Was ist für Sie die "soziale Basis" der Partei DIE LINKE, wenn Sie als Unterzeichner des Aufrufs für eine populäre Linke auch die Forderung nach einem emanzipatorischen BGE ablehnen?

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Ali Al-Dailami
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Frage von Gotthilf K. •

Was ist für Sie die "soziale Basis" der Partei DIE LINKE, wenn Sie als Unterzeichner des Aufrufs für eine populäre Linke auch die Forderung nach einem emanzipatorischen BGE ablehnen?

Sehr geehrter Herr Al-Dailami,

Sie haben den Aufruf für eine populäre Linke (URL: https://populaere-linke.de/ ) unterzeichnet (URL: https://populaere-linke.de/unterstuetzerinnen-unterstuetzer/ ).

In dem Aufruf schlagen Sie vor, dass DIE LINKE die "Ungleichheit von Einkommen, Vermögen und Macht (...) zurückdrängen und die sozialen und kulturellen Spaltungen überwinden" solle. Etwas später lehnen Sie aber die Festlegung der Partei auf die Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) unter Hinweis auf eine abstoßende Wirkung einer solchen Forderung bei der sozialen Basis der Partei ab. Was aber machen Sie mit den ein emanzipatorisches BGE befürwortenden und ersehnenden Teilen der sozialen Basis? Oder aber was genau ist die "soziale Basis" Ihrer Partei? Wie wollen Sie mit einer Ablehnung eines emanzipatorischen BGE die soziale Spaltung überwinden? Wie können Sie diese Widersprüchlichkeit für sich, DIE LINKE und die soziale Basis auflösen?

Es grüßt Sie

G. K.

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Sehr geehrter Herr K.,

 

vielen Dank für diese Frage. Die soziale Basis einer linken Partei sollten all jene sein, die im kapitalistischen System unter die Räder kommen und auf die Unterstützung eines starken Sozialstaats angewiesen sind. Dazu gehören auch jene, die nicht „Betroffen“ sind, aber ebenso aus unterschiedlichen Gründen für sozial gerechtere Verhältnisse streiten.

Um diese soziale Basis einzubeziehen, muss eine linke Partei stets den Menschen, die sozial, ökonomisch und kulturell benachteiligt sind, zur Seite stehen und auch mit Ihnen gemeinsam kämpfen. Leider sind uns viele dieser Menschen als Mitglieder und vor allem als Wähler*innen verloren gegangen. Um diese Menschen zurückzugewinnen und unseren pluralistischen Ansatz zu stärken, habe ich diesen Aufruf mit gezeichnet. Aber auch um daran zu erinnern, für welche Kernanliegen einst Die Linke gegründet wurde.

Die von ihnen zitierte Passage "Die Ungleichheit von Einkommen, Vermögen und Macht wollen wir zurückdrängen und die sozialen und kulturellen Spaltungen überwinden" ist richtig und hat einen emanzipatorischen Kern, da die Frage nach der Verteilung sowie der Macht gestellt wird. Kurzum: Es wird die Systemfrage gestellt. Bezüglich ihrer Frage zum bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) wurde kürzlich eine Mitgliederbefragung innerhalb der Linken durchgeführt. 56,64 % der Mitglieder sprachen sich dafür aus, 38,43 % dagegen. 18.667 Mitglieder gaben gültige Stimmen ab. Die Wahlbeteiligung mit gültigen Stimmen lag damit bei gerade einmal 33,22 %. Das BGE, je nach Konzept, hat durchaus positive Aspekte, die ich unterstütze. Beispielsweise, dass Menschen keiner defizitorientierten Überprüfung ihrer sozialen Lebenssituation ausgesetzt werden sollen. Oder, je nach Höhe des BGE, sie z.B. als Arbeitnehmer in eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Arbeitgebern versetzt werden. Auch erachte ich den Aspekt, dass man in unkompliziert die Lage versetzt werden kann, sich beruflich neu zu orientieren. Als jemand der selbst von Hartz 4 Betroffen war, weiß ich um den Wunsch nach der Abschaffung der in der Regel unsinnigen Sanktionen und einer Grundsicherung die tatsächlich zum Leben reicht und die Würde des Menschen nicht in Frage stellt.

Mir erscheint das BGE jedoch als kein adäquates Werkzeug, um die sozialen und kulturellen Spaltungen final zu überwinden. Das Problem an den bisher diskutierten Modellen des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) ist zum einen, dass besser verdienende Menschen begünstigt werden sollen, die dies gar nicht nötig haben. Zum anderen bewegt sich das Konzept des BGE sehr nah an Lebenswelten, die von einem stark individualistischen Zeitgeist geprägt sind. Die Folgerung dessen ist ein Verständnis des Sozialstaates, der auf zu hohe Eigenverantwortlichkeit setzt, was aus meiner Sicht der falsche Ansatz ist.

Auch sind die politischen Kräfteverhältnisse nicht dergestalt, dass sich eher ein fortschrittliches Modell des BGE, welches meines Erachtens immer noch defizitär wäre, durchsetzen würde. Denn, mit der Einführung eines Grundeinkommens, das nicht den Vorstellungen der BAG Grundeinkommen in der Linken entspricht, sondern neoliberal ausgelegt ist, könnten die Sozialversicherungssysteme, sowie alle Sozialleistungen abgeschafft, die Krankenversicherung privatisiert und somit die „Lohnnebenkosten“ komplett entfallen. Zudem ist davon auszugehen, dass dieses neoliberale Grundeinkommen noch unter dem vollkommen unzureichenden Regelsatz und den ebenso unzureichende Kosten der Unterkunft liegen würde. Realistischer und erfolgsversprechender als das BGE halte ich den Kampf für einen starken Sozialstaat, der keinen zurück lässt.

 

Mit freundlichen Grüßen

Ali Al-Dailami

 

 

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