Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die aus dem Coronatopf entnommenen Mittel wieder zurück fließen und für Forschung und Betreuung von Erkrankten an Postcovid, ME/CFS und PostVac eingesetzt werden?

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Sven Lehmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Riccardo R. •

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die aus dem Coronatopf entnommenen Mittel wieder zurück fließen und für Forschung und Betreuung von Erkrankten an Postcovid, ME/CFS und PostVac eingesetzt werden?

Diese Krankheiten sind in ihrem Ausmaß (mehr als 2 Mio. Betroffene allein in Deutschland) nicht nur persönliche Tragödien sondern auch mit enormen wirtschaftlichen Verlusten für unser Land verbunden.

Wir befinden uns in einer stillen humanitären Katastrophe, ca. 2 Mio. Erkrankte, ohne Therapie, Anlaufstellen und adäquate Versorgung. Viele davon, meist junge, zuvor arbeitende Menschen, sind bettlägerig.

Bisherige Maßnahmen der Ampel - nicht mehr als einen Tropfen auf dem heißen Stein. Dies ist eine DIREKTE Folge der Pandemie. Daher fordern wir Betroffene mindestens 500 Millionen Euro für 5 Jahre für die Forschung und Versorgung (Aufbau Kompetenzzentren im KOA-Vertrag) der Krankheitsbilder VOR der Löschung des "Kredites ZUR BEKÄMPFUG DER PANDEMIEFOLGEN".

Vielen Dank für Ihre Hilfe

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Guten Tag Riccardo R.,

vielen Dank für Ihre Zuschrift.

Post-Covid, PostVac und ME/CFS sind furchtbare Erkrankungen, die den Alltag vieler Menschen von heute auf morgen komplett verändern und sie monate- und jahrelang schwer beeinträchtigen. Viele Erkrankte müssen nicht nur mit der bisher ungewisse Behandlungsaussicht umgehen, sondern auch mit Fehldiagnosen und teilweise offener Leugnung ihrer Erfahrungen.

Für uns Grüne ist es ein wichtiges Anliegen, die Versorgung von ME/CFS-Erkrankten sowie Betroffenen von allen Symptomatiken, die sich unter Long-Covid, Post-Covid und Post-Vac einordnen lassem, zu verbessern und die Forschung sowie die Therapieentwicklung zu diesen Krankheitsbildern zu voranzutreiben.

Obwohl ME/CFS als neurologische Erkrankung bereits seit 1969 anerkannt ist, haben viele Vorgängerregierungen dieser Erkrankung und den Betroffenen kaum Aufmerksamkeit gewidmet, obgleich wir Grüne (beispielsweise durch eine Kleine Anfrage vom 7. August 2019, https://dserver.bundestag.de/btd/19/122/1912204.pdf?fbclid=IwAR0wrCUhCpAX8Ilf6k9RfCtPt8CeP2IfkAF67HYDezcb7cMPkjmpzRq6fko) die vorherige Regierung bereits dazu aufgefordert haben, sich des Themas endlich anzunehmen.

Erst seit grüner Regierungsbeteiligung haben wir in dieser Legislatur endlich die mangelhafte Versorgungs- und Forschungslage auf die politische Agenda gesetzt. Nicht zuletzt haben ME/CFS und Long-Covid als zwei Krankheitsbilder erstmals auch explizit Eingang in unseren Koalitionsvertrag gefunden. Auch wenn es keinen Gesetzestext oder Koalitionsantrag gibt, der den Namen „ME/CFS“ oder „Long Covid“ trägt, so haben wir als Ampel doch seit Beginn der Legislatur eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Forschung und Versorgung gezielt zu verbessern:

  • Während für 2022 und 2023 Haushaltsmittel in Höhe von 22,5 Millionen Euro bereitgestellt und bewirtschaftet wurden, konnten wir trotz angespannter Haushaltslage in den letzten Haushaltsverhandlungen weitere über 200 Millionen für Forschungsförderung zum Krankheitsbild selbst sowie zu Medikamenten und Therapien für die nächsten Jahre veranschlagen. So können nicht nur neue Forschungshaben finanziert werden, sondern auch die Finanzierung von bereits laufenden Forschungsprojekten ist gesichert, darunter die Projekte im Rahmen der der Nationalen Klinischen Studiengruppe (NKSG) wie z.B. die klinische Studie an der Charité Berlin, in der die Wirksamkeit von vier Gruppen von bereits bekannten Medikamenten für die Behandlung von Patient*innen mit Long-Covid und ME/CFS erforscht wird.
  • Weiterhin ist es für uns Grüne ein ganz zentrales Anliegen, gemeinsam mit den Ampel-Partner*innen die Versorgungssituation durch Spezialambulanzen zu verbessern. Zu diesem Zweck haben wir im Rahmen des Krankenhausentlastungsgesetzes vom 20. Dezember 2022 den Gemeinsame Bundesausschuss beauftragt, bis Ende 2023 eine Richtlinie für die interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik von Long-Covid und Krankheitsbildern mit starken Erschöpfungs-Zuständen wie etwa ME/CFS erarbeiten. Gleichzeitig wird dadurch festgelegt, wie den Versicherten ein zeitnaher Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot gesichert werden muss. Die Richtlinie ist in der finalen Abstimmung und wird voraussichtlich in Kürze veröffentlicht.
  • Zudem wurde eine Telefonhotline für Betroffene eingerichtet, um den Betroffenen einen ersten Anlaufpunkt zu geben und sie über bereits bestehende Versorgungsangebote adäquat zu informieren und zu beraten. Eine erste Anlaufstelle stellt auch die neu eingerichtete Webseite (https://www.bmg-longcovid.de/service) des BMG dar, die aktuelle Informationen zu Long Covid und Post-Covid, aber auch ME/CFS, bündelt und neben einer Liste an aktuellen Beratungs- und Unterstützungsangeboten auch mehrsprachige Informationen sowie telefonische Beratung für Erkrankte und Ärzt*innen anbietet.
  • Außerdem wurde  im Herbst 2023 ein Runder Tisch eingerichtet. In regelmäßigen Treffen diskutieren Vertreter*innen aus der Wissenschaft, Betroffenenorganisation, Ärzteschaft, den Krankenkassen sowie aus der Politik intensiv die zusammenhängenden Themen Long-Covid, Post-Covid, Post-Vac sowie ME/CFS diskutieren und loten Handlungsmöglichkeiten, um die Versorgung zu verbessern. Ein konkretes Ergebnis des Runden Tischs ist es, dass das BMG das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) damit beauftragt hat, eine Liste von Arzneimitteln zu erarbeiten, die im Off-Label-Use bei Long-COVID-Patient*innen verordnet werden können. Die Liste dient als Empfehlung an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), der Ausnahmen definieren kann, bei denen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Medikamente im Off-Label-Use übernehmen.

Dieses alles sind sehr wichtige Maßnahmen, die ihre Wirkung teilweise erst mit der Zeit zeigen werden. Als Politik können wir weder Curricula für die Fortbildungen von Mediziner*innen selbst festlegen noch selbst Schwerpunktarztpraxen und -kliniken einrichten. Unsere Handlungsmöglichkeiten liegen insbesondere darin verschiedene Stellschrauben in Gesetzesvorhaben, in Haushaltsberatungen oder in unserer Öffentlichkeitsarbeit drehen, um in unserem vielschichtigen Gesundheitssystem Änderungen im Sinne der bestmöglichen Beratung und Behandlung Betroffener voranzubringen.

Mit freundlichen Grüßen

Sven Lehmann

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