Frage an Britta Haßelmann bezüglich Finanzen

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Britta Haßelmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Helmut S. •

Frage an Britta Haßelmann von Helmut S. bezüglich Finanzen

Sehr verehrte Frau Haßelmann,

Das Patt nach der Wahl in NRW ist in meinen Augen nur das Menetekel an der Wand für die unentschiedene finanzielle Zukunft Europas:
http://www.welt.de/wirtschaft/article7560184/Hilfspaket-verschafft-eine-Atempause-mehr-nicht.html
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,693986,00.html

Ich meine, in dieser Situation müssen viele Euro-Länder erkennen, daß sie in der Vergangenheit kräftig über ihre Verhältnisse gelebt haben, das 60%-Gesamtverschuldungskriterium (Maastricht) ignoriert haben. Dies ist einer der wesentlichen Ansatzpunkte für das Mißtrauen von Anlegern, einer der Punkte, an denen ´Spekulanten´ den Hebel ansetzen können.

In meinen Augen ist es auch in Deutschland höchste Zeit mit echtem Sparen zu beginnen, die öffentliche Gesamtverschuldung von jetzt ~ 75% des BIP in Richtung 60% zu reduzieren. Ein Wirtschaftswachstum auf Pump ist doch nichts anderes als der Versuch, sich wie Baron Münchhausen an den eigenen Haaren aus dem Sumpf herauszuziehen. Meinen Sie nicht, diese Hoffnung ist unberechtigt?

Haben Sie sich in der letzten Zeit schon Gedanken gemacht, wie die Deutschen Staatsfinanzen konkret konsolidiert werden können? Genauer: Wo kann denn nun gespart werden und wo können neue Staatseinnahmen hergeholt werden?

Böte diese Lage nicht die Chance den Einkommensteuertarif aufzuklaren? (Waigelbauch, Soli, Reichensteuer, existenzsichernder Freibetrag für Erwachsene und Kinder, etwas höherer Spitzensteuersatz)

Und was ist mit der vielfach unsystematischen Umsatzsteuer, bis hin zum Hotel-Rabatt? Sollte nicht auch hier gänzlich neu gedacht werden?

Was denken Sie über eine Börsenumsatzsteuer? Wäre das nicht ein wirksames Instrument um reine, also nicht mit Realwirtschaftstätigkeit unterlegte, Spekulationen einzugrenzen?

Würden Sie einer Streichung der Steuerbefreiung für Flugbenzin und anderer ´Subventionen´ zustimmen?

Mit freundlichem Gruß
Helmut Schibath

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schibath,

entschuldigen Sie bitte die späte Reaktion auf Ihre Frage vom 10. Mai 2010. Im Folgenden möchte ich Ihnen gern darlegen, warum sich die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen bei der Abstimmung über den "Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP über den Entwurf eines
Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus" - kurz: den sog. Euro-Rettungsschirm - enthalten hat.

Der Stabilisierungsfonds ist nur ein erster Schritt auf dem langen Weg zu einer Lösung. Die Frage, wer letztlich für die Kosten der Krise zahlen soll, wurde nach wie vor nicht beantwortet. Nur einen Krisenfonds einzurichten reicht daher als Antwort nicht aus, damit Vertrauen zurückkehrt. Der Euro-Rettungsschirm hat die Märkte kurzfristig beruhigt. Die Vertrauenskrise kann nur durch eine neue Finanzmarktordnung, die Schuldenkrise nur durch einen Abbau von Schulden und eine koordinierte Steuer- und Wirtschaftspolitik gelöst werden. Gleichzeitig dürfen wir Europa jetzt nicht kaputt sparen. Wir müssen weiterhin in unsere Zukunftsfähigkeit investieren. Sparen und investieren lautet die Herausforderung. Die Europäische Union muss jetzt entschlossen und unverzüglich dafür sorgen, dass
1. der Finanzsektor und die Vermögenden an den Lasten der Krisenbewältigung und dem Abbau der Staatsverschuldung beteiligt werden.
2. Spekulationen, die Währungen und Volkswirtschaften destabilisieren, eingedämmt werden,
3. Finanzmärkte wieder stärker reguliert werden,
4. die Mitgliedsländer mit einer nachhaltigen und sozial ausgewogenen Konsolidierungsstrategie ihre Verschuldung auf ein tragfähiges Maß zurückfahren,
5. im Sinne des Green New Deal in Klimaschutz, Bildung und soziale Gerechtigkeit investiert wird und
6. hoch verschuldeten Staaten ein Ausweg aus der Schuldenfalle ermöglicht wird. Die Möglichkeit einer geordneten staatlichen Insolvenz muss geschaffen werden.

Wir haben am 21. Mai 2010 einen Entschließungsantrag in das Parlament eingebracht, in dem wir unsere Vorschläge machen, wie Spekulationen eingedämmt, die wirtschaftspolitische Koordinierung gestärkt und die Kosten der Krise gerecht verteilt werden können.

Hier finden Sie eine ausführliche Begründung unser Forderungen sowie unsere Kritik am Umgang mit dem Parlament seitens der schwarz-gelben Koalition:
http://www.gruene-bundestag.de/cms/finanzen/dokbin/341/341085.ea_zum_eurorettungsschirm.pdf

Mit freundlichen Grüßen

Britta Haßelmann

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