Frage an Christian Schmidt von Maria-Theresia A. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft,
in der Sendung
DasErste Reportage / Dokumentation
Verheizt für billige Milch - Das Leiden der deutschen Turbokühe
die heute von 21:50 bis 22:20 gezeigt wurde, gab es wieder einmal Bilder von kranken und leidenden Kühen, die durch falsche Ernährung zu Höchstleistungen getrieben werden sollen.
Nach diesen schrecklichen Bildern des Leides der Kühe sagen Sie:
"Ich sehe nicht, dass die Kuhleistung zwischenzeitlich dorthin geht, dass die Kuh darunter leidet."
Meine Frage:
Haben Sie als Landwirtschaftsminister wirklich noch nicht gesehen, wie Kühe und auch andere sog. "Nutztiere von Krankheiten gezeichnet sind? Dann lassen Sie sich doch bitte einmal von dem Film aufklären, besuchen Sie einmal selbst die gezeigten Ställe und Schlachthöfe, sprechen Sie mit den im Film zu Wort gekommenen Tierärzten und Bauern.
Oder wollen Sie das Leid der Tiere nicht sehen?
Da ich vegan lebe, muss ich mir um meine eigene Gesundheit keine Gedanken machen, dass ich das Fleisch und Milchprodukte kranker Tiere esse, möglicherweise mit Medikamentenrückständen. Sehen Sie als Minister für Ernährung sich verantwortlich, die Gesundheit der Menschen zu schützen, die darauf vertrauen, dass das, was auf ihren Tellern appetitlich angerichtet ist, ihnen gesundheitlich nicht schadet?
Sie sagen in der Sendung außerdem:
"Es wird für die Zukunft nicht so sein, dass wir in die Turbokuh hinein uns entwickeln"
Ok, da stimme ich Ihnen zu ... Aber zu dem, was Sie wohl eigentlich sagen wollten, nicht, denn wir haben längst die Turbokuh. Dringendes Ziel wäre, davon schnellstmöglich wieder wegzukommen. Was können Sie dafür tun?
Freundliche Grüße
M. Albert
Sehr geehrte Frau Albert,
vielen Dank für Ihre Zuschrift.
Generell gilt: Für die Haltung von Milchvieh gelten die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes (TierSchG) und die allgemeinen Anforderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV). Daran müssen sich alle Landwirte halten. Es gilt die Maxime: Tieren darf kein Leid zugefügt werden. Es ist Aufgabe der zuständigen Landesbehörden, die Einhaltung dieser Vorschriften zu kontrollieren und Fehlverhalten zu sanktionieren. Verstöße gegen das Tierschutzgesetz sind kein Kavaliersdelikt und müssen von den Behörden vor Ort entsprechend geahndet werden.
Darüber setzt sich das BMEL dafür ein, die Haltungsbedingungen für Nutztiere weiter zu verbessern. Mit der im September 2014 gestarteten Initiative „Eine Frage der Haltung!“ hat Bundesminister Schmidt Bund, Länder, Erzeuger, Industrie, Forschung, Handel und Verbraucher zu einem Pakt der Verantwortung an einen Tisch geholt. Ziel ist es, die Standards im Tierschutz sukzessive weiter anzuheben. In den zurückliegenden Jahren wurde der Tierschutz in vielen Bereichen verbessert. Hier sollen nun weitere Schritte folgen. Aus Sicht des BMEL ist es eine Frage der Haltung – nicht nur in den Ställen, sondern auch in den Köpfen – ob es gelingt, den Tierschutz wieder stärker in der Mitte der Gesellschaft zu verankern. Dabei ist mehr Tierschutz nicht im Alleingang zu erreichen. Erfolge werden nur dann erzielt werden können, wenn alle Beteiligten gemeinsam neue Wege für mehr Tierwohl gehen. Tiergerechte Lösungen müssen auch praxistauglich sein.
Es ist richtig, dass die durchschnittliche Milchleistung der Kühe stetig angestiegen ist. Jedoch werden Kühe mit höherer Leistung nicht zwangsläufig häufiger krank. Entscheidend für die Gesundheit der Tiere ist der Umgang mit den Tieren, das Herdenmanagement. Die Tiergesundheit und der betriebliche Erfolg werden wesentlich durch Managementfaktoren wie Haltung, Fütterung und Hygiene beeinflusst. Im Prinzip können mit der richtigen, an das aktuelle Leistungsniveau des Tieres angepassten Fütterung und einem guten Herdenmanagement sowohl hohe Durchschnittsleistungen als auch eine hohe Lebensdauer der Milchkühe erreicht werden. Darüber hinaus zeigt sich immer wieder, dass Milchviehbetriebe, bei denen Probleme im Management auftreten, im Schnitt eine deutlich geringere Milchleistung je Kuh und Jahr aufweisen. Das wird immer wieder auch durch Studien belegt. Leistungsobergrenzen sind also keine geeignete Steuerungsgröße für Tiergesundheit. Stattdessen werden die Landwirte bundesweit von Beratungsorganisationen in den einzelnen Ländern unterstützt.
Im Übrigen verbietet das Tierschutzgesetz, einem Tier außer in Notfällen Leistungen abzuverlangen, denen es wegen seines Zustandes offensichtlich nicht gewachsen ist oder die offensichtlich seine Kräfte übersteigen (§ 3 Satz 1 Nummer 1). Auch diesbezüglich obliegt der Vollzug den zuständigen Behörden der Länder.
In der Tierzucht sind seit mehr als 15 Jahren Merkmale wie Lebensdauer, Tiergesundheit und Fruchtbarkeit zentrale Zuchtziele. Diese Merkmale werden bei einigen Rassen bereits höher gewichtet das die Milchleistung. Dies wird sich in Zukunft weiter durchsetzen.
Eine Einflussnahme mittels Tierzuchtrecht auf die Zuchtziele ist nicht möglich. Nach europäischem Tierzuchtrecht wird die Zucht in der Regel von Züchtervereinigungen durchgeführt. Diese treffen die Entscheidung über die Definition und Gewichtung der jeweiligen Zuchtziele in ihrem Zuchtprogramm. Dabei wirken die Züchter an diesen Entscheidungen mit. Das einzige verfügbare Instrument, die Zucht gesunder und robuster Nutztiere zu unterstützen, ist die Förderung.
Auf Initiative des BMEL wurde daher 2013 der Fördergrundsatz „Genetische Qualität“ in der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) neu gefasst, um die Zucht gesunder und robuster Nutztiere zu fördern. Der jetzige Fördergrundsatz „Gesundheit und Robustheit landwirtschaftlicher Nutztiere“ knüpft die Förderung der Erhebung von Daten für die Zucht durch Zucht- und Kontrollverbände an die Aufnahme eines Ziels „Gesundheit und Robustheit“ in die Satzung des Verbandes und setzt mindestens die Datenerhebung und Aufbereitung bestimmter, für Gesundheit und Robustheit relevanter Merkmale voraus. Diese Merkmale sind in der Anlage des Fördergrundsatzes vorgegeben und können bei der spezifischen Ausgestaltung der Programme von den Ländern entsprechend ergänzt werden.
Darüber hinaus gibt es ein gesetzlich verankertes Qualzuchtverbot (§ 11b Tierschutzgesetz). Dieses gilt auch für den Nutztierbereich. Danach ist die Zucht dann verboten, wenn züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass bei der Nachzucht erblich bedingt Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten, zum Beispiel durch organische Ursachen oder Verhaltensstörungen oder die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt. Die Regelung wurde mit der letzten Änderung des Tierschutzgesetzes 2013 umformuliert, um sie sachgerechter und einfacher anwendbar zu machen und zugleich die Wirkung im Sinne der gesetzgeberischen Zielsetzung zu verbessern. Die Beurteilung, ob ein Fall von Qualzucht vorliegt, obliegt den für den Vollzug des Tierschutzgesetzes zuständigen Behörden der Länder. Angesichts der Vielgestaltigkeit der zu erfassenden Tatbestände benötigen die Vollzugsbehörden einen weiten Entscheidungsspielraum, den ihnen die neue Formulierung des § 11b des Tierschutzgesetzes bietet. Es sollten zunächst die Erfahrungen abgewartet werden, die von den Vollzugsbehörden der Bundesländer bei der Anwendung des 2013 neu formulierten §11b gemacht werden. Bislang liegen dem BMEL hierüber noch keine Erkenntnisse vor.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Schmidt MdB