Frage an Axel Schäfer bezüglich Finanzen

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Axel Schäfer
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Frage von Dennis P. •

Frage an Axel Schäfer von Dennis P. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Schäfer,

Der ESM-Vertrag gleicht einer Art "Ermächtigungsgesetz":

Art. 8, Abs. 1 Das genehmigte Stammkapital beträgt 700 Milliarden EUR.
Art. 10, Abs. 1 [...] Der Gouverneursrat kann beschließen, das genehmigte Stammkapital zu verändern und Artikel 8 [...] entsprechend zu ändern.

Das Stammkapital (und damit Deutschlands Anteil) kann nach belieben (!) erhöht werden.

Art. 32 Abs. 3 Der ESM, sein Eigentum, seine Mittelausstattung und seine Vermögenswerte genießen unabhängig davon, wo und in wessen Besitz sie sich befinden, Immunität von gerichtlichen Verfahren jeder Art [...]
Art. 32 Abs. 4 Das Eigentum, die Mittelausstattung und die Vermögenswerte des ESM genießen [...] Immunität von Durchsuchung, Beschlagnahme, Einziehung, Enteignung und jeder sonstigen Form des Zugriffs durch vollziehende, gerichtliche, administrative oder gesetzgeberische Maßnahmen.
Art. 35 Abs. 1 Im Interesse des ESM genießen der Vorsitzende des Gouverneursrats, die Mitglieder des Gouverneursrats, die stellvertretenden Mitglieder des Gouverneursrats, die Mitglieder des Direktoriums, die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums sowie der Geschäftsführende Direktor und die anderen Bediensteten des ESM Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen.

Der ESM und seine Mitarbeiter befinden sich in einem rechtsfreien Raum!!!

Der ESM erhält beliebig viel Geld. Was mit dem Geld geschieht, unterliegt keiner Kontrolle. Gerichtsbarkeit und demokratische Legitimation sind nicht vorhanden. Mit dem ESM-Vertrag wird ein "Ermächtigungsgesetz" installiert. Werden Sie dem ESM-Vertrag am 29. Juni zustimmen? Können Sie den Wählern und Wählerinnen verdeutlichen, warum sie in den Artikeln und dem ESM insgesamt keine Probleme sehen?

Mit freundlichen Grüßen

Dennis Podlech

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Sehr geehrter Herr Podlech,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 25. Juni, auf das ich Ihnen gerne
antworte.
Ihre Interpretation des ESM-Vertragstexts teile ich - im Einklang mit der großen Mehrheit der Fachleute - nicht. Ich möchte Ihnen im folgenden ausführen, weshalb ich dem ESM-Vertrag zugestimmt habe. Am 29. Juni wurde im Bundestag der ESM-Vertrag mit dem begleitenden ESM-Finanzierungsgesetz (Drucksachen Nr. 17/9045) verabschiedet. Letzteres regelt unter anderem, wie eine Erhöhung des Stammkapitals beschlossen werden kann. Demnach darf das deutsche Mitglied im Gouverneursrat nur dann einer Aufstockung zustimmen, wenn es hierfür einen Beschluss im Plenum unseres Parlaments gibt. Die Haushaltssouveränität des Deutschen Bundestags wird also weiterhin gewahrt. Von einer Entmachtung des Parlaments kann nicht die Rede sein. Die Artikel des ESM-Vertrags bezüglich der Immunität schaffen keinen rechtsfreien Raum. Immunität findet nur Geltung, wenn die Verantwortlichen im Sinne des ESM handeln. Dies bedeutet in keiner Weise einen Freifahrtschein für die Beschäftigten, sondern schützt sie lediglich davor, für etwas zu haften, wozu sie beauftragt wurden. Ähnliche Regelungen finden sich in einer Vielzahl internationaler Organisationen.

Der ESM kann harte Auflagen und Bedingungen für die betroffenen Länder vereinbaren, aber auch Wachstum befördern. Aus Sicht der SPD soll der ESM zu einem schlagkräftigen Krisenreaktionsmechanismus ausgebaut werden, um die Währungsunion dauerhaft zu stabilisieren. Eine gemeinschaftliche Lösung in Form eines „Europäischen Währungsfonds“ ist unser Ziel. Nicht alleine die Staats- und Regierungschefs sollen über Hilfsmaßnahmen und Anpassungsprogramme entscheiden. Die Gemeinschaftsinstitutionen, insbesondere das Europäische Parlament, aber auch die nationalen Parlamente sind zu stärken, um die demokratische Legitimation zu sichern.

Mit freundlichen Grüßen

Axel Schäfer

PS: Sie schreiben von einer Art „Ermächtigungsgesetz“ im Hinblick auf den ESM. Das ist nicht akzeptabel und entwertet Ihre Argumente. Ermächtigungsgesetz - das war die Zustimmung aller Parteien im Reichstag - außer der SPD - zur Machtübergabe an Adolf Hitler und der Beginn einer Diktatur durch die NSDAP. Die Einzigartigkeit dieser historischen Untat verbietet, sie in einen Zusammenhang mit irgendeiner Entscheidung des Deutschen Bundestags zu setzen.

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