Frage an Axel Schäfer bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Axel Schäfer
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Frage von Claudio G. •

Frage an Axel Schäfer von Claudio G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schäfer,

Ich hätte einige Fragen an Sie.

1. Zur EU. In Irland soll ja voraussichtlich eine weitere Volksabstimmung über den Vertrag von Lissabon durchgeführt werden. Da interessiert mich als 16-jähriger, dem die Demokratie von klein an beigbracht wurde, ob nun über jede Frage, wo in einer Volksabstimmung gegen einen Vertrag, ein Gesetz oder Sonstiges gestimmt wird, solange abgestimmt wird, bis das erwünschte Ergebnis erzielt wird?

2. Warum finden in Deutschland so gut wie keine Volksabstimmungen statt? Es wurde weder eine zum EU-Vertrag noch zur Einführung des Euros, was in einingen Ländern ja der Fall war u.A. Schweden, durchgeführt.

3. Eine Frage zum EU-Vertrag selber. Es gibt einen Artikel zur "Beistandspflicht". Darin heißt es, dass wenn es zu Aufständen und Ähnlichem in der Bevölkerung kommt, die anderen EU-Staaten dem betreffendem Land Soldaten zur Stabiliesierung schicken müssen. Heißt dies nun ganz Konkret : " Wenn es mal in Deutschland zu Aufständen kommt, könnte es passieren, dass wir zum Beispiel rumänische Soldaten bei uns auf den Straßen rumlaufen haben?

Mit freundliche Grüßen,

Claudio Gentile

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Sehr geehrter Herr Gentile,

vielen Dank für Ihre Mail.

Zu Frage 1: In Irland soll es eine zweite Volksabstimmung geben, nachdem in den anderen 26 Ländern der Lissabon-Vertrag erfolgreich ratifiziert worden ist. Hier gibt es einen Konflikt zwischen zwei Legitimitäten:
- einerseits das Votum aller 27 nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments für den Lissabon-Vertrag,
- andererseits das Votum einer Bevölkerung gegen den Vertrag.

Da in der Europäischen Union bei grundlegenden Fragen (Vertragsänderung, Beitritte, Finanzordnung) Einstimmigkeit besteht, heißt das in der Praxis: entweder jedes einzelne Land kann alles blockieren – was zu einer politischen Handlungsunfähigkeit der EU führen würde –, oder man findet Kompromisse. Irland z.B. wurden jetzt Zugeständnisse gemacht (Kommissar, keine NATO-Mitgliedschaft, keine europäischen Steuern, kein EU-Abtreibungsrecht), die eine zweite Abstimmung rechtfertigen.

Zu Frage 2: In Deutschland finden Volksabstimmungen nur bei einer Neugliederung der Länder statt (Artikel 29 Grundgesetz). Alle bisherigen Initiativen von SPD und Grünen, darüber hinaus Volksabstimmungen in unserer Verfassung zu verankern, sind seit 1998 immer an der CDU gescheitert. Ich selbst habe im Jahre 2004 den Vorschlag gemacht, im Grundgesetz bei EU-Vertragsänderungen auch Volksabstimmungen vorzusehen. SPD und Grüne haben dies unterstützt, die FDP und CSU waren in dieser Frage gespalten, die CDU leider einmütig dagegen.

Zu Frage 3: Beistandspflicht: Alle von ihnen angesprochenen Maßnahmen sind nur mit Zustimmung des betroffenen Landes möglich. Bei dem hypothetischen Fall, dass z.B. Rechtsextremisten mit Gewalt versuchen würden, unsere verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen und auch deutsche Polizeikräfte dies nicht verhindern könnten, ist denkbar, dass Sicherheitskräfte anderer EU-Staaten zu Hilfe gerufen würden. Das – wie gesagt – ist weit von der Realität entfernt.

Darüber hinaus bin ich an einem persönlichen Gespräch sehr interessiert.

Mit freundlichen Grüßen

Axel Schäfer

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