wie können Sie eine Impfpflicht mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes vereinbaren?

Portrait von Svenja Schulze
Svenja Schulze
SPD
98 %
84 / 86 Fragen beantwortet
Frage von Jens R. •

wie können Sie eine Impfpflicht mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes vereinbaren?

Sehr geehrte Frau Schulze,

wie können Sie eine Impfpflicht mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes vereinbaren? Eine Impfung ist ein medizinischer Eingriff in das Immunsystem. Dazu bedarf es der zwanglosen und freiwilligen Einwilligung des Patienten. Eine Impfpflicht widerspricht dem Freiwilligkeit und es entstehen Zwänge. Natürlich hofft man mit einer Impfpflicht Pandemien zu verhindern, jedoch kann und darf das Individualrecht nicht ausgehelbelt werden. Ganz zu Schweigen von den Vertrauensverlusten in die Ärzte, die ja die Patienten zwangsbehandeln müssen. Von dem Problemen mit dem Nürnberger Kodex ganz zu schweigen.
Ich würde mich über eine Rückmeldung mit Ihrer Meinung dazu freuen und hoffe inständig, daß Sie sich gegen eine Impfpflicht entscheiden werden.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jens R.

Portrait von Svenja Schulze
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dr. R.,

eine Impfpflicht kann grds. mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Eine Impfpflicht berührt zwar u.a. Art. 1 und 2 GG. Ein Eingriff muss deshalb mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein und den Schutz eines hochrangigen Rechtsguts verfolgen. Der Eingriff kann aber abhängig von der Ausgestaltung und des zu erwartenden Infektionsgeschehens durch die damit verfolgten Ziele des Gesundheitsschutzes, die auch Ausdruck des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes von Leben und körperlicher Unversehrtheit sind, gerechtfertigt werden. Außerdem müssen Ausnahmen für Personen vorgesehen sein, bei denen eine medizinische Indikation gegen eine Impfung spricht.

In der aktuellen Situation besteht die Erwartung einer mittelfristig abnehmenden Infektionsdynamik im Sommer. Gleichzeitig steigen derzeit die Infektionszahlen wieder deutlich, was zunächst ein hohes Plateau bzw. auch einen Anstieg bei den Todeszahlen und der Hospitalisierungsinzidenz erwarten lässt. Es ist wahrscheinlich, dass es im Herbst zu einer erneuten Infektionswelle kommt, deren Folgen für das Gesundheitssystem es abzumildern gilt. Die Pandemie hat bereits gewaltige gesundheitliche, soziale und ökonomische Folgekosten verursacht. Dies darf nicht noch einmal geschehen. Die Situation wird dabei umso gravierender werden und Eingriffe erfordern, je ansteckender und gefährlicher die Virusvariante und je größer die Immunitätslücken sind. Die aktuelle Impfquote von etwa 75 Prozent ist deutlich zu gering. Eine Allgemeine Impfpflicht bietet nachhaltigen Schutz für das Gesundheitssystem. Die Steigerung der Impfquote führt dazu, dass weniger Personen einen schweren Krankheitsverlauf erleiden und stationär behandelt werden müssen. Durch die Einführung einer Allgemeinen Impfpflicht kann eine Überlastung des Gesundheitssystems vermieden werden Gleichzeitig kann das Risiko der Entstehung von Virusvarianten mit neuen Schadenspotentialen durch eine starke und anhaltende Immunantwort gegen zirkulierende SARS CoV 2 Varianten vermindert werden. Ein hoher Immunschutz der Bevölkerung wird dazu beitragen, künftig anderweitige Eingriffe in Grundrechte weitestgehend zu vermeiden wie das Recht auf schulische Bildung, die freie Berufsausübung, die freie Ausübung von Kunst und Kultur, die Versammlungsfreiheit die Freiheit der Religionsausübung bzw. die allgemeine Handlungsfreiheit.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits verschiedene Eilanträge abgelehnt, die einrichtungsbezogene Impfpflicht außer Vollzug zu setzen und keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken für diese Ausgestaltung gesehen.

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hält eine nationale Impfpflicht grds. für zulässig. Der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit könne im Interesse allgemeiner Gesundheitsvorsorge eine notwendige Maßnahme sein.

Die Corona-Impfung ist ein zugelassenes medizinisches Verfahren. Alle Impfstoffe wurden in klinischen Studien geprüft und von der Arzneimittelbehörde EMA in Europa zugelassen. An den Studien haben die Probandinnen und Probanden freiwillig teilgenommen und wurden zuvor über mögliche Risiken aufgeklärt. Auch eine bedingte Zulassung ist eine Zulassung, die an Auflagen geknüpft ist. Sie kann im Interesse der Allgemeinheit für ein Arzneimittel erteilt werden und verletzt nicht den Nürnberger Kodex.

 

Mit freundlichen Grüßen

Svenja Schulze

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Svenja Schulze
Svenja Schulze
SPD