Frage an Stefan Schuster bezüglich Staat und Verwaltung

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Stefan Schuster
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Frage von Christian R. •

Frage an Stefan Schuster von Christian R. bezüglich Staat und Verwaltung

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Schuster!

Wir stehen vor einer großen Herausforderung und erleben derzeit die massivsten Grundrechtseingriffe seit Bestehen der Bundesrepublik. Deswegen treibt viele, auch ich, neben den gesundheitlichen Sorgen auch die Sorge um die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung und die Zukunft unserer Gesellschaft um. Alle nötigen Maßnahmen müssen nicht nur verhältnismäßig sein, sondern auch laufend kritisch überprüft und in einem Demokratie auch ausreichend legitimiert und kommuniziert werden. Als Landtagsabgeordneter, mithin als Vertreter des eigentlichen Souveräns stehen Sie hier in einer besonderen Verantwortung. Daher habe ich folgende Fragen an Sie:

1. Das RKI scheint derzeit die Politik zu bestimmen.
Frage: Werden neben dem RKI auch andere Experten zu Rate gezogen? Man hat zumindest nicht den Eindruck. Falls ja, welche anderen Experten werden gehört?
Der Chef des RKI, Prof. Wieler, hatte sich immerhin zu Beginn der Krise eine krasse Fehleinschätzung geleistet. Am 22. Januar sagte er in der Tagesschau, dass nur wenige Menschen von anderen Menschen angesteckt werden können“ sowie am gleichen Tag auf 3Sat: : „Insgesamt gehen wir davon aus, dass sich das Virus nicht sehr stark auf der Welt ausbreitet.“ (Quelle: https://www.merkur.de/welt/corona-rki-robert-koch-institut-hopkins-zahl…) Auch jetzt arbeitet es mit Zahlen, die nicht valide sind. Es rät von einer Obduktion der Verstorbenen ab. (Quelle: https://meta.tagesschau.de/id/145479/rki-chef-wieler-zum-coronavirus-di…)-
Wir wissen also nicht, wieviele Menschen tatsächlich dem Corona-Virus zum Opfer fallen.
Was fehlt ist eine Baseline oder Querschnittsstudie. Wieso wird diese nicht mit Nachdruck verfolgt? Denn nur auf Basis solcher Daten kann man die richtigen Entscheidungen treffen.

2. Die Politik kommuniziert nicht ausreichend und begründet ihre Entscheidungen. Wie die FAZ richtig schreibt (siehe https://zeitung.faz.net/faz/politik/2020-04-02/5fdc6dbc9932cac7a4e584f88b318470/?GEPC=s5&).
Frage: Welche Experten werden gehört, welche Vorschläge gibt es und wieso entscheidet man sich für diese Maßnahmen und für andere nicht?
Frage: Sind Sie mit der Kommunikation der Staatsregierung einverstanden? Erscheint Ihnen diese ausreichend?
Frage: Helmut Schmidt hatte zu RAF-Zeiten auch die Opposition in alle Entscheidungen umfassend miteingebunden. Auch in NRW soll die so gehandhabt werden. Wie werden Sie als Opposition in die Entscheidungsprozesse der Staatsregierung eingebunden?

3. Auch die jetzigen Maßnahmen haben Opfer, wirtschaftliche aber auch medizinische. Ja, es gibt Erkrankte und Tote durch die jetzt bestehenden Maßnahmen.
Frage: Sind die "Kollaterlopfer" der getroffenen Maßnahmen im Blick? Sind Ihnen Zahlen über Todesopfer und zunehmende Suizide, sowie zunehmende Krankheiten bekannt? Ist Ihnen die Zunahme häuslicher Gewalt bekannt?
Nicht wenige Mediziner und Psychologen warnen, diese Opfer können rasch die Zahl der Corona-Toten übersteigen. Wird das ausreichend abgewogen und auch gemessen?

4. Ein Plan, eine Strategie sind derzeit nicht erkennbar. Eine Strategie benötigt konkrete Ziele, die erreichbar und meßbar sein müssen.
Frage: Welche Strategie wird derzeit verfolgt?
In einem ersten Schritt mögen Notfallmaßnahmen getroffen werden müssen. Dann aber muß eine Strategie entwickelt und kommuniziert werden. Dazu gehört auch eine Exit-Strategie, wie sie MP Laschet als einziger zur Recht anmahnt. Er wird aber ständig niedergebügelt mit dem Hinweis, nun sei nicht der Zeitpunkt für einen Exit. Dabei fordert er gar keinen Zeitpunkt, sondern einen Plan. Hat er da nicht recht?

5. Unsere Grundordnung ist diversen Angriffen ausgesetzt.
Frage: In Bayern darf den Gesundheitsnotstand die Regierung allein, ohne Anhörung des Parlamentes erklären. In anderen Bundesländern jedoch nicht.
Frage: Habe Sie dem zugestimmt?
Frage: Ist diese Vorgehen kein Verstoß gegen des Parlamentsvorbehalt?
Frage: Finden Sie es verfassungsrechtlich richtig, Grundrechtseinschränkungen, noch dazu auf unbestimmte Zeit und derart umfassend, allein auf dem Wege von Verordnungen und Allgemeinverfügungen anordnen zu können?

6. Derzeit darf man seinen Hund Gassi führen, Lebensmittel einkaufen und Joggen gehen, auch die Sendung Big Brother darf weiterlaufen, bei der fremde Leute auf engem Raum eingesperrt sind. Ja, man darf auch arbeiten und sich dicht an dicht im Nahverkehr zur Arbeit bewegen. Man darf aber nicht für die Grundrechte demonstrieren, selbst mit Sicherheitsabstand nicht. Man darf auch nicht ungestört seine Religion ausüben.
Frage: Erkennen Sie eine Willkür im Erlaubten und Verbotenen?
Frage: Ist die Versammlungsfreiheit für Sie ein ebenso triftiger Grund, wie das Gassiführen eines Hundes? Falls ja, wieso ist eine Demo, bei der der Sicherheitsabstand eingehalten würde, derzeit nicht erlaubt?
Frage: Wieso haben Buchhandlungen und Bibliotheken geschlossen? Der PEN-Club weist zurecht darauf hin, wie wichtig der Zugang zu Büchern und Zeitschriften in einer Demokratie ist. Würden Sie dieser Aussage zustimmen?

7. In Bayern wurden die Schulen nach den Faschingsferien, in welchen viele Familien in den Risikogebieten in Österreich, Italien und der Schweiz waren, noch für 14 Tage offengelassen und dann erst geschlossen.
Frage: Hat man damit Ansteckungen billigend in Kauf genommen und die Lage falsch eingeschätzt? Oder verfolgte man zu dieser Zeit noch die Strategie der Herdenimmunität?

Vielen Dank vorab für die Beantwortung der Fragen

Christian Rechholz

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SPD

Sehr geehrter Herr Rechholz,

die Corona-Krise stellt die Landespolitik vor große Herausforderungen. Sowohl zur Eindämmung der Pandemie als auch zur Abfederung ihrer Folgen, mussten und müssen unter großem Zeitdruck die zu ergreifenden Maßnahmen abgewogen und beschlossen werden.

Die Grundlage zur Erklärung des von Ihnen angesprochenen Gesundheitsnotstands ist das Infektionsschutzgesetz, das der Landtag im Angesicht der Krise neu gefasst hat. Sie stellen richtig fest, dass die Erklärung des Notstands durch die Staatsregierung getroffen wird. Allerdings: Im ursprünglichen Gesetzentwurf hätte es sogar ausgereicht, wenn der Ministerpräsident ohne sein Kabinett diesen Gesundheitsnotstand ausgerufen hätte. Zudem gibt dieses Gesetz der Staatsregierung nicht die von Ihnen befürchtete Befugnis, Grundrechte auf unbestimmte Zeit und ohne parlamentarische Kontrolle einzuschränken. Die SPD-Fraktion hat sich mit ihrem Vorstoß durchgesetzt, das Infektionsschutzgesetz zum 31. Dezember 2020 zu befristen. Darüber hinaus ist im Gesetz geregelt, dass der Landtag jederzeit beschließen kann, den Notstand aufzuheben. Auch wurde in wichtigen inhaltlichen Punkten entscheidend nachgebessert: Zum Beispiel ist jetzt das Betreten der Wohnung nicht mehr möglich.

In der Beratung des Gesetzes hat die Staatsregierung Bereitschaft gezeigt, im Angesicht der Krise die Opposition stärker mit einzubeziehen. Für das entschlossene Handeln Bayerns und Deutschlands und das konstruktive Miteinander auf allen Ebenen sind wir dankbar. Es ist unser aller politische Verantwortung, diese Krise bestmöglich zu meistern und Menschenleben zu schützen. Auch das milliardenschwere Hilfsprogramm der Staatsregierung begrüßen wir sehr, wir legen allerdings großen Wert darauf, dass diese Mittel gerecht eingesetzt werden. Hierzu haben wir uns als SPD-Fraktion mit eigenen Vorschlägen eingebracht, die teilweise auch aufgenommen wurden. In der Ausführung des Gesetzes und der Verwendung der zur Verfügung gestellten Finanzmittel ist die Staatsregierung zum heutigen Tag allerdings noch den Beweis schuldig geblieben, dass sie auch weiterhin bei der Bewältigung der Corona-Krise Transparenz zeigt und die Opposition einbindet.

Die Maßnahmen zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus sind teilweise sehr starke Eingriffe in die persönlichen Freiheitsrechte. Die SPD-Fraktion legt dabei größten Wert darauf, dass die einzelnen Eingriffe ständig hinterfragt und auf ihre Verhältnismäßigkeit geprüft werden. So wurde zum Beispiel auf Drängen der SPD im Infektionsschutzgesetz (wie oben erwähnt) eingefügt, dass das "Betreten von sowie Maßnahmen in Wohnungen unzulässig sind." Wir erwarten von der Staatsregierung eine eindeutige Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit sowie Klarstellungen hinsichtlich der öffentlich diskutierten Fragestellungen, wie zum Beispiel hinsichtlich der Kommunikation zwischen Einzelpersonen unter Beachtung des Mindestabstands.

Teil der Diskussion muss auch der Weg aus dem "Lockdown" sein. Die SPD-Landtagsfraktion setzt sich dafür ein, dass auf Basis zuverlässiger Modelle und Instrumente zur Prognose der epidemiologischen Entwicklung Lockerungen erfolgen. Diese Lockerungen sind von großer Bedeutung für viel Bürgerinnen und Bürger. Vereinsamung, Stress und psychische Krisensituationen nehmen zu, je länger die Einschränkungen des öffentlichen, ökonomischen und sozialen Lebens andauern. Gleiches gilt für soziale Schieflagen.

Ich kann Ihnen hier nur einen Zwischenstand der Diskussion abbilden. Die weitere Diskussion um die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus in Bayern und ihrer Folgen wird die BayernSPD-Landtagsfraktion weiter begleiten. Tagesaktuelle Informationen zu den Maßnahmen des Freistaats und der Positionierung der SPD finden Sie unter www.bayernspd-landtag.de/corona .

Mit freundlichen Grüßen

Stefan Schuster
Innenpolitischer Sprecher der BayernSPD-Landtagsfraktion