Unterstützen Sie den partei- und fraktionsübergreifenden Antrag auf Prüfung der Verfassungswidrigkeit der AfD vor dem BVerfG?
Sehr geehrter Herr Stefinger,
Auch wenn eine politische Auseinandersetzung mit der AfD und den Gründen für die hohen Wählerstimmen erforderlich ist, so ist spätestens nach den Ereignissen in Thüringen ein Prüfverfahren der Partei vor dem BVerfG dringend notwendig um unsere Demokratische Grundordnung zu schützen. Wir dürfen nicht zuschauen, dass sich die Ereignisse von 1932/33 wiederholen.
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Nachricht bezüglich des aktuellen Antrags auf ein AfD-Parteiverbotsverfahren.
Gerne möchte ich Ihnen im Folgenden meine Sichtweise dazu darlegen und erklären, warum ich ein solches Verfahren für nicht zielführend halte. Von den Unionsabgeordneten wird dieser Antrag lediglich von sieben Parlamentariern unterstützt. Die Mehrheit der Unionsfraktion lehnt die Einleitung eines Verbotsverfahrens derzeit aufgrund von rechtlichen und politischen Bedenken ab. Diese Einschätzung teile ich ausdrücklich.
Juristisch gesehen stellt ein Parteiverbot eine enorme Herausforderung dar. Die Verfassung setzt hohe Maßstäbe an den Nachweis, dass eine Partei aktiv darauf hinarbeitet, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen für ein Parteiverbot sind mit Blick auf die AfD – zumindest derzeit – aller Voraussicht nach nicht erfüllt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD zwar als Verdachtsfall auf Rechtsextremismus ein, was aber den erheblich höheren Anforderungen an Parteiverbot nicht genügt. Es ist nicht ausreichend, wenn die Partei die obersten Grundsätze der Demokratie lediglich ablehnt. Sie muss die obersten Verfassungswerte vielmehr verwerfen und gegen sie und die bestehende Ordnung in einer aktiv kämpferischen und aggressiven Haltung vorgehen. Auch „Entgleisungen“ einzelner Mitglieder oder Anhänger genügen nicht, um anzunehmen, die Partei sei auf die Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung aus. Vielmehr ist erforderlich, dass die AfD von der verfassungsfeindlichen Grundtendenz beherrscht wird. Beweise hierfür in Form einer umfassenden Materialsammlung liegen aktuell nicht vor.
Ein weiterer problematischer Punkt ist die sog. „strikte Staatsfreiheit“, die zwingend vor Einleitung eines Verbotsverfahrens gegenüber der betroffenen Partei herzustellen ist. Das bedeutet, dass die Begründung eines Verbotsantrages nicht auf Beweismaterialien gestützt werden darf, deren Entstehung zumindest teilweise auf das Wirken von V-Leuten oder verdeckten Ermittlern zurückzuführen ist. Eine entsprechende Garantie können aber nur die Bundesregierung bzw. die Landesregierungen geben, nicht der Bundestag, der den Antrag stellen soll.
Problematisch ist zudem die Verfahrensdauer. Das letzte NPD-Verbotsverfahren nahm über vier Jahre in Anspruch. Das bedeutet, dass die AfD während des laufenden Verbotsverfahrens bei der nächsten Bundestagswahl auf den Wahlzetteln stehen würde. Dies würde ihr die Möglichkeit geben, sich als Opfer zu stilisieren. Sie könnte behaupten, die letzten „freien Wahlen“ in Deutschland stünden bevor und könnten sich damit als Märtyrer inszenieren. Dies wäre fatal für die Demokratie und könnte der AfD noch mehr Zuspruch verschaffen, wie Beispiele in der Vergangenheit immer wieder bewiesen haben.
Bitte bedenken Sie auch die möglichen Folgen eines Scheiterns des Verbotsantrags. Die AfD würde ein Scheitern des Antrages als verfassungsgerichtliches „Gütesiegel“ der eigenen Verfassungsmäßigkeit vermarkten.
Ich bin davon überzeugt, dass wir die AfD nicht wegverbieten, sondern nur wegregieren können. Statt uns auf langwierige Verbotsverfahren zu konzentrieren, werden wir als Union Lösungen für die großen Herausforderungen unseres Landes in den Vordergrund stellen. Was Deutschland braucht, ist weniger Ampel-Chaos und mehr konkrete, konstruktive Politik in den Bereichen, die den Menschen wirklich am Herzen liegen. So können wir die AfD durch klare, verantwortungsvolle Politik zurückdrängen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Stefinger