Wie erklären sie sich die Häufung von Todesfällen durch Polizeischüsse in Südhessen, bitte nehmen sie Stellung dazu?

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Ali Al-Dailami
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Frage von Anna M. •

Wie erklären sie sich die Häufung von Todesfällen durch Polizeischüsse in Südhessen, bitte nehmen sie Stellung dazu?

Ich habe die Todesfälle durch Polizeigewalt untersucht und frage mich ob in Südhessen überdurchnittlich früh geschossen wird, denn mit der Bevölkerungsdichte lässt sich solch eine Anhäufung kaum erklären da im Vergleich zu anderen Hotspots nicht so viele Bürger dort leben, sehen sie selbst. Da Rechte Netzwerke in der Polizei FFM aufgedeckt wurden, hat mich diese Häufung verunsichert und ich möchte dies zur Stellungsnahme einbringen. Betrachten sie die Karte.
Das größte Risiko, in Deutschland von einer Polizeikugel tödlich getroffen zu werden, besteht seit 1976 in den Bundesländern Hamburg und Hessen in der eigenen Wohnung und als Drogenkonsument/Kiffer.
Quelle: https://polizeischuesse.cilip.de/?p=2#chronik

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Antwort von
BSW

Sehr geehrte Frau M.,

die Tatsache, dass seit 1989 in Deutschland durch polizeilichen Schusswaffengebrauch 310 Menschen gestorben sind, ist traurig und erschreckend zugleich.

Vielen Dank für Ihre aufschlussreiche Quellenangabe (polizeischuesse.cilip.de) und die interessanten Zahlen, welche u. a. auf der jährlichen Schusswaffengebrauchsstatistik der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) basieren. Bei genauerer Betrachtung der Daten fällt zunächst auf, dass die tödlichen Schüsse durch Polizist:innen in allen Ballungsgebieten enorm hoch sind.

Zu ihrer Nachfrage bezüglich eines Zusammenhangs extrem rechter Netzwerke in der Frankfurter Polizei und der hohen Anzahl von Todesfällen durch Polizeikugeln kann ich vor dem Hintergrund der anderen genannten Vergleichsgebiete zunächst keinen Zusammenhang erkennen. Ich möchte so einen Zusammenhang auch nicht ausschließen, jedoch lässt sich dieser aus der Dokumentation nicht ableiten.

Mir scheint der sozialräumliche Aspekt entscheidend zu sein, aufgrund dessen es zu einer Häufung von Todesfällen durch Polizeieinsätze in bestimmten Gebieten kommt. Wenn Menschen aufgrund prekärer Lebenssituationen gezwungen werden, in beengten Wohnungen und dicht besiedelten Wohngegenden mit vielen Menschen zu leben, ist das Konfliktpotenzial erhöht. Die Dokumentation zeigt auf, dass sich viele Betroffene in einer psychischen Ausnahmesituation befunden haben. Nach den angeführten Zahlen werden in einem Fünftel aller Fälle die Betroffenen in ihrer eigenen Wohnung getötet. Nicht selten geschieht dies, wenn sich Betroffene in einer existenzbedrohenden Lebenslage befinden und sich nicht mehr zu helfen wissen, indem sie sich oder andere gefährden und folglich auf bewaffnete Polizisten treffen.

An dieser Stelle sind die Landesregierungen und Kommunen gefragt, Voraussetzungen zu schaffen, dass soziale Krisendienste bei der Intervention mit psychischen Ausnahmesituationen Vorrang haben müssen. Zumindest sollten diese in mobilen Teams die Möglichkeit haben zu versuchen, solche Situationen zu entschärfen. Aus meiner Sicht sind paramilitärisch organisierte Polizeieinheiten wie das SEK im Umgang mit solchen Situationen fehl am Platz. Viele dieser dokumentierten Fälle von tödlichen Schusswaffengebrauch durch Polizist:innen lassen auf gesellschaftspolitische Probleme schließen und haben Ursachen wie Armut und soziale Ungleichheit. Mir ist es ein wichtiges Anliegen zu betonen, dass diese Ursachen nicht sicherheitspolitisch gelöst werden können.

Mit freundlichen Grüßen

Ali Al-Dailami

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