Frage an Stefan Ruppert bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Stefan Ruppert
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Frage an Stefan Ruppert von Steffen E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ruppert,

wie ist ihre Meinung zur Beschneidung des Rederechts für Bundestagsabgeordnete mit einer von der Fraktionsmehrheit abweichenden Meinung im Bundestag.
Steht nach ihrer Meinung ein Fraktionszwang über dem im Grundgesetz verankerten Recht auf freie Meinungsäußerung, hier im Bundestag?

Mit freundlichen Grüßen

Steffen Etzel

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Etzel,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf www.abgeordnetenwatch.de zu den Rederechten im Deutschen Bundestag. Es freut mich sehr, dass Sie sich als Politiker der Linkspartei auch beim Thema Rederechte für meine Arbeit interessieren. Sie sprechen eines der Grundprobleme unseres politischen Systems an: Freies Mandat des Abgeordneten, der sich nur seinem Gewissen unterwerfen braucht, contra Zugehörigkeit des Abgeordneten zu einer Fraktion, die Entscheidungen und Abstimmungsverhalten vorgibt. Man muss aber dazu sagen, dass der Fraktionszwang, also die Androhung von Konsequenzen, die über den politischen Bereichen hinausgehen, als unzulässig anerkannt ist. Man spricht vielmehr von der „Fraktionsdisziplin“, die die parlamentarische Arbeit erleichtern und für Effizienz und Stabilität sorgen soll. Aber als Politiker der Linkspartei muss ich das Ihnen sicher nicht weiter erläutern.

Das Rederecht ist ein wichtiges Recht des Abgeordneten und ein bedeutender Grundbaustein unserer Demokratie. Als Liberaler will ich besonders für Minderheiten und ihre Rechte eintreten. Daran darf sich auch in Zukunft nichts ändern.

Die diskutierten Änderungsvorschläge haben ihren Ursprung in der Debatte zur Schuldenkrise vom 29. September 2011. Damals gaben eine Vielzahl von Abgeordneten der Linkspartei noch nach der abgeschlossenen Abstimmung mündliche Erklärungen ab. Diese aneinander gereihten Redebeiträge wichen in keinster Weise von den Meinungen der anderen Abgeordneten der Linken ab. Zudem war die SPD verärgert darüber, dass abweichende Abgeordnete ihrer Fraktion anders als die der CDU und FDP von Herrn Lammert beim Rederecht nicht berücksichtigt worden waren. So kam die Idee auf, eindeutigere Regelungen zu treffen. Die Neuregelung sollte das Rederecht für „Abweichler“ erstmals in der Geschäftsordnung des Bundestags verankern, um es nicht von der Entscheidung des Bundestagspräsidenten und der Fraktionen abhängig zu machen. Herr Lammert ist in meinen Augen ein vorzüglicher Bundestagspräsident. Unter manchem Vorgänger wurden diese Dinge aber wesentlich parteipolitischer gehandhabt. Eine Absicherung des Minderheitenrechts wäre deshalb sinnvoll, muss aber im breiten Einvernehmen geregelt werden.

Neben der Garantie für Minderheitenrechte muss aber auch klar sein, dass nicht jeder zu jedem Thema sprechen kann. Wenn bei 50 Tagesordnungspunkten in der Woche jeder nur 2 Minuten redet, dann dauert die Debatte mehr als 1000 Stunden. Diese Rechnung mag unrealistisch sein, sie zeigt aber das Problem auf. Ich wäre dafür, eher weniger, aber dafür wichtige Anträge mit mehr Zeit zu beraten.

Es wird in dieser Legislaturperiode allerdings zu keinen Änderungen in der Geschäftsordnung des Bundestags bezüglich des Rederechts kommen. Nach internen Beratungen sind wir zum Schluss gekommen, dass aufgrund der teilweise sehr emotional und auf unvollständigen Informationen geführten öffentlichen Debatte eine Reform des Rederechts nicht mehr weiter zu verfolgen. Ich versichere Ihnen, dass ich immer für die Unabhängigkeit des Abgeordneten und sein Rederecht eintreten werde.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Stefan Ruppert, MdB