Frage an Sylvia Kotting-Uhl bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

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Sylvia Kotting-Uhl
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Rüdiger W. •

Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Rüdiger W. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl,

am 27.9.2008 hatte ich Ihnen auf ageordnetenwatch.de meine damalige Sorge bezüglich der dramatischen Umweltzerstörungen durch Zersiedlung und Intensivlandwirtschaft geschildert.

Siehe auf Seite 3 unter http://www.abgeordnetenwatch.de/sylvia_kotting_uhl-650-6042-3-p472.html#questions

Ich zitiere: „Wie kann es sein, dass der naturvernichtende Flächenverbrauch und die noch radikalere Umweltvernichtung durch die Intensivlandwirtschaft so ungebremst weitergehen?

Am 29.10.208 hatten Sie mir ausführlich geantwortet. U.a. mit dem Abschlusssatz:

„Schicken Sie solche mails bitte auch an die Kanzlerin, an Umwelt-, Verkehrs- Landwirtschafts- und Wirtschaftsminister.“

Dass so etwas die vom Fußvolk abgehobenen Politiker so viel berührt wie einen Ochsen, den man ins Horn pfetzt, habe ich in meinen nunmehr 76 Lebensjahren zur Genüge erlebt.

Jetzt steht einer der Höhepunkte der weiteren Umweltvernichtungen unserer Heimat ins Haus: Die Verlängerung der EU-Zulassung für Glyphosat (z.B. Round up). Unfassbar, dieser Lobbyismus zugunsten der Intensivlandwirtschaft und Agrochemie. Hinsichtlich der Folgen spielt da im Vergleich der UEFA-Skandal im Kindergarten statt.

Wie können wir gezielt das von Ihrer Fraktion geforderte Verbot doch noch erzielen?

Mit freundlichen Grüßen
Rüdiger Weis

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Weis,

vielen Dank für Ihre Nachfrage.

Es ist ein Erfolg der Umweltverbände und unserer hartnäckigen Oppositionsarbeit, dass die Glyphosatzulassung statt wie sonst üblich um 15 Jahre nur um 18 Monate verlängert wurde (bis Ende 2017).
Die grüne Fraktion arbeitet weiter hart daran, dass Glyphosat keine neue Zulassung erhält, solange nicht alle wissenschaftlichen Zweifel an der Unbedenklichkeit von Glyphosat ausgeräumt sind. Dies gilt umso mehr angesichts neuer Erkenntnisse, dass die aktuelle ECHA-Bewertung von Glyphosat offenbar unter Industrieeinfluss zustande kam (siehe die PMs unten).

Unabhängig vom Ausgang der Entscheidung auf EU-Ebene über die Zulassungsverlängerung fordern wir auch zum Schutz der Biodiversität Maßnahmen zur deutlichen Reduzierung der ausgebrachten Glyphosatgesamtmenge und ein Verbot für Privatanwender und Kommunen. Sofort umsetzbare Maßnahmen sind:
• ein Verbot der Vor-Ernte-Anwendung (im Minimum eine Genehmigungs- und Deklarationspflicht)
• ein Verbot der kommunalen und privaten Anwendung,
• eine Beschränkung des landwirtschaftlichen Einsatzes auf Ausnahmefälle
• und weitergehende Schutzmaßnahmen für Anwohner und sonstige Nebenstehende.
Eine erhebliche Senkung des Glyphosateinsatzes als schneller erster Schritt ist angesichts der Risiken für Mensch und Umwelt geboten. Doch auch das vollständige Verbot darf keine Utopie bleiben.

Durch eine Kombination von mechanischen, physikalischen und biologischen Verfahren ist eine ausreichende Kontrolle des Beikrautwuchses auch ohne Glyphosat oder andere Totalherbizide möglich. Dazu zählen:
• Vielfältige Fruchtfolgen einschließlich Wechsel zwischen Winter- und Sommerkulturen (Winterungen und Sommerungen)
• Zwischenfrüchte und Untersaaten. Zweijähriges Kleegras in der Fruchtfolge ist hilfreich gegen mehrjährige Problemunkräuter
• Mischkulturen
• Bodenbedeckung durch Mulch oder Gründüngung
• Schonende Bodenbearbeitungsmethoden wie flaches Pflügen, Striegeln und Eggen, Einsatz der Rollhacke, Stoppelbearbeitung mit dem Grubber oder durch flaches Pflügen (Schälpflug)
• Thermische Beikrautbehandlung mit Wasserdampf, Abflammgeräten oder Heizplatte

Um wirksam die Belastung der Bevölkerung mit Glyphosat zu reduzieren, ist zusätzlich ein Bio-Monitoring nötig, um Ausmaß und wesentliche Quellen der Belastung systematisch zu ermitteln.

Als inzwischen schon erfahrene Parlamentarierin sage ich aber deutlich: gerade in Umweltfragen, die von der Union, aber leider auch von der SPD hinter vermeintlich Wichtigerem gern vergessen werden, braucht es mehr als hartnäckige Arbeit einer grünen Opposition in Zeiten einer großen Koalition. Es braucht den Druck aus der Zivilgesellschaft. Gerade läuft eine offizielle Europäische Bürgerinitiative für ein Glyphosatverbot, die u. a. von Umweltverbänden und uns Grünen unterstützt wird. Hier können sich Bürgerinnen und Bürger engagieren und den politischen Druck für ein Glyphosatverbot erhöhen.

Und was macht der Fächenverbrauch, der Thema Ihrer damaligen Frage an mich war? Nach wie vor ist er eines der großen ungelösten Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland. Umwelt wird verbraucht, Kosten verursacht. Die Schäden an Umwelt, Natur und Landschaft durch Versiegelung, Zersiedelung und Zerschneidung sind erheblich und zumeist unumkehrbar. Für uns hat daher Innenentwicklung absoluten Vorrang vor Außenentwicklung. Deshalb setzen wir uns auch für einen Flächenzertifikatehandel ein und bringen entsprechende Parlamentarische Initiativen in den Bundestag ein.

Die Bundesregierung hingegen lässt dem Flächenfraß freien Lauf. Der Entwurf der Bundesregierung zur Baurechtsnovelle ist absurd. Statt kurze Wege im urbanen Gebiet zu fördern, zielt er auf Zersiedelung im ländlichen Raum. Einerseits will Schwarz-Rot mit der neuen Baugebietskategorie „Urbanes Gebiet“ den Kommunen das Bauen in verdichteten städtischen Gebieten erleichtern. Gleichzeitig hebelt sie durch die Hintertür den Flächenschutz im Außenbereich aus. Meine Fraktion hat daher den Flächenfraßparagrafen 13b aus der Baurechtsnovelle der großen Koalition extra abstimmen lassen und diesen ausdrücklich abgelehnt.

Mit freundlichen Grüße
Sylvia Kotting-Uhl