Frage an Bettina Hoffmann bezüglich Gesundheit

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Bettina Hoffmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Klaus S. •

Frage an Bettina Hoffmann von Klaus S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Hoffmann,
immer mehr Ärzte und Patienten klagen über die Zunahme von Elektrohypersensibilität. So bezeichnen sich z.B. rund 11 % der Schweizer als elektrosensibel. (siehe ETH Zürich, Research Collection, Seite 22: https://www.research-collection.ethz.ch/bitstream/handle/20.500.11850/478738/w5_report.pdf?sequence=2&isAllowed=y
In Örtlichkeiten ohne oder mit reduzierten elektromagnetischen Feldern, lassen die Beschwerden deutlich nach. Sind Sie für Einrichtungen „Weißer Zonen“ in Krankenhäusern wie z.B. in Schweden und funkarmer Wohnmöglichkeiten in jeder Gemeinde? (siehe zu Schweden: planet-e.zdf, „Krankmacher Handy?“, ab 17:26 min.
https://www.youtube.com/watch?v=7G-xcLLhV6s )
Wie sehen die von Ihnen geplanten Schritte aus?
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Schuhmacher für den Vorstand des Weiße Zone Rhön e.V.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schuhmacher,

herzlichen Dank für Ihre Frage zum Thema Mobilfunkstrahlung. Dieses Thema bedarf auch aus unserer Sicht einer genauen Beachtung, weil hier zwei Aspekte eine wichtige Rolle spielen: Der Ausbau von Infrastruktur für Zukunftstechnologien auf der einen Seite und der Schutz der Gesundheit und der Umwelt auf der anderen Seite. Die Grüne Bundestagsfraktion sieht sich in der Verantwortung, die Potentiale neuer Technologien genauso in den Blick zu nehmen, wie mögliche Gesundheitsgefahren.

Eine gesundheitliche Unbedenklichkeit vorausgesetzt, können digitale Technologien unsere Lebensqualität beispielsweise durch Verkehrsvermeidung und ressourcenschonende Geschäftsprozesse steigern. In der digitalen Welt von heute entscheidet der Zugang zum Breitbandinternet über die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben.

Der Fokus der Grünen Breitband-Strategie liegt auf dem Ausbau eines intelligent ausgebauten Glasfasernetzes. Eine gut ausgebaute terrestrische Glasfaserinfrastruktur kann den Bau vieler Mobilfunkmasten vermeiden und so die Strahlungsbelastung insgesamt reduzieren. So können etwa Mobilfunkmasten mit Glasfaser versorgt werden, statt zwischen den Masten Richtfunkstrecken im Mikrowellenbereich aufzubauen. In Bezug auf den Breitband-Ausbau im Mobilfunk-Bereich sind wir der Ansicht, dass zunächst für einen flächendeckenden Ausbau des LTE-Netzes gesorgt werden muss, bevor einem 5G-Ausbau Priorität eingeräumt wird. Ein flächendeckender Ausbau der LTE-Technologie hilft dabei, die lokale Strahlenbelastung durch eigene Mobiltelefone zu senken. Denn schwach ausgebaute Gebiete treiben durch die dauernde Netzsuche von Mobiltelefonen deren notwendige Sendeleistung in die Höhe.

Beim Ausbau des 5G-Netzes muss im Sinne des Vorsorgeprinzips ein hohes Schutzniveau für Umwelt und Gesundheit bei elektromagnetischen Feldern gewährleistet sein. Alle wissenschaftlichen Quellen, die hohen wissenschaftlichen Standards entsprechen, sollen zur Grundlage weiterer Entscheidungen bezüglich des 5G-Ausbaus gemacht werden. Dies schließt gegebenenfalls eine vorsorgeorientierte Anpassung der Grenzwerte und der Ausbauplanung ein.

In der Kleinen Anfrage "Auswirkungen von hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung auf die menschliche Gesundheit und Umwelt" (Bundestags-Drucksache 19/18445) haben wir die Bundesregierung im März 2020 zu den Auswirkungen von hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung auf die menschliche Gesundheit und Umwelt befragt. Die Antwort der Bundesregierung zeigt, dass zu vielen postulierten Wirkmechanismen eine umfangreiche Studienlage vorhanden ist. Mögliche Wirkungen wie DNA-Schäden, Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit oder Störung des Immunsystems konnten in bisher durchgeführten Studien nicht nachgewiesen werden.

Allerdings zeigt die Bundesregierung in ihrer Antwort auch, dass es Bereiche gibt, in denen die Studienlage lückenhaft ist und Fragen aufwirft. Die Ausführungen der Bundesregierung zeigen, dass bei der Regulierung von EMF die Möglichkeit in Betracht gezogen werden muss, dass es über eine thermische Wirkung hinaus andere Wirkmechanismen von EMF auf die menschliche Gesundheit geben kann. Für einige Bereiche, in denen ein Wirkmechanismus von elektromagnetischer Strahlung auf die Gesundheit oder Umwelt postuliert wurde, ist die Studienlage nach wie vor dünn. Dies betrifft etwa die Bereiche oxidativer Stress, Hirnströme oder Auswirkungen auf Insekten. Es ist gut, dass die Bundesregierung in vielen dieser Bereiche bereits Forschungsaufträge vergeben hat oder dies plant. Allerdings sollten über Literaturstudien hinaus auch methodisch einwandfreie naturwissenschaftliche Wirkstudien in Auftrag geben werden, sofern solche bisher nicht existieren und von keiner anderen Institution beauftragt wurden.

Für die Nutzung der 5G Technologie sind verschiedene Frequenzbereiche vorgesehen. Zunächst soll die 5G-Technologie Frequenzbereiche von 2 GHz und 3,6 GHz nutzen. Diese Frequenzbereiche werden und wurden bisher auch bei den Mobilfunkstandards 2G bis 4G eingesetzt. Hier wurden die gesundheitlichen Auswirkungen bereits jahrelang erforscht.

Daneben werden bei 5G künftig zusätzlich bisher nicht genutzte Frequenzbereiche ab 26 GHz zur Anwendung kommen. Die Bundesregierung gibt an, dass in diesem Forschungsbereich die Datenlage „sehr gering“ ist. Zwar hat die Bundesregierung eine Studie dazu in Auftrag gegeben, allerdings ist ein Abschluss im September 2022 reichlich spät. Dies auch vor dem Hintergrund, dass 26 GHz-Anwendungen teilweise jetzt schon im Rahmen von 5G-Pilotprojekten erprobt werden. Dies widerspricht dem Vorsorgeprinzip. Bei der Nutzung von Frequenzbereichen ab 26 GHz ist es dringend notwendig, die offenen Fragen der bisherigen Forschung lückenlos zu beantworten.

Grenzwerte zum Schutz vor elektromagnetischer Strahlung sind laut Bundesregierung so festzulegen, dass sie vor „allen wissenschaftlich nachgewiesenen gesundheitlichen Wirklungen“ schützen. Hier legt die Bundesregierung ein sehr enges Verständnis von Vorsorge an den Tag. Wir sprechen uns dafür aus, über nachgewiesene gesundheitliche Wirkungen hinaus, auch fundierte Hinweise aus methodisch einwandfreien Studien in den Prozess zur Festlegung von Grenzwerten einbezogen werden. Generell plädieren wir dafür, Grenzwerte für nicht ionisierende Strahlung auf das niedrigste technisch machbare Niveau abzusenken und insbesondere einen Ausbau des Mobilfunknetzes so zu gestalten, dass Schäden an Umwelt und Gesundheit nach dem vorliegenden Wissensstand ausgeschlossen werden können. Gerade sensible Personengruppen wie Schwangere und Kinder müssen bei den Folgen des Mobilfunkausbaus besonders berücksichtigt werden.

Vor diesem Hintergrund fordern wir Grüne im Bundestag
• den Ausbau eines umwelt- und gesundheitsverträglichen schnellen Mobilfunkinternets, wobei alle rechtlichen Möglichkeiten zur Reduzierung der Mastendichte genutzt werden sollten, etwa auch Vorgaben zum Lokalen oder Nationalen Roaming beim 5G-Ausbau;
• dass die Bundesregierung über Literaturstudien hinaus für alle Bereiche mit lückenhafter oder widersprüchlicher Studienlage selbst methodisch einwandfreie naturwissenschaftliche Wirkstudien in Auftrag gibt, sofern solche Studien bisher nicht existieren und von keiner anderen Institution beauftragt wurden;
• dass laufende 5G-Modellvorhaben wissenschaftlich begleitet werden;
• dass bis zum Vorliegen von Studienergebnissen zur Wirkung von elektromagnetischer Strahlung bei 26 GHz die Verwendung dieser Technologie in diesen Frequenzbereichen nur als Modellprojekt und unter strenger wissenschaftlicher Begleitung stattfindet;
• dass die Bundesregierung den Wissenstand zu Wirkungen von elektromagnetischer Strahlung klar kommuniziert, um Unsicherheiten und Missverständnissen beim Thema Mobilfunk in der Bevölkerung entgegenzuwirken;
• dass die Bundesregierung sich für eine Überarbeitung der Empfehlung des Rates der Europäischen Union zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (1999/519/EG) einsetzt, die den aktuellen Wissensstand aufgreift und unter konsequenter Anwendung des Vorsorgeprinzips in allen Mitgliedstaaten ein hohes, harmonisiertes Schutzniveau festlegt;
• vorsorgeorientierte und kindergerechte Grenzwerte, insbesondere für Orte mit empfindlicher Nutzung, wie zum Beispiel Schul- und Krankenzimmer, sowohl für den Niederfrequenz- als auch für den Hochfrequenzbereich festzulegen;
• das in der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung bereits für den niederfrequenten Bereich verankerte Minimierungsgebot unter Anwendung des Standes der Technik auf den gesamten Bereich der nichtionisierenden Strahlung auszudehnen und regelmäßig eine Evaluierung vorzunehmen;
• dass auch im Rahmen eines zukünftigen Mobilfunk-Gesamtkonzepts die Entscheidung, ob eine Schule oder ein Krankenhaus mit einem Funkmast ausgestattet wird, weiterhin beim jeweiligen Schul- oder Krankenhausträger liegt.

Weitergehende Informationen zum Thema Breitbandausbau und 5G erhalten Sie hier:
Antrag „Mobilfunk als Daseinsvorsorge“ (Bundestags-Drucksache 19/16518): https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/165/1916518.pdf

Antrag "Breitband für alle – Digitale Infrastruktur flächendeckend ausbauen" (Bundestags-Drucksache 19/5306): http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/053/1905306.pdf

Kleine Anfrage "Auswirkungen von hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung auf die menschliche Gesundheit und Umwelt" (Bundestags-Drucksache 19/18445): https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/184/1918445.pdf

Mit freundlichen Grüßen

Bettina Hoffmann

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