Frage an Axel Schäfer bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Axel Schäfer
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Frage von Manfred S. •

Frage an Axel Schäfer von Manfred S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Die Firma Nokia beabsichtigt das Werk Bochum zu schließen. Was können Sie bzw. die Bundesregierung tun um den Beschäftigten zu helfen. Kann in irgendeiner Weise Druck auf Nokia ausgeübt werden den Beschluss rückgängig zu machen?

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Sehr geehrter Herr Schäfer,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 18. Januar 2008, in der Sie auf die drohende Schließung des Nokiawerks in Bochum eingehen.

Als örtlicher Bundestagsabgeordneter setze ich mich natürlich besonders für die Beschäftigten in Bochum ein. Ich habe in dieser Zeit jedoch auch große Unterstützung von meinen Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Bundestagsfraktion erhalten. Zusätzlich habe ich in Telefonaten innerhalb der Republik und der EU bei vielen Kollegen in der Partei und den Gewerkschaften für Solidarität zum Kampf für die Erhaltung der Arbeitsplätze bei Nokia geworben.

Seit Jahren bin ich zufriedener Nutzer von Nokia-Mobiltelefonen – auch um mich mit dem in Bochum gelegenen Standort des Unternehmens solidarisch zu zeigen. Nach der Ankündigung der Schließung des Nokia-Standorts empfinde ich allerdings Wut. Die abrupte Standortverlagerung aufgrund einer höheren Gewinnerwartung ist ein Schlag ins Gesicht aller Beschäftigten. Das Bochumer Werk ist profitabel, dazu haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Verzicht ihren persönlichen Anteil geleistet. In den letzten Monaten wurden viele Überstunden und Sonderschichten gefahren. Die Vorgehensweise der Konzernleitung ist deshalb überhaupt nicht zu rechtfertigen. Die Unternehmensführung kann sich der Verantwortung für rund 2.300 Angestellte und ihre Familien sowie ca. 2000 weitere Arbeitsplätze im Umfeld meiner Ansicht nach nicht einfach entziehen. Ich halte diese Standortentscheidung für höchst unverantwortlich. Arbeitsplätze ohne ersichtlichen Grund auszulöschen, obwohl Nokia erhebliche Bundes- und Landesmittel als Subvention erhalten hat und nach wie vor Gewinne einstreicht, ist eine Verhöhnung unseres Gemeinwesens und der Arbeit von vielen Beschäftigten, die dem Nokia-Konzern bisher zum Erfolg verholfen haben. Das soziale Risiko der Arbeitnehmer scheint den Verantwortlichen im Nokia-Konzern egal zu sein. Eine so unmoralische und gierige Unternehmensführung, die die internationale Hungerlohnkonkurrenz, nationale und EU-Subventionen ausbeutet, um den Eignern und Managern unverschämte Gewinne zuschustern zu können, ist mir zutiefst zuwider.

Als ich von der Nachricht einer drohenden Standortschließung zu Beginn der vergangenen Woche erfuhr, habe ich sofort meine Sitzungen in Berlin unterbrochen und bin nach Bochum gefahren, um Gespräche mit Verantwortlichen der Stadtverwaltung, den Betriebsräten und Betriebsratsvorsitzenden, Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern und Beschäftigten zu führen. Ich habe mit Kollegen und Verantwortlichen in Finnland, Rumänien und Brüssel gesprochen, um eine Lösung zu finden, wie das Vorhaben der Konzernspitze möglicherweise aufgehalten werden kann. Wir stehen momentan alle im engen Dialog und versuchen unser bestes, die drohende Standortschließung zu verhindern.

Zudem setze ich mich momentan vehement dafür ein, dass eine Rückforderung von Bundesmitteln an das Unternehmen Nokia und ein möglicher Verstoß der Nokia-Konzernspitze gegen die Richtlinie über Europäische Betriebsräte geprüft werden. Das Vorgehen der Unternehmensleitung widerspricht allem, wofür Europäische Betriebsräte ins Leben gerufen worden sind, nämlich die Arbeitnehmer an unterschiedlichen Standorten in mehreren Ländern gleichzeitig zu informieren, damit sie nicht gegeneinander ausgespielt oder vor vollendete Tatsachen gestellt werden.

Dem Versuch des Nokia-Vorstandes, Fakten zu schaffen ohne Beschlüsse des Aufsichtsrates abzuwarten, müssen wir entschieden entgegengetreten. Laut § 33 des Gesetzes über Europäische Betriebsräte muss die Konzernleitung den Betriebsrat „über außergewöhnliche Umstände, die erhebliche Auswirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmer haben“, rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen unterrichten und auf Wunsch auch anhören. Ausdrücklich werden hier die ‚Verlegung von Unternehmen’, die ‚Stilllegung von Betrieben’ und ‚Massenentlassungen’ als solche ‚außergewöhnlichen Umstände’ genannt. „Rechtzeitig“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die fraglichen Entscheidungen von der Konzernleitung noch nicht getroffen sein dürfen und eine Berücksichtigung der Vorstellungen des Europäischen Betriebsrats noch möglich sein muss. Ich habe als Mitglied des Europäischen Parlaments 1994 an der Entscheidung über die Europäische Betriebsräte-Richtlinie mitgewirkt, für die wir 24 Jahre lang als Politiker und Gewerkschafter gekämpft haben. Es ist völlig unbestritten, dass die Nokia-Politik mit den Intentionen europäischer Arbeitnehmerbeteiligung nichts zu tun hat. Wir müssen jetzt sowohl dem Recht Geltung verschaffen, als auch bei der diskutierten Reform der Europäischen-Betriebsratsrichtlinie dafür sorgen, dass die Interessenvertretung der Beschäftigten in multinationalen Konzernen EU-weit gestärkt werden.Dafür werde ich mich auch in meiner Funktion europapolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion nachdrücklich einsetzen.

Angeblich ist die Erwartung eines noch höheren Gewinns aufgrund des niedrigen Lohnniveaus in Ungarn und Rumänien der wichtigste Grund für die Verlegung. Die Lohnkosten in Bochum liegen jedoch bei lediglich 4%! Hinzu kommt noch, dass Vereinbarungen zur Arbeitsplatzsicherung, welche mit der Vergabe von Fördergeldern verbunden waren, erst im September 2006 ausgelaufen sind. Insgesamt hat Nokia für Bochum ca. 88 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln bekommen. Für mich ist klar, dass finanzielle Zuwendungen wie in anderen Ländern bei Schließungen und gleichzeitiger Neuöffnung im Ausland zurückgezahlt werden müssen. Auch darf eine Verlagerung innerhalb der EU nicht bezuschusst werden. Ich versuche daher auch zu klären, ob für die Umsiedlung von Nokia nach Ungarn und Rumänien unrechtmäßig europäische Fördermittel geflossen sind. Informationen über einige meiner Aktivitäten der letzten Tage im Zusammenhang mit Nokia finden Sie auch auf meiner Homepage im Internet:
www.axelschaefermdb.de.

Mit freundlichen Grüßen

Axel Schäfer

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