Sehr geehrter Herr Schmidt, in Anbetracht der drastischen Reduzierung russischer Gaslieferungen: Wieso weigert sich Ihre Partei die Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke verlängern?

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Stefan Schmidt
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Frage von Simon S. •

Sehr geehrter Herr Schmidt, in Anbetracht der drastischen Reduzierung russischer Gaslieferungen: Wieso weigert sich Ihre Partei die Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke verlängern?

Was spricht gegen eine Verlängerung in der aktuellen Situation? Zum Beispiel wird dem AKW Isar-2 bestätigt über Jahresende hinaus sicher betrieben zu werden.
Da Russland auch in Zukunft als Gas-Lieferant ausscheidet und ein Weiterbetrieb der Kohle-/Gaskraftwerke nicht im Sinne einer nachhaltigen Klima-Politik sein kann, weshalb wird auf eine zuverlässige, fast Co2-neutrale Stromquelle in Deutschland verzichtet während andere (nicht nur europäische) Länder sie sogar ausbauen?

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Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Anfrage zu einem Thema, das seit geraumer Zeit die Schlagzeilen füllt. Vorab: Es ist meiner Meinung nach bedauerlich, dass von interessierter politischer Seite so viel Energie in Scheindebatten und Ablenkungsmanöver zur Atomkraft gesteckt wird. Unsere Probleme wären heute weitaus geringer, wenn dieselben Parteien in Regierungsverantwortung so viel Engagement für die Energiewende aufgebracht hätten.

Die von ihnen angesprochene Bescheinigung der Sicherheit ist stark diskussionswürdig. Das Schreiben ist eine Auftragsarbeit für die bayerische Staatsregierung, aus Sicht des Bundes-Umweltministeriums entspricht das schmale Papier inhaltlich nicht den Maßstäben gutachterlicher Arbeit und zu guter Letzt verdient die Einrichtung, die dieses Papier verfasst hat, mit der Kontrolle von Atomkraftwerken sehr viel Geld. Hier von einem Interessenkonflikt zu sprechen, ist nicht übertrieben.

Zur von Ihnen angesprochenen Weigerung: Gerade die CSU hat sich jahrelang dem Netzausbau und dem Ausbau der Windenergie verweigert. Die bayerische Staatsregierung weigert sich, die Verantwortung für den hochradioaktiven Atommüll, eine sichere Endlagerung und die Endlagersuche zu übernehmen. Diese egoistische Verweigerungshaltung ist verantwortungslos, passt aber zum krampfhaften Ablenken von zahlreichen Fehlern und Versäumnissen im Bereich der Energiepolitik in Bayern.

Ein erster Stresstest hat gezeigt, dass die Versorgungssicherheit im Strombereich auch unter verschärften Bedingungen gewährleistet ist. Mit Blick auf Bayern, das wie bereits angesprochen, durch die Blockade und Fehler der Staatsregierung leider in diese missliche Lage geraten ist, hat das Bundeswirtschaftsministerium einen zweiten Stresstest unter nochmals verschärften Szenarien veranlasst. Diese Ergebnisse werden wir dann bewerten, wenn sie vorliegen. Vorher schon über einen sogenannten Streckbetrieb zu spekulieren, halte ich für schwierig. Eine grundsätzliche Laufzeitverlängerung oder -wie der bayerische Wirtschaftsminister- gar über die Wiederinbetriebnahme von schon stillgelegten Atomkraftwerken zu schwadronieren, ist meines Erachtens hochgradig unseriös. Der Ausstieg aus der Atomkraft war und ist gesellschaftliche Mehrheitsmeinung und bleibt meine tiefe politische Überzeugung.

Atomkraft ist eine Hochrisikotechnologie und die Endlagerfrage ungelöst. Vor allem ist Atomkraft aber auch ein Milliardengrab für Steuermittel – blicken Sie nach Frankreich. In der müßigen Diskussion blenden die Befürworter der Atomkraft nur zu gerne den wesentlichen Punkt aus. Grund für den erneuten Atomausstieg unter Angela Merkel war im Jahr 2011 die mangelnde Sicherheit. Atomkraft ist eben auch hierzulande in unseren Atomkraftwerken im Zweifelsfall nicht beherrschbar. Dieses Risiko ist ohne überfällige Sicherheitsprüfung der Kraftwerke und neue Gefahren wie Cyberattacken und die angespannte Sicherheitslage mit dem Krieg in der Ukraine sogar noch größer geworden.

Viele Grüße
Stefan Schmidt

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