Warum jetzt eine Impfpflicht einführen wollen?

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Thomas Hitschler
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Frage von Michaela P. •

Warum jetzt eine Impfpflicht einführen wollen?

Sehr geehrter Herr H.
Warum denkt man jetzt über eine Impfpflicht für Menschen ab 18 nach , wo evident ist , dass nur die älteren starke Auswirkungen befürchten müssen. Eine Impfpflicht für ältere Menschen, ab 50 , würde ich noch verstehen. Die Jungen müssen schon mit der Energiewende , der Überalterung der Bevälkerung und Artensterben , Klimawandel etc zurecht kommen. Ich finde es äußerst ungerecht, dass alles auf unsere jungen Menschen abzuwälzen. Übrigens bin ich 60 Jahre alt.

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Sehr geehrte Frau P.,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich sehr gerne beantworte.

Die mögliche Einführung einer allgemeinen Impfplicht beschäftigt derzeit viele Menschen. Unter den Maßnahmen, die die Ministerpräsidentenkonferenz noch im alten Jahr beschlossen hat, ist unter anderem bereits eine Impfverpflichtung für Angehörige bestimmter Berufsgruppen. Das gilt besonders im Pflegebereich. Die allgemeine Impfpflicht im nächsten Schritt im Bundestag beraten werden.

Es wäre übrigens nicht das erste Mal, dass wir in Deutschland eine Pflicht zum Impfen einführen. Bis in die 1980er Jahre gab es eine Impfpflicht gegen Pocken, zunächst allgemein, später eingeschränkt auf Kinder bis 12 Jahre. Diese Impfpflicht hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der letzte registrierte Pockenfall in Deutschland 1972 aufgetreten ist. Eine Impfpflicht kann also ein durchaus wirksames Mittel zur Bekämpfung einer Infektionskrankheit sein.

Verfassungsrechtlich ist eine Impfpflicht grundsätzlich möglich, wenn es sich dabei um ein zielführendes Mittel handelt und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Ich bin der Ansicht, dass wir nun den Punkt erreicht haben, an dem die bisherigen Maßnahmen nachweislich nicht mehr ausreichen. Ohne die Option einer allgemeinen Impfpflicht werden wir die Corona-Situation vermutlich nicht überwinden können.

Ich werde mir diese Entscheidung nicht leicht machen. Mein Abstimmungsverhalten während der Corona-Pandemie habe ich stets an dem verfassungsrechtlichen Grundsatz orientiert, dass der Staat stets das verhältnismäßig mildeste Mittel anwenden muss, um ein Problem zu lösen. Dementsprechend habe ich in der Vergangenheit eine Impfpflicht eher abgelehnt. Die Entwicklungen der vergangenen Monate haben mich aber zum Umdenken bewegt. Den nun beginnenden Diskussionen im Parlament sehe ich daher mit der Erwartung entgegen, dass wir in einem transparenten und sachlichen Prozess eine verfassungskonforme und zielführende Lösung finden werden.

Ich kann aber in einer möglichen Einbeziehung der 18- bis 49-Jährigen in eine Impfpflicht keine besondere Belastung sehen, die mit den von Ihnen genannten Beispielen der Bewältigung des Klimawandels und der Energiewende vergleichbar wäre. Wenn wir eine wirksame Impfpflicht einführen, sehe ich sogar entlastende Faktoren für junge Menschen: Gerade junge Menschen haben in den vergangenen Monaten viele Abstriche bei Bildung und Freizeitgestaltung machen müssen. Je wirksamer eine Impfpflicht wird, desto schneller wird hier wieder „Normalität“ einkehren. Außerdem würde eine Impfpflicht auch das Gesundheitssystem entlasten und damit langfristig auch die erwerbstätigen jüngeren Menschen, die mit ihren Beiträgen einen großen Teil der Kosten gegenfinanzieren. Je mehr Menschen geimpft sind, desto positiver fallen diese Effekte aus.

Ich hoffe, dass ich Ihre Frage beantworten konnte und stehe gerne für Rückfragen unter thomas.hitschler@bundestag.de zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Hitschler

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