Wie stehen Sie zu der angedachten Chatkontrolle in der EU, des anlasslosen und flächendeckenden Generalverdachts aller EU-Bürger?

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Andreas Schwab
CDU
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Frage von Jérôme K. •

Wie stehen Sie zu der angedachten Chatkontrolle in der EU, des anlasslosen und flächendeckenden Generalverdachts aller EU-Bürger?

Sehr geehrter Herr Schwab,
ich würde gerne Ihre Position bezüglich des geplanten Gesetzesvorhabens zur Chatkontrolle erfahren. Wie stehen Sie zu dem Aufbrechen der Verschlüsselung und der Offenlegung aller geschriebenen Nachrichten unter dem Deckmantel des Schutzes vor Kindesmissbrauch?
Ich mache mir Sorgen, dass die geplante Chatkontrolle ein gefährlicher Präzedenzfall ist, der das Recht auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung bedroht. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass ähnliche Vorhaben wie die anlasslose, flächendeckende Vorratsdatenspeicherung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EUGH) für rechtswidrig erklärt wurden. Wie sehen Sie das?
Sind Sie der Meinung, dass die Bedenken der Experten und der Bevölkerung berücksichtigt werden sollten und dass das Recht auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung geschützt werden muss?
Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie Ihre Standpunkte zu diesen wichtigen Fragen teilen könnten.

Mit freundlichen Grüßen,
J. K

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr K.,

 

vielen Dank für Ihre E-Mail zum Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission zur Bekämpfung und Prävention des sexuellen Missbrauchs von Kindern.

 

Kinder haben ein Recht darauf, frei von sexueller Gewalt aufzuwachsen. Die Digitalisierung der letzten 20 Jahre hat zur starken Verbreitung von Kindesmissbrauchsmaterial und zur Planung und Anbahnung von Straftaten beigetragen. Pädokriminalität ist ein grenzüberschreitenden Problem in der EU. Neben dem Drogenhandel ist Kindesmissbrauch eine der lukrativste Einnahmequelle für die organisierte Kriminalität. Deswegen stärken die EU-Mitgliedsstaaten und die Europäische Kommission bereits seit 2021 im Rahmen einer Kinderrechtestrategie ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen Kindesmissbrauch. Der Verordnungsvorschlag ist ein Baustein dieser Kinderrechtestrategie.

 

Mit dem Vorschlag soll jegliche Verbreitung von Missbrauchsmaterial im Internet bekämpft werden. Dadurch sollen die in der EU-Grundrechtecharta verankerten Rechte der Kinder gestärkt werden. Gleichzeitig muss jedes Grundrecht, also auch die Rechte der Kinder, mit anderen Grundrechten abgewogen werden. Dem vorliegenden Verordnungsvorschlag gelingt diese Balance aber meines Erachtens nicht ganz: Er ist nicht verhältnismäßig, weil einige der  Maßnahmen zu einer weitreichenden Überwachung von Kommunikationsinhalten führen würden. Auch sind die Maßnahmen nicht dazu geeignet, Kindesmissbrauch vorzubeugen und zu bekämpfen. Darum werden die CDU/CSU-Kollegen dem Vorschlag in seiner aktuellen Form nicht zustimmen und Änderungen verlangen.

 

Der Vorschlag sieht in Artikel 3 und 4 vor, dass Anbieter von Hosting- und Kommunikationsdiensten, also z.B. Cloud-Anbieter oder Whatsapp, regelmäßig darüber berichten müssen, wie sie gegen die Verbreitung von Kindesmissbrauchsmaterial auf ihren Diensten vorgehen. Dieser Schritt ist grundsätzlich richtig, denn offline wie online müssen wir Unternehmen gleichermaßen im Kampf gegen Pädokriminalität in die Pflicht nehmen. 

 

Allerdings sieht der Verordnungsvorschlag ebenfalls vor, dass Richter als letztes Mittel eine sog. „Aufdeckungsanordnung“ erlassen können, wenn bei einem Dienst das erhebliche Risiko der Verbreitung von Missbrauchsmaterial trotz Risikominderungsmaßnahmen der Unternehmen besteht (Art.7 ff). Diese Bestimmung sieht eine maschinelle Aufdeckung und Übersendung an Strafverfolgungsbehörden von bekanntem und unbekanntem Material sowie Annäherungsversuche von Erwachsenen gegenüber Kindern in sexueller Missbrauchsabsicht (sog. „Grooming“) vor. Das würde allerdings zu einer unverhältnismäßigen und bei den allermeisten Nutzern anlasslosen Überwachung der gesamten Kommunikation führen, was in der Debatte oft als „Chatkontrolle“ bezeichnet wird. Das stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre, den Datenschutz und das Recht auf Meinungsfreiheit dar und würde außerdem wichtige Errungenschaften wie die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nachhaltig gefährden.

 

Darum setze ich mich für Änderungen des Verordnungsvorschlags ein, sodass Kinder bestmöglich geschützt und gleichzeitig eine anlasslose Überwachung aller privaten Kommunikation ausgeschlossen und Ende-zu-Ende-Verschlüsselungsprotokolle bewahrt werden. Außerdem muss die Kooperation zwischen Behörden und Hosting- und Kommunikationsdienstanbietern gestärkt werden, wobei unkooperative Unternehmen mit strengeren Maßnahmen zum Einlenken bewegt werden müssen.

 

So hoffe ich, sehr geehrte Frau R., dass ich Ihre Anfrage zufriedenstellend beantworten konnte und verbleibe

 

mit freundlichen Grüßen

 

Ihr

 

Andreas Schwab

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