Frage an Alexander Ulrich bezüglich Senioren

Foto von Alexander Ulrich
Alexander Ulrich
BSW
89 %
17 / 19 Fragen beantwortet
Frage von Heike D. •

Frage an Alexander Ulrich von Heike D. bezüglich Senioren

Sehr geehrter Herr Ulrich,

auch wenn derzeit sicher andere Dinge die Tagespolitik bestimmen, würde ich gerne Ihre Meinung zur Entwicklung des Pflegebereichs hören. Die Altenpflege fällt in den Medien leider meist nur durch negative Schlagzeilen auf, die jedoch häufig wieder vergessen werden. Sicher gibt es zahlreiche gute Einrichtungen, die alles in ihrem Rahmen mögliche tun, um ihren Bewohnern optimale Pflege zukommen zu lassen. Doch mit wem man auch spricht, alle bedauern, dass die Personalschlüssel derart eng sind, dass wirklich gute Pflege nur durch geradezu übermenschlichen Einsatz (sprich zahlreiche Überstunden, die kaum bezahlt, geschweige denn abgefeiert werden können) möglich ist.
Ist es denn tatsächlich so, dass die Alten in unserer Gesellschaft keine Lobby mehr haben?
Gibt es Pläne der Linken, um in den Bereichen Alten- und Krankenpflege bessere Verhältnisse zu schaffen? Wie schätzen Sie die Effektivität der geplanten Sterne fürs Altenheim ein? Ist es denn überhaupt möglich, alle Heime regelmäßig (und möglichst unverhofft) zu prüfen? Und was passiert mit Heimen, die sich als schlecht herausstellen? Werden die geschlossen und die Bewohner auf andere Heime verteilt, die dann vielleicht überbelegt oder weit vom Heimatort entfernt sind.

Ich würde mich über eine Antwort von Ihnen freuen und verbleibe,
mit freundlichen Grüßen
Heike Dany

Foto von Alexander Ulrich
Antwort von
BSW

Sehr geehrte Frau Dany,

Ihre Fragen sind wichtig und richtig, gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise. Denn es ist gut möglich, dass diese Krise zum größten Sozialabbau in der Geschichte der Bundesrepublik genutzt und damit verschlimmert wird.

Der Charakter einer Gesellschaft zeigt sich immer am Umgang mit den Schwächsten. Die Bewohner/innen von Altenheimen haben, wie etwa Kinder, in unserem Land eine schwache Lobby. Gerade hier ist es daher notwendig für einen ausreichenden und gut qualifizierten Personalbestand zu sorgen. Schlecht bezahltes und überlastetes Pflegepersonal wirkt sich unmittelbar auf die Qualität der Pflege aus. Die Menschen in unserem Land werden glücklicherweise immer älter. DIE LINKE. hat daher einen Schwerpunkt ihres Zukunftsinvestitionsprogramms sowie eines öffentlichen geförderten Beschäftigungssektors im Gesundheits- und Pflegesektor gesetzt.

Ich übermittle Ihnen eine Auswahl unserer Initiativen und Dokumente zu den von Ihnen angesprochen Fragen:

Ein allgemeiner Standpunkt zur Pflegereform 2008
http://www.linksfraktion.de/thema_der_fraktion.php?artikel=1727564402

Eine kleine Anfrage zur Qualität der Pflege in Deutschland
http://dokumente.linksfraktion.net/drucksachen/7768870837_1610260.pdf

Einen Antrag zur solidarischen und humanen Sicherung der Pflege
http://dokumente.linksfraktion.net/drucksachen/7756196896_1607472.pdf

Sowie Beschlüsse unserer Fraktion, ein Fachpapier sowie ein Pflegesofortprogramm
http://dokumente.linksfraktion.net/pdfmdb/7798564683.pdf
http://dokumente.linksfraktion.net/pdfmdb/7769055837.pdf

Bzgl. ihrer spezifischen Fragen:

1) Das Sterne-System hat nach meinen Informationen keinen gesetzlichen Charakter, ich kann es daher die Qualität und Zuverlässigkeit nicht einschätzen. Ich empfehle diesbzgl. eine Verbraucher/innen-Zentrale zu kontaktieren.

2) Bei schweren Versäumnissen von Altenpflegeheimen können meines Wissens im schlimmsten Falle der Entzug der Zuwendung durch Krankenkassen bzw. finanzielle Sanktionen erfolgen. Die Kontrollen sind aber durch die mangelnde Finanzausstattung der hoheitlichen Behörden in den Ländern mit Sicherheit unzureichend.

Ein kompetenter Ansprechpartner in unserer Fraktion hierzu ist MdB Frank Spieth.

Herzliche Grüße,

Alexander Ulrich

Foto von Alexander Ulrich
Antwort von
BSW

Sehr geehrte Frau Dany,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 26.01.2009.

Im Herbst 2007 hat die Bundestagsfraktion DIE LINKE ein Pflegesofortprogramm verabschiedet, dass folgende 10 Punkte umfasst (und in ähnlicher Form auch Teil eines parlamentarischen Antrags im Bundestag wurde):

1. Leistungen der Pflegeversicherung anheben und dynamisieren
2. Demenzkranke in die Pflegeversicherung integrieren
3. Ambulante und alternative Wohn- und Versorgungsformen ausbauen
4. Rahmenbedingungen für Angehörige und Ehrenamtliche verbessern
5. Bezahlte Pflegezeit und Rechtsanspruch auf Teilzeit einführen
6. Optimale stationäre Versorgung sicherstellen
7. Pflegekräften eine berufliche Perspektive bieten
8. Ausreichende Personalausstattung mit qualifizierten Pflegekräften gewährleisten
9. Solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung in der Pflege einführen
10. Arbeitgeber zur Hälfte an den Kosten für die Pflege beteiligen

Die von Ihnen angesprochenen Fragen sind u.a. in Punkt 6 beantwortet:

Ein grundlegendes Problem bei der Sicherstellung eienr optimalen stationären Versorgung Pflegebedürftiger liegt nicht zu letzt darin, dass bei kommerziellen Anbietern (und besonders wenn diese Teil einer Aktiengesellschaft oder eines Konzerns sind), der Profit an oberster Stelle steht. Dabei muss bleibt die Qualität zwangsläufig auf der Strecke bleiben. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen hat in seinem Qualitätsbericht in Pflegeheimen, aber auch im ambulanten Bereich z.T. problematische Zustände festgestellt.

Es liegt auf der Hand: Gute Pflege braucht Zeit und ausreichend qualifiziertes Personal. Das betrifft sowohl den Personalschlüssel insgesamt als auch den Fachkräfteschlüssel. Um dieses Mehr an Qualität und Personal auch bezahlbar zu machen und zur Verfügung stellen zu können, fordert DIE LINKE in ihrem Pflegesofortprogramm deshalb eine deutliche Aufstockung der stationären Sachleistungsbeträge (Punkt 1) und auf der Einnahmenseite die Einführung einer solidarischen Bürgerinnen- undBürgerversicherung auch in der Pflege (Punkt 9) sowie die Rückkehr zur hälftigen Beteiligung der Arbeitgeber an der Finanzierung (Punkt 10).

Für eine optimale stationäre Versorgung fordern wir zudem eine bessere Mitwirkungsmöglichkeit und Mitbestimmung der Betroffenen in Heimbeiräten, erhöhte Transparenz durch die Veröffentlichung von allgemeinverständlichen Prüf- und Qualitätsberichten sowie verstärkte unangemeldete Kontrollen.

Zusätzlich müssen die vorhandenen Sanktionen bis hin zum Entzug der Zulassung als vollstationäre Einrichtung gegebenenfalls genutzt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Alexander Ulrich

Foto von Alexander Ulrich
Antwort von
BSW

Liebe Frau Dany,

ich erinnerte mich soeben an Ihre Frage vom 4.2.2009, die sich auf das
Bewertungssystem für Pflegeheime bezog.

Hierzu habe ich eher zufällig eine interessante Information gefunden.

http://www.dw-world.de/dw/article/0,,3957816,00.html

Demnach sehen die gesetzlichen Krankenkassen ein solches Bewertungssystem
vor, kein Pflegeheim ist aber zur Bereitstellung von Daten verpflichtet.

Dies ist eine große Schwäche des Systems. Allerdings dürften jene
Pflegeheime mit einer positiven Bewertung hoffentlich zu den besseren
Einrichtungen zählen.

Denn wer nichts zu verstecken hat scheut keine unabhängige Analyse.

Ich empfehle aber weiterhin eine VerbraucherInnenzentrale zu kontaktieren,
sollte die Entscheidung für ein Pflegeheim einen nahestehenden Menschen oder
gar Sie selbst betreffen.

Herzliche Grüße,

Ihr Alexander Ulrich

Was möchten Sie wissen von:
Foto von Alexander Ulrich
Alexander Ulrich
BSW