Frage an Viola von Cramon-Taubadel von Daniel M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Frau von Cramon-Taubadel,
Vor drei Monaten las ich mir einen Teil des Grundgesetzes in der aktuellen Fassung durch. Jedesmal wenn ich mir Artikel 38 ansehe und darüber nachdenke was in den Medien an Bundestagsdebatten gezeigt wird muss ich schmunzeln, vor allem aber bei den Abstimmungen. Das Grundgesetz legt folgendes fest:
Art 38:(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
Nun, mal ganz ehrlich, kann man das als Abgeordneter wirklich so umsetzen oder steht man nicht doch unter Druck durch seine eigene Parteizugehörigkeit? Und warum gibt es eine parteiabhängige Opposition wenn doch jedes Mitglied des Bundestags nur seinem eigenem Gewissen unterworfen ist?
Es kann mir keiner erzählen dass von allen MdBs einer Partei jeder genau das gleiche über Gesetzesvorschläge denkt wie der andere der gleichen Partei.
Zweiter Punkt: Die Regierung fördert durch viele Institutionen und finanziellen Instrumente den Nachwuchs unseres Landes, auch dass dieser wieder zahlreicher wird. Diese Maßnahmen gibt es schon lange. Wie schätzen sie persönlich den bisherigen Erfolg ein?
Deutschland wuchs kaum und unsere Jugend scheint aggressiver und weniger gebildet zu sein als Jahre zuvor. Dabei waren die Schulklassen früher größer und die Lehrmaterialien wesentlich weniger ausgereift.
Dritter Punkt: Eine Demokratie lebt durch die Mitwirkung seiner Bürger in all ihrer Vielfalt und besteht ungefährdet nur solange bis diese unzufrieden werden, sei es durch Arbeitslosigkeit, fehlende Zukunftsperspektiven oder zu großen Eingriffen in ihre persönlichen Freiheiten.
Was wird der Bundestag tun um das Vertrauen der Menschen in die Demokrate dieses Landes auch in Zukunft dauerhaft zu erhalten?
Ich freue mich auf ihre Antworten,
mit freundlichem Gruß
Daniel Menzel
Lieber Daniel Menzel,
Zunächst möchte ich Ihnen für Ihre Anfrage danken und mich dafür entschuldigen, dass die Antwort so lange auf sich warten ließ.
Zu Ihren Fragen im Einzelnen:
1. Artikel 38 des GG ist sehr wichtig. Das eigene Gewissen spielt eine große Rolle bei den Abstimmungen im Bundestag. Sie sehen es gerade wieder bei der Entscheidung über die Fortsetzung des ISAF Einsatzes in Afghanistan. Hier entscheidet jede Abgeordnete und jeder Abgeordnete nach dem eigenen Gewissen - dies ermöglicht Artikel 38. Auch bei Entscheidungen über Stammzellenforschung in den letzten Jahren werden Sie gesehen haben, dass die Konfliktlinien quer durch die Parteien gingen, weil sich die Abgeordneten ihrem eigenen Gewissen und nicht den Vorgaben der Partei verpflichtet sahen.
Natürlich spielt die Partei- bzw. Fraktionszugehörigkeit eine Rolle. Sie müssen nur bedenken, dass sich Abgeordnete aus bestimmten Gründen für eine Partei entscheiden. Im Fall der Grünen sind das z.B. der Einsatz für nachhaltige Politik auch international und gerechte Sozialpolitik. Diese Gründe bilden den Konsens der Partei und der Fraktion und dienen Ihnen als Wähler auch als "Orientierungshilfe". Als Fraktion hat man zudem mehr politisches Gewicht, als einzelne Abgeordnete. Deswegen ist die Geschlossenheit in Bezug auf Abstimmungen nicht zu unterschätzen. Doch widerspricht die Parteilinie dem, was das eigene Gewissen gebietet - und das kommt, wie Sie am Beispiel Afghanistan sehen, vor - kann der oder die Abgeordnete dank Artikel 38 so abstimmen, wie es das eigene Gewissen verlangt.
2. Unsere Gesellschaft altert, das ist richtig. Ich finde es wichtig, Krippenplätze weiter auszubauen und eine Infrastruktur für Mütter und Väter zu schaffen, die sie in der Betreuung ihrer Kinder unterstützt. Orientieren können wir uns hier an den skandinavischen Ländern. Nur wenn Eltern das Gefühl haben gesellschaftliche Unterstützung zu bekommen, können sie ermutigt werden, Kinder zu bekommen. Hier haben wir noch einen langen Weg vor uns.
Der negativen Einschätzung der heutigen Jugend möchte ich mich nicht anschließen. Es geht doch vielmehr darum das Potential junger Menschen du besser zu fördern. Bildung ist hier der Schlüssel. Gerade deswegen engagiere ich mich in meinem Wahlkreis dafür, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien Chancen auf gute Bildung haben. Dazu gehört für mich z.B., dass Kindern in der Schule nicht nur ein Essen angeboten wird, sondern vor allem, dass auch alle Kinder daran teilnehmen können. Das bedeutet konkret, einkommensschwachen Familien dieses Schulessen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Insgesamt ist unser Schulsystem reformbedürftig - das ist für die Grünen und auch für mich eine Herzensangelegenheit. Gute Bildung - und das heißt integratives Lernen, mehr Lehrer und Sozialarbeiter und andere Fachkräfte in die Schule zu bringen - sollte im Ergebnis dazu führen, Kinder spüren zu lassen, dass sie Chancen in unserer Gesellschaft haben. Das eigene Selbstwertgefühl zu steigern ist eine immanent wichtige Aufgabe unseres Bildungssystems.
3. Ich denke, dass es bedeutsam ist, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie zu stärken. Vertrauen entsteht vor allem durch den persönlichen Kontakt. Die Bedenken, die Sie äußern, sind berechtigt: Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit sind Probleme, die bestehen. Gerade hier ist es wichtig glaubhafte Antworten zu finden und die Bürger in die politische Entscheidungsfindung einzubeziehen. Das versuche ich in meinem Wahlkreis besonders durch das offene Gespräche mit den Bürgern und Bürgerinnen zu erreichen. Dabei kommt es mir zum einen darauf an, meine Abgeordnetenarbeit transparent zu machen. Zum anderen habe ich auch die Hoffnung, andere zu überzeugen aktiv zu werden und sich für die Gesellschaft einzusetzen. Mir ist es wichtig zu mobilisieren und mit Menschen zusammenzuarbeiten, um unsere Demokratie aktiv gestalten zu können.
Ihre Viola von Cramon
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