Soziale Gerechtigkeit Die Linke will eine ausbeutungsfreie Gesellschaft, welche sie demokrat. Sozialismus nennt. Haben sie eine Begriffsdefinition von Ausbeutung und von deren Größen für Deutschl.?

Ates Gürpinar
Ates Gürpinar
DIE LINKE
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Frage von Norbert S. •

Soziale Gerechtigkeit Die Linke will eine ausbeutungsfreie Gesellschaft, welche sie demokrat. Sozialismus nennt. Haben sie eine Begriffsdefinition von Ausbeutung und von deren Größen für Deutschl.?

Es gibt bisher von Seiten der Linken keine Begriffsdefinition von Ausbeutung und auch keine Aufstellung wie viel Ausbeutung es gibt.
Wie will die Linke zur einer ausbeutungsfreien Gesellschaft bzw. politischen Mehrheiten dafür kommen, wenn sie den Menschen nicht erklären kann, was sie davon haben bzw. was es konkret für Deutschland bedeutet?
Wie viel Geld geht den Menschen verloren, welche Arbeits- und Lebenszeit müssen die Menschen dafür aufwenden? Wie hoch ist der Resourcenverbrauch dafür?
Wieso kommt in Wahlprogrammen von Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen die Begriffe Ausbeutung und Umverteilung nicht vor, obwohl dies ja in jedem Dorf, in jeder Stadt, in jeden Landkreis und in jeden Bundesland tagtäglich stattfindet?

Wie ist ihre Einschätzung dazu?
Für mich sind z.B. „leistungslose Einkommen“ Ausbeutung, weil der erzielte Gewinn/Reichtumszuwachs ohne persönliches Risiko bzw. eigene Arbeit entsteht.
Monopolgewinne/Ausbeutung z.B. d. Immobilien- und Bodenspekulation u.v.a.

Ates Gürpinar
Antwort von
DIE LINKE

Grüße Sie,

herzlichen Dank für Ihre doch komplexe Frage, für die ich mir ein paar Zeilen mehr zur Antwort nehme: Sie haben recht. Es gibt unterschiedliche Arten der Ausbeutung, aber grundsätzlich ist Ausbeutung auch in einer reichen Gesellschaft wie der deutschen ein großes Problem: Der Reallohn sinkt weiterhin, trotz Anhebung des Mindestlohns. Mieten steigen eklatant, prekäre Arbeitsverhältnisse sind leider keine Ausnahme und die Altersarmut ist besonders bei Frauen seit Jahren alarmierend hoch.

Aus meinem als besonders reich geltenden Bundesland Bayern ist bekannt, dass circa 20 Prozent der Arbeitnehmer:innen, ungefähr 1,5 Millionen Menschen, unzureichend beschäftigt sind: Es handelt sich um befristete Arbeitsverhältnisse, schlecht bezahlte Leiharbeit oder Midi- und Minijobs.

Damit einher geht Lohnraub mittels unbezahlter Überstunden und angesichts der fortschreitenden Digitalisierung eine immer höhere Überwachung von Arbeitnehmer:innen. Eine ständige Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeiten wird immer häufiger vorausgesetzt. 

Hinzu kommen Lohnlücken innerhalb der Beschäftigten, z.B. die geschlechtsbasierte Lohnlücke. Im bayrischen Freistaat wie auch in Hessen, wo Anfang Oktober Landtagswahlen anstehen, liegt sie bei durchschnittlich 21 Prozent, drei Prozent höher als im deutschen Durchschnitt.  Frauen sind generell benachteiligt, der geschlechterbasierte Unterschied bei Alterseinkünften liegt bundesweit bei Frauen mit Hinterbliebenenrenten bei 29,9 Prozent, bei Frauen ohne bei sogar 42,7 Prozent. In Bayern erhalten mehr als drei Viertel aller Frauen im Rentenalter eine so niedrige Rente, dass sie unter der Armutsgefährdungsschwelle landen.

Nun liegt die Ursache der Ausbeutung in den Arbeitsverhältnissen, in denen wir leben. Die Auswirkungen wie die Forderung, sie anzugehen, stellen wir durchaus in unseren Programmen dar: So habe ich mir die aktuellen Wahlprogramme angeschaut: Jeder einzelne der zuvor genannten Punkte wird in den Programmen der Partei DIE LINKE für die bayrische  und hessische Landtagswahl behandelt. Ich denke, es bedarf nicht zwingend gewisser Begriffe wie ‚Ausbeutung‘ und ‚Umverteilung‘, um die ihnen zugeordneten Probleme in ihrer Vielschichtigkeit darzustellen und gegen sie vorzugehen.

So setzt sich die Partei DIE LINKE das Ziel, unbezahlte Überstunden zu verbieten und gleichzeitig einen armutsfesten Mindestlohn einzuführen, die geschlechterbasierte Lohnlücke zu schließen und die mit der Digitalisierung einhergehenden Überwachungsmethoden und Erreichbarkeitsmöglichkeiten gesetzlich einzuschränken. Des Weiteren fordert DIE LINKE eine Anerkennung von Care Arbeit als öffentliche Aufgabe und somit einen Schutz von primär weiblichen Care-Arbeiter:innen vor dem Prekariat.

Midi- und Minijobs, sowie Leiharbeit und die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen sollen abgeschafft und durch fristlose Arbeitsverträge mit existenzsichernden Einkommen ersetzt werden. 

Menschenwürdiger Wohnraum muss jeder Person zugestanden werden, weshalb insbesondere die unwürdige Unterbringung von Geflüchteten, Wohnungslosen und Saison-/Wanderarbeiter:innen dringend beendet werden muss. Das Problem von unbezahlbarem Wohnraum und der eklatanten Mietsteigerung in den letzten zehn Jahren soll durch einen Privatisierungsstopp von öffentlichem Grund sowie gezielter Rückführung von bereits privatisiertem Gelände in öffentliche Hand gelöst werden. Der Fokus beider Landtagswahlprogramme im Bezug auf das Thema Wohnen liegt in der Förderung kommunaler Wohngesellschaften, Genossenschaften und der Enteignung großer Wohnungsbaukonzerne. 

Auch das von ihnen genannte leistungslose Einkommen gehen wir an: Je nach Definition betrifft das Spekulation und Erbschaft von Grundstücken, durchaus aber auch Mietteinnahmen können damit gemeint sein: Alldas würde im Zuge der zuvor genannten Prozesse automatisch eingeschränkt, um der stetig steigenden Diskrepanz von Arm und Reich entgegenzugehen und eine sozialere Wohnsituation zu ermöglichen.

Genauere Informationen sind in den Landtagswahlprogrammen der Partei DIE LINKE sowohl zum Thema Wohnen (Bayern: S.20 ff., Hessen: S.16 ff.), als auch zum Thema Arbeit (Bayern: S.9 ff., Hessen: S.22 ff.) und zu vielen anderen gesellschaftspolitisch relevanten Aspekten zu finden. 

In der Hoffnung, Ihnen unsere Arbeit schmackhafter gemacht zu haben, verbleibt,

mit herzlichen Grüßen,

Ihr Ates Gürpinar

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