Frage an Christian Schmidt bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Christian Schmidt
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Frage an Christian Schmidt von Andreas K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Christian Schmidt

Zitat: "Ein einheitlicher, flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn könnte hunderttausende Arbeitsplätze kosten, besonders viele davon in Ostdeutschland und im ländlichen Raum. Insbesondere Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose, die es ohnehin schwer haben, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren oder den Einstieg zu finden, wären davon betroffen."

Können Sie mir die Quellen Ihrer Annahmen benennen? Meiner Informationen nach ist Deutschland das einzigste Land der EU, welches keine flächendeckenden Mindestlöhne hat. Und in allen anderen Ländern sind nur wenige Arbeitsplätze vernichtet worden. Es gibt ausreichend Arbeit, die nicht ins Ausland verlagert werden kann.
Mein Sohn ist im November 2010 nach Österreich gezogen und bekommt als Jungkoch Kollektivvertraglich 1300 Euro brutto. Ich lebe seit 2003 in Österreich und bekomme kollektivvertraglich als Elektriker 2300 Euro brutto. Wie wollen Sie verhindern, daß Deutschland mit Dumpinglöhne, 1 Euro Jobs und HartzIV seine hochqualifizierten Arbeitskräfte vertreibt? Wie wollen Sie erreichen, daß Hochqualifizierte nach Deutschland (zurück)kommen, wenn Sie nicht durch Mindestlöhne Lohndumping verhindern wollen.
Arbeit soll sich wieder lohnen, jeder soll durch seiner Hände Arbeit satt werden. Im Moment muß der Staat auf Grund fehlender Mindestlöhne Dumpinglöhne "aufstocken". Von Steuerausfällen durch Dumpinglöhne redet niemand, Hauptsache die Arbeitslosenstatistik kann "erfolgreich" präsentiert werden. Ich bezeichne es als frisieren, da 1 Euro-Jobber, Aufstocker, Schulungsteilnehmer, Dumpinglöhner aus den Statistiken verschwinden, obwohl sie vom Amt Unterstützung benötigen.

MfG Andreas Kapitzke
( der mit 35 Jahren in DE zu alt für Arbeit war)

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Sehr geehrter Herr Kapitzke,

Ihre Zuschrift habe ich erhalten. Ich kann Ihren Darlegungen nicht folgen.

Wir sind nicht untätig, sondern beobachten das Geschehen auf dem Arbeitsmarkt genau. Seit der letzten Bundestagswahl wurden neue Mindestlohn-Tarifverträge in verschiedenen Branchen für allgemeinverbindlich erklärt und erstmalig eine Mindestlohn-Verordnung für den Pflegebereich erlassen. Ob auch die Zeitarbeit in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen wird, wird derzeit diskutiert.

Diese Bestrebungen zielen auf arbeitsintensive Branchen, bei denen auch seitens des Arbeitskräfteangebots (insbesondere nach der zum 1. Mai 2011 anstehenden Öffnung des Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer aus dem mitteleuropäischen EU-Ländern) Druck auf die Löhne erwartet wird. Vom 1. Mai kommenden Jahres an wird sich der deutsche Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer aus Mittel- und Osteuropa öffnen. Dann können polnische, lettische und litauische Tarifverträge in Deutschland Gültigkeit erlangen. Normalerweise sind die Unternehmen der Arbeitnehmer, die aus dem Ausland nach Deutschland entsandt wurden, nicht an die Tarifverträge gebunden. Um ein Unterlaufen deutscher Tariflöhne durch ausländische Tarifverträge zu verhindern, halten wir eine Lohnuntergrenze als „Auffangregelung nach unten“ für grundsätzlich geeignet. Es muss dabei aber auf branchenspezifische Bedingungen und Erfordernisse der Zeitarbeit Rücksicht genommen werden. Die Einbeziehung des Sachverstands der Tarifpartner in der Zeitarbeit ist unerlässlich.

Wer die Tarifautonomie auf die politische Ebene umstellen will, gefährdet die Tarifautonomie. Wenn der Staat die Tarifautonomie ersetzen würde, hätten wir Lösungen, die nicht den Verhältnissen in den Branchen und Regionen entsprechen. Ist der Mindestlohn aber zu niedrig, ist sein Nutzen zur Armuts- und Ausbeutungsabwehr gering. Ein zu hoher Mindestlohn wiederum zwingt Unternehmen dazu, mehr für Arbeit zu bezahlen als die Arbeit einbringt. All dies wirkt negativ auf den für Wachstum und Beschäftigung so wichtigen Konsum und gefährdet Beschäftigung. Besonders Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose, die es ohnehin schwer haben auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren oder den Einstieg zu finden, wären davon betroffen: In Frankreich hat die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns wesentlich zum Anstieg der Arbeitslosigkeit geringqualifizierter Jugendlicher beigetragen.

Die Tarifautonomie ist ein hohes Gut. In keinem Land der Welt ist so eine partnerschaftliche Sozialkultur entstanden wie in unserem Land. Das ist der Lohn einer hohen Verantwortung auf beiden Seiten der Tarifpartner. Es soll Aufgabe der Tarifvertragsparteien bleiben, dafür zu sorgen, dass Niedrigstlöhne in Ordnung gebracht werden.

Im Übrigen wundert mich etwas, dass Sie als Elektriker (ich gehe davon aus mit abgeschlossener Berufsausbildung) 2.300 Euro brutto als in Deutschland nicht erreichbar ansehen. Zum einen ist für das Elektrohandwerk seit vielen Jahren der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt. Dies ist gerade jetzt wieder für den neuen Mindestlohntarifvertrag erlassen worden. Also gibt es in Ihrer Branche Mindestlohn. Sie würden mit einem Tariflohn in der geringsten Entgeltgruppe, die für Ihre Qualifikation entsprechend wäre, im Bereich der Elektroindustrie oder des Elektrohandwerks bei einer laut IG Metall durchschnittlichen Leistungszulage von 14 % bereits auf 2.286,84 Euro kommen. Sollten Sie länger tätig sein oder die Aufgaben bzw. Qualifikation für weitere Entgeltgruppen reichen, so wären ohne weiteres Löhne von über 3.000 Euro monatlich möglich.

Damit „Ausreißer“ nach unten im Elektrohandwerk nicht in den Dumpingbereich abgleiten, ist gerade jetzt ab 1.1.2011 ein Mindestlohn pro Stunde für allgemeinverbindlich erklärt in Höhe von 9,70 Euro in Bayern. Insofern kann ich gerade für Ihre Branche Ihren Vorwurf nicht ganz nachvollziehen. Sie hätten auch in Deutschland hervorragende Möglichkeiten. Elektrohandwerker sind gesucht.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Schmidt MdB