Frage an Axel Schäfer bezüglich Recht

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Axel Schäfer
SPD
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Frage von Fabian B. •

Frage an Axel Schäfer von Fabian B. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Schäfer,

ich würde gerne wissen wie Sie zum Thema Vorratsdatenspeicherung stehen. Nach Plänen von CDU, CSU und SPD soll ab 2008 nachvollziehbar werden, wer mit wem in den letzten sechs Monaten per Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden oder das Internet genutzt hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS soll auch der jeweilige Standort des Benutzers festgehalten werden. Anonymisierungsdienste sollen verboten werden.

Mit Hilfe der über die gesamte Bevölkerung! gespeicherten Daten können Bewegungsprofile erstellt, geschäftliche Kontakte rekonstruiert und Freundschaftsbeziehungen identifiziert werden. Auch Rückschlüsse auf den Inhalt der Kommunikation, auf persönliche Interessen und die Lebenssituation der Kommunizierenden werden möglich.

Wie lange wird es dauern bis wir singen:"Einigkeit und Recht und Sicherheit...."?

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SPD

Sehr geehrter Herr Bunse,

vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie Ihre Bedenken gegenüber der gesetzgeberischen Umsetzung der europäischen Richtlinie zur „Vorratsdatenspeicherung“ formulieren.

Die SPD-Bundestagsfraktion nimmt ihre Verantwortung für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung und ihre Verpflichtung für Bürgerrechte ernst. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung in Brüssel ihre Vorbehalte gegen die EU-Regelung zur „Vorratsdatenspeicherung“ deutlich gemacht. Wir konnten einen zufrieden stellenden Kompromiss erzielen, dem letztlich auch das Europäische Parlament zustimmte.
Die Initiatoren der „Vorratsdatenspeicherung“ auf EU-Ebene hatten mit den anfänglichen Entwürfen weitergehendes vorgesehen: So sollte die Mindestspeicherfrist zwölf Monate betragen. Durch lange und intensive Verhandlung ist erreicht worden, dass es jetzt nur noch sechs Monate sind. In der Praxis bedeutet das, dass die Unternehmen, die die relevanten Daten heute bereits für erhebliche Zeiträume zu geschäftlichen Zwecken aufbewahren, keine wesentlich längeren Speicherungen vornehmen müssen als bisher.
Ursprünglich sollten auch sog. „erfolglose Anrufversuche“ gespeichert werden. Damit konnten wir nicht einverstanden sein, denn die Speicherung dieser Daten wäre für die Telekommunikationsunternehmen sehr teuer geworden. Zudem gibt es keinen Bedarf für die Speicherung einer solchen Flut von Daten. Auch dieses Thema ist vom Tisch: „erfolglose Anrufversuche“ müssen grundsätzlich nicht gespeichert werden.
Ebenfalls sollten Standortdaten am Ende von Mobilfunkverbindungen gespeichert werden. Der Vorschlag wurde gekippt und somit verhindert, dass durch das Anlegen von engmaschigen Bewegungsprofilen in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger eingegriffen wird.
Beim Internet wird schließlich lediglich gespeichert, dass sich der Nutzer online befindet. Es werden ebenfalls Daten zur Internettelefonie und bezüglich der E-Mail-Dienste gespeichert. Inhalte, wie immer behauptet wird, also auch Informationen, welche Websites benutzt werden, werden auch hier nicht gespeichert. Denn Daten, die Aufschluss über den Inhalt einer Kommunikation (z.B. E-Mail oder Telefongespräch oder Seiten, die ein Nutzer aufgerufen hat) geben, dürfen nach der Richtlinie nicht gespeichert werden.

Die Richtlinie enthält Vorgaben für Regelungen zum Datenschutz und zur Datensicherheit, die mit Sanktionen bewehrt werden müssen. Die Sanktionen sollen insbesondere einen unbefugten Zugriff oder Umgang mit den Daten verhindern und die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen sichern. Der deutschen Regierung ist es auf europäischer Ebene gelungen, die „Vorratsdatenspeicherung“ auf das zu reduzieren, was zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität tatsächlich erforderlich und angemessen ist. Wie schon auf europäischer Ebene werden wir auch auf nationaler Ebene bei der Umsetzung der Richtlinie den sachgerechten Interessenausgleich zwischen den Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger und dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung im Blick behalten und für eine Speicherung mit Augenmaß sorgen.

Grundsätzlich ist die bis Herbst 2007 umzusetzende Richtlinie von der EU vorgegeben und die Mitgliedstaaten sind zur Einführung von Speicherungspflichten für bestimmte Telefon- und Internetdaten verpflichtet. Dies soll lediglich zu Zwecken der Terror- und Verbrechensbekämpfung erfolgen. Vorgegeben sind eine Mindestspeicherungsdauer von sechs und eine Höchstspeicherungsdauer von 24 Monaten. Mit der geplanten Vorratsdatenspeicherung von 6 Monaten liegt Deutschland damit am unteren Rand der Vorgabe aus der Europäischen Union. Schon heute können Kommunikationsunternehmen Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken bis zu drei Monate speichern. Künftig sollen diese Verbindungsdaten von Telefon und Email sechs Monate gespeichert werden. Es werden in keinem Fall Inhalte der Gespräche bzw. Schreiben gespeichert. Die Verbindungsdaten sollen unzugänglich auf einer Festplatte des Kommunikations-unternehmens bzw. des Internet-Providers gespeichert werden. Sie dürfen dann lediglich bei Straftaten von erheblicher Bedeutung und bei begründetem Verdacht auf terroristische Pläne angesehen und an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden. Dies soll auch nur durch einen richterlichen Beschluss angefordert werden können. Die Polizei wird auf die Daten nicht eigenmächtig zugreifen können.
Zum Schutz von Berufsgeheimnisträgern sind Einschränkungen bei dieser Regelung geplant. Ein Seelsorger soll beispielsweise ein Zeugnisverweigerungsrecht zugesprochen bekommen, sofern sich die Kontaktperson ihm in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut hat. Hierüber würde dann wiederum nur ein Richter und nicht die Polizei bzw. Dritte entscheiden können.

Nachdem nun vor der Sommerpause das Thema Vorratsdatenspeicherung im Rechtsausschuss ausführlich diskutiert wurde, ist man übereingekommen, eine öffentliche Anhörung mit Sachverständigen einzuberufen. Diese Anhörung findet am 21. September im Rechtsausschuss statt. Grundlage hierfür ist der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzesentwurf „zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG.“ Sie können sowohl den Gesetzesentwurf als auch die Stellungnahmen von drei Sachverständigen auf der Homepage www.bundestag.de unter dem Punkt Ausschüsse / Recht / Öffentliche Anhörungen einsehen.

Die Diskussion über die Innere Sicherheit befindet sich immer auf einem schmalen Grat zwischen Freiheit und Sicherheit. Es ist kein Geheimnis, dass die CDU ihre Akzentuierung stärker auf der Seite der Sicherheit und die SPD eher auf der Seite der Freiheit setzt. In einer großen Koalition müssen viele Kompromisse geschlossen werden, die nicht immer der Parteimeinung und oft auch nicht der eigenen Meinung entsprechen. Im Vergleich zu den USA, aber auch zu anderen europäischen Ländern, wie beispielsweise Großbritannien und Dänemark, sind die Eingriffsrechte in die Privatsphäre des einzelnen Bürger begrenzt. Allerdings darf es nicht passieren, dass die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit Schritt für Schritt zu Ungunsten der Freiheit gefährdet wird.
Wie schon auf europäischer Ebene werden wir auch auf nationaler Ebene bei der Umsetzung der Richtlinie den sachgerechten Interessenausgleich zwischen den Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger und dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung im Blick behalten und für eine Speicherung mit Augenmaß sorgen.

Mit freundlichen Grüßen

Axel Schäfer

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