärkung ihrer Leistungsfähigkeit.

Diesem Anspruch wird das LVRG gerecht:

• Alle Lebensversicherungsunternehmen müssen künftig nach einem einheitlichen Verfahren prüfen, ob sie bei Fortdauer der aktuellen Zinssituation in der Lage sind, ihre Garantiezusagen gegenüber den Versicherten zu erfüllen. Ermittelt wird auf diese Weise ein sogenannter Sicherungsbedarf.
• Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren dürfen nur noch ausgezahlt werden, soweit sie einen etwaigen Sicherungsbedarf übersteigen. Eine solche Kürzung der Beteiligung an den Bewertungsreserven bedeutet, dass die künftigen Erträge dieser Wertpapiere den Versicherten zugute kommen werden, deren Verträge erst später auslaufen. In einer langfristigen Niedrigzinsphase mit sinkenden Überschüssen entspricht dies dem Solidargedanken der Lebensversicherung.
• Für Aktionäre wird eine Ausschüttungssperre eingeführt. Auch Dividenden dürfen nur noch ausgeschüttet werden, soweit der Bilanzgewinn den Sicherungsbedarf übersteigt.
• Die Lebensversicherer müssen die Versicherten in größerem Umfang (90 statt bisher 75 Prozent) an den sogenannten Risikoüberschüssen beteiligen, die aus einer vorsichtigen Kalkulation der Lebenserwartung ihrer Kunden resultieren.
• Der Kostendruck auf die Versicherungsunternehmen wird erhöht, damit sie die Vergütung-gen für den Versicherungsvertrieb senken.
• Außerdem dürfen Lebensversicherer ihren Neukunden ab 2015 nur noch eine Mindestverzinsung von 1,25 Prozent garantieren.

Das LVRG beinhaltet also Einschnitte für alle beteiligten Gruppen – Versicherte, Unternehmen und ihre Anteilseigner sowie die Versicherungsvermittler. Flankiert werden diese Maßnahmen von einer Stärkung der Befugnisse der Aufsichtsbehörden sowie umfassenden Berichtsverpflichtungen der Lebensversicherer, um mögliche krisenhafte Entwicklungen der Unternehmen frühzeitig erkennen und wirkungsvoll bekämpfen zu können.

Ich versichere Ihnen, dass wir auch Ihr Anliegen einer ungekürzten Ausschüttung der Bewertungsreserven sorgfältig geprüft haben. Sie sollten aber beachten, dass eine Einschränkung Ihrer Ansprüche nur eine mögliche Kürzung Ihrer Überschussbeteiligung bedeutet. Auch sie dient unserem Ziel, dass jeder Versicherte in Zukunft wenigstens die ihm garantierte Mindestverzinsung erhält. Bei Abwägung dieser Interessen mussten wir den Ansprüchen der Versichertenmehrheit Vorrang einräumen. Eine zuweilen geforderte Übergangsfrist, die vorzeitig ausscheidenden Versicherten eine Maximierung ihrer Ablaufleistung zu Lasten der Solidargemeinschaft ermöglicht hätte, hätte im Widerspruch zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts gestanden. Im Übrigen wurde Kunden, die ihre Lebensversicherung vor 2007 abschlossen, weder eine Beteiligung an den Bewertungsreserven in Aussicht gestellt, noch konnten sie mit dieser Rechtsänderung zu ihren Gunsten rechnen.

Es würde mich freuen, wenn ich Ihnen meine Zustimmung zum LVRG nachvollziehbar erklären konnte. Der SPD ist es wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger auch in Zukunft auf die Sicherheit und versprochene Rendite ihrer Lebensversicherung vertrauen können.

Mit freundlichen Grüßen

Sören Bartol, MdB

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