Frage an Viola von Cramon-Taubadel bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Viola von Cramon-Taubadel
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Thomas K. •

Frage an Viola von Cramon-Taubadel von Thomas K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Welche Aufgaben sehen Sie für die Bundesrepublik Deutschland in der heutigen NATO?

Welche Aufgaben sehen Sie für die Bundeswehr in Afghanistan und am Horn von Afrika?

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Ablehnung des Afghanistaneinsatzes durch den überwiegenden Teil der Bevölkerung?

Welche Rolle messen Sie der Wehrpflicht zu? Soll die Wehrpflicht abgeschafft werden?

Wie stehen Sie zur These einer zunehmenden Militarisierung deutscher (Außen-) Politik?

Welche Höhe/ welchen Ausgabenanteil im Staatshaushalt für das Militär halten Sie für sinnvoll und notwendig?

Welche Rolle kann und soll die Regierung der BRD in der Nahostpolitik spielen?

Sehen Sie das Primat der Menschenrechte in der deutschen Nahostpolitik verwirklicht?

Werden Sie die Bemühungen von NROs um friedlichen Ausgleich zwischen den Völkern des Nahen Ostens unterstützen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Krüger,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage, hier vorab schon mal die Fragen zur Außenpolitik. Die Antworten zum gesamten Fragenkatalog, den Sie mir postalisch zugesandt hatten, erhalten Sie in den kommenden Tagen!

Mit freundlichen Grüßen,

Viola von Cramon.

8. MILITÄR
Die Rolle der NATO hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges geändert und muss dringend den neuen geopolitischen Rahmenbedingungen angepasst werden. Das bedeutet mit der Wahl von Barack Obama zum Präsidenten besteht erstmals die Chance die ursprünglich als reines Verteidigungsbündnis gegründete Allianz zu einem politischen und zivilgesellschaftlichen Bündnis – vor allem in Punkto Klimaschutz – weiter zu entwickeln und zu transformieren. Wir wollen eine globale Abrüstung vorantreiben und das geht vorerst nur mit den Alliierten in der NATO und nicht gegen diese. Die globale Abrüstung steckt in einer Krise, das liegt sowohl an den Mitgliedsstaaten in der NATO als auch an Russland. Die Bundesregierung muss deshalb viel stärker als bisher darauf einwirken, dass die USA ihren Abrüstungsverpflichtungen deutlich schneller nachkommt als in den letzten Jahren. Nuklearwaffen sind und bleiben das Hauptproblem in der Abrüstungsdebatte. Aber auch die Verbreitung von Kleinwaffen und Minen, die häufig unterschiedslos zwischen Militär und Zivilbevölkerung wirken, könnten mit einer entsprechenden Rüstungsexportbeschränkung von Deutschland aus stark begrenzt werden. Eine offensive Rüstungsexportstrategie wie sie immer noch und auch in Krisengebiete betrieben wird, muss dringend beendet werden. Wir fordern weiterhin eine deutlich stärkere und transparente parlamentarische Kontrolle über die Rüstungsexporte.

Der Einsatz der Bundeswehr im Norden Afghanistans dient vor allem der Sicherung des Wiederaufbaus im Norden Afghanistans. Insbesondere die Hilfsorganisationen sind auf die Unterstützung der Bundeswehr für ihre eigene Arbeit vor Ort angewiesen. Anschläge – wie diese am vergangenen Wochenende sind unerklärlich, weit entfernt von dem eigentlichen Ziel - dem Wiederaufbau und daher fatal für das Vertrauensverhältnis der internationalen Streitkräfte und der Zivilbevölkerung in Afghanistan. Wir GRÜNEN drängen auf eine vorbehaltlose, umfängliche und umgehende Aufklärung dieses Luftschlags seitens der Bundeswehr. Beim Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan muss es eine klare Strategieänderung geben, das haben wir GRÜNEN in den letzten Jahren immer wieder eingefordert und sind bisher vor allem am Widerstand der Bundesregierung gescheitert. Die Aufbauarbeit der einheimischen Polizei und der Justiz ist immer nur halbherzig geführt worden. Die Bundeskanzlerin hat den zivilen Wiederaufbau immer zu Lasten der militärischen Aufstockung untergeordnet. Der Einsatz der Bundeswehr steht unter einem UN-Mandat und wurde 2001 von der internationalen Staatengemeinschaft so beschlossen. Ob und in welcher Form dieses fortgeführt werden sollte, muss sicherlich unmittelbar nach der Wahl bzw. bei der anstehenden Verlängerung im Dezember 2009 diskutiert und entschieden werden. Aber auch in den USA deuten viele Signale daraufhin, dass nicht nur die von uns lange eingeforderte Strategieänderung diskutiert wird, der zivile Aufbau und nicht mehr die sogenannte Terroristenbekämpfung Vorrang hat, sondern vor allem die Demokraten und die Zivilgesellschaft eine absehbare Exitstrategie vom Präsidenten Obama fordern. Dass ein verantwortungsvolles Ausstiegsszenario formuliert werden muss, ist offensichtlich, allerdings sind wir uns der eingegangenen internationalen Verantwortung sehr wohl bewusst und können nicht – wie häufig sehr populistisch gefordert, die afghanische Bevölkerung mit einem überstürzten Abzug den Taliban überlassen. Der sicherheits- und abrüstungspolitische Sprecher der GRÜNEN Bundestagsfraktion, der überparteilich aufgrund seiner internen Afghanistan-Kenntnis sehr respektiert ist, hat sich aufgrund seiner Reisen in die Region häufig hierzu geäußert (http://www.nachtwei.de/index.php/articles/c120+36/). Diese Berichte empfehle ich allen Interessierten aus verschiedenen Gründen: Aus erster Hand wird hier die Problematik vor Ort geschildert, die Situation der Hilfsorganisationen, der zivilen Einsatzkräfte, aber auch der Bundeswehr und dazu immer wieder die Einbettung in den GRÜNEN Kontext, wie eine langfristige Friedenssicherung aussehen sollte und wo eine kohärente Strategie für die zivilen Aufbau ansetzen kann.

Die Wehrpflicht ist seit langer Zeit in dieser Form nicht aufrecht zu halten und gehört abgeschafft. Die Bundeswehr ist seit längerem kaum mehr eine Wehrpflichtigen-Armee, sie ist ungerecht und unnötig. Es werden im Durchschnitt lediglich knapp 50% der männlichen Bewerber berücksichtigt. Bereits heute sind 88% Freiwillige und nur noch 12% Wehrpflichtige in der Bundeswehr. Die Bundeswehr könnte problemlos umgebaut und deutlich verkleinert werden. Eine zunehmende Militarisierung in der Außenpolitik sehen wir nicht, allerdings fordern wir seit längerem das Absenken des Verteidigungshaushalts.

9. NAHOSTPOLITIK
Deutschland sollte eine stärkere Rolle als Vermittler im Nahostkonflikt einnehmen. Die aktuellen von Netanjahu gebilligten neuen Siedlungen im Westjordanland werden sich fatal auf den Friedensprozess in der Region auswirken. Die USA haben mit Obama sehr deutlich Stellung bezogen und ihre Forderungen gegen über der israelischen Regierung formuliert. Daran sollte die Bundesregierung gemeinsam mit anderen europäischen Partnern anknüpfen, um eine weitere Eskalation in der Region zu verhindern. Wenn die Region befriedet werden kann, dann wird es nur mit einer Zweistaaten-Lösung möglich sein, die beiden Seiten einen langfristigen Frieden gewähren kann. Für die Stabilität in der Region spielen die NROs eine wichtige Rolle, selbstverständlich unterstützen wir alle zivilgesellschaftlichen Kräfte, die ein friedliches Zusammenleben zwischen den Völkern im Nahen Osten ermöglichen.

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