Frage an Claudia Tausend bezüglich Wirtschaft

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Claudia Tausend
SPD
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Frage von Thomas P. •

Frage an Claudia Tausend von Thomas P. bezüglich Wirtschaft

Eine der lebhaftesten politischen Diskussionen der letzten 4 Jahre haben die Freihandelsabkommen ausgelöst. Im folgenden werde ich mich auf CETA konzentrieren.

Meiner Ansicht nach gab es einen eklatanten Unwillen der Verhandlungsträger, die Öffentlichkeit über den Stand der Verhandlungen zu informieren oder an der Willensbildung mitwirken zu lassen. So wurde z.B. der Versuch von über 300 NGOs (die 3,28 Mio. Unterschriften gesammelt hatten), eine Europ. Bürgerinitiative gegen CETA zu gründen, von der Europ. Kommission sabotiert. Der EuGH hat dieses Vorgehen im Nachhinein (und viel zu spät) als nicht rechtens verworfen.

Auch die Darstellung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen erschien mir nicht adäquat. So wurde suggeriert, dass es bei CETA hauptsächlich um die Senkung von Zöllen und die Vereinheitlichung von Normen gänge. Die Kritik der meisten NGOs richtete sich jedoch im wesentlichen auf ganz andere Punkte des Abkommens. Auch die Berichterstattung über eine der größten Demonstrationen der letzten Jahre (17.09.2016) war der Wichtigkeit des Themas nicht angemessen. (Nebenbei: Die Berichterstattung im (ebenfalls öffentlich-rechtlichen) DLF fand ich dagegen in Ordnung.)

Hier meine Fragen:

* Haben Sie sich als MdB ausreichend über den Fortgang der Verhandlungen informiert gefühlt? Fanden Sie Ihren Einfluß angemessen?
* Wie soll die Öffentlichkeit in Zukunft an der politischen Willensbildung bei Freihandelsabkommen beteiligt werden?
* Wäre es nicht besser, bei solch weitreichenden Fragen die Wähler per Volksentscheid am Ende des Verhandlungsprozesses entscheiden zu lassen?
* Wie beurteilen Sie den derzeitigen Zuschnitt von Freihandelsabkommen? Warum wird nicht nur über Zölle und Normen verhandelt? Warum muss der Investorenschutz Teil eines solchen Abkommens sein? Warum gehören (einklagbare) Arbeitnehmen- und Umweltschutzrechte nicht in solches Abkommen?

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Sehr geehrter Herr P.,

die Verhandlungen zu CETA hat die EU-Kommission geführt. Wir haben im Deutschen Bundestag die Verhandlungen begleitet, ich habe mich als Handelsberichterstatterin für die AG Europa der SPD-Bundestagsfraktion in Brüssel und Berlin mit zuständigen Personen getroffen. Der Chefunterhändler der EU-Kommission, die EU-Handelskommissarin und die kanadische Handelsministerin waren alle mehrmals zu Gesprächen mit uns in Berlin. Wir konnten so schon in der Verhandlungsphase wichtige Änderungen erreichen, die es uns später leichter machen werden, im Bundestag darüber abzustimmen. So hat Kanada durch unseren Druck beispielsweise alle ausstehenden ILO-Kernarbeitsnormen unterzeichnet.

Ich stimme Ihnen zu, dass die Ablehnung der Bürgerinitiative zu CETA ein Fehler der EU-Kommission war. Wir fordern, dass die Verhandlungen um Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA mit größtmöglicher Transparenz geführt werden müssen. Geheimhaltungsvorschriften und Intransparenz dürfen eine öffentliche Debatte nicht verhindern. Dabei sind die Ergebnisse einer laufenden, umfassenden Folgeabschätzung unter Beteiligung der Zivilgesellschaft zu berücksichtigen.

Handelsabkommen haben schon lange einen Schutz der Investitionen beinhaltet - übrigens eine Erfindung der Bundesrepublik Deutschland, um die Auslandsinvestitionen unserer Exportnation zu schützen. Wir haben zusammen mit anderen europäischen Sozialdemokraten einen umfassenden Reformansatz des Investitionsschutzes erarbeitet: Hin zu mehr Transparenz, besseren Klagemöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen, unabhängigen Richtern, der Einführung einer zweiten Instanz, der Einklagbarkeit von Arbeits- und Sozialstandards und einer unabhängigen Institutionalisierung auf multilateraler Ebene in Form eines Internationalen Handelsgerichtshofes. Wir sind froh, dass sowohl die EU-Kommission als auch die kanadische Seite diesen Vorschlag in CETA aufgenommen hat. Unser Ziel ist es, in allen Handels-, Investitions- und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen Regeln für die verbindliche Einhaltung und Umsetzung menschenrechtlicher, ökologischer, verbraucherpolitischer und sozialer Standards wie der ILO-Kernarbeitsnormen mit konkreten Beschwerde-, Überprüfungs- und Sanktionsmechanismen zu vereinbaren.

Mit freundlichen Grüßen
Claudia Tausend

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