Frage an Christiane Blömeke bezüglich Innere Sicherheit

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Christiane Blömeke
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Tobias H. •

Frage an Christiane Blömeke von Tobias H. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Fr. Blomeke,

der Presse habe ich entnommen, dass Maßnahmen gegen deutsche Dschihadisten und Islamisten ergriffen werden sollen - so sollen Dschihadisten/Islamisten Pass und Personalausweis entzogen werden (siehe Hamburger Abendblatt: http://www.abendblatt.de/newsticker/dpa_nt/infoline/brennpunkte_nt/article136349623/Ausweis-Entzug-fuer-Islamisten.html - de Maiziere spricht von 600 deutschen Dschihadisten). Eine kurze Recherche im Internet hat mich z. B. auf Denis Cuspert aufmerksam gemacht. Hr. Cuspert nimmt aktiv an militärischen Aktion des Islamischen Staates in Syrien und im Irak teil, wo fast täglich Menschen die Köpfe abgeschnitten werden. (siehe z. B. http://de.wikipedia.org/wiki/Denis_Cuspert ). Im Stern wird sogar von hunderten radikalisierter deutscher Dschihadisten geschrieben ( http://www.stern.de/politik/deutschland/deutsche-dschihadisten-diese-islamisten-bedrohen-deutschland-2167380.html )

Mich würde interessieren, woher und wann diese menschenverachtende, demokratiefeindliche und gewalttätige Ideologie nach Deutschland gekommen ist? Wie ist es historisch zu erklären, daß sich mitten in Deutschland diese Ideologie ausbreitet? Wie konnte dieses Gedankengut in den letzten Jahrzehnten nach Deutschland gelangen? Auf welchem Weg konnten Deutsche mit deutschen Eltern und Großeltern wie Marcel L. (vgl. http://www.taz.de/!152659/ ) aus Dinslaken mit dieser Ideologie in Kontakt kommen?

Nachdem besonders Hamburg ein Problem mit deutschen islamistischen Kämpfern hat (vgl. Hamburger Abendblatt http://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article136349477/Syrien-Krieg-Zehn-junge-Dschihadisten-aus-Hamburg-getoetet.html ) wäre ich an ihrer Kenntnis zur Herkunft und zum Weg dieser grausamen Ideologie nach Deutschland interessiert.

Mit freundlichen Grüßen

T. H.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Heinz,

haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen, auf die ich gerne eingehen möchte. Ich werde sie sicher nicht vollständig beantworten können – verstehen Sie meine Antwort daher bitte als eine Annäherung an das Thema.

Erfahrungen aus der Präventionsarbeit gegen islamistische Radikalisierung zeigen, dass junge Menschen, die in den Djihad nach Syrien und in den Irak ziehen, in ihrer Jugend zumeist keine intensive islamische Sozialisation hatten, sondern in der Regel eine späte „Erweckung“. Wenig weist darauf hin, dass eine konservative islamische Erziehung in Familie oder Moscheegemeinde bei jungen Menschen in Europa ein begünstigender Faktor für eine djihadistische Radikalisierung ist. Als günstig für djihadistische Radikalisierungsprozesse wird das Abtauchen in subkulturellen Nischen angenommen, die es ermöglichen, sich von der Mehrheitsgesellschaft und ihren Werten zu entfernen. Entsprechenden Szenen, die über effektive hinreichende Infrastrukturen verfügen, sind wichtig. Keiner radikalisiert sich allein. Dazu sind Agitatoren und logistische Strukturen wichtig.

Claudia Dantschke, die im Berliner Zentrum für Demokatische Kultur arbeitet, weist auch auf die jugendkulturellen Phänomene hin: in Deutschland hat sich, wie auch schon in England und in anderen Ländern, eine radikale salafistische Jugendkultur entwickelt, mit typischen jugendkulturellen Merkmalen: Abgrenzung von den Eltern, Aufmerksamkeit, Gruppengefühl, vermeintlich starke Männlichkeitsbilder. Auch wenn diese Jugendlichen nicht auf der Suche nach Religion sind, werden die Begründungsmuster aus der Religion entlehnt und dann zugespitzt. Erfolg hat dieser sogenannte Pop-Dschihadismus auch dadurch, dass er die jugendkulturellen Medien stark nutzt. Jetzt gibt es Facebook-Seiten und einzelne Dschihadisten aus Syrien mit eigenen Twitter-Accounts. Das heißt, sie sprechen die Jugendlichen genau dort an, wo sie sich schon befinden. Diesen Erklärungsansatz finde ich vor allem mit Blick auf die deutschen Jugendlichen und Jungerwachsenen sehr interessant und nachvollziehbar.

Zu den tieferen Ursachen von Radikalisierungstendenzen - zum Beispiel auch beim Abrutschen Jugendlicher in rechtsextreme Szenen - gehören zudem Armut, mangelnde Bildungsmöglichkeiten, Diskriminierungen und gescheiterte Integration. Erfolge auf diesen Gebieten sind die beste Prävention und da können wir mehr tun.

Im Oktober haben Sozial-, Innen- und Schulbehörde in Hamburg mit verschiedenen muslimischen Verbänden ein Präventionskonzept vorgestellt. Es sieht die Gründung eines Netzwerks Prävention und Deradikalisierung vor sowie die Schaffung eines mobilen Beratungsteams, das von 2015 an Lehrer, Eltern und Sozialarbeiter unterstützen soll, wenn Jugendliche zu Radikalisierung neigen. Aktuell übernimmt der Verein kitab in Hamburg solche Aufgaben, seit 2013 hat er 40 Familien unterstützt. Wichtig sind uns Grünen auch die Fortbildung für Lehrende in den Schulen, die das Landesinstitut für Lehrerfortbildung inzwischen verstärkt anbietet und die stark nachgefragt sind. Themen sind z.B. „Salafismus an der Schule“.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen
Christiane Blömeke