Frage an Cornelia Ernst bezüglich Europapolitik und Europäische Union

Cornelia Ernst
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DIE LINKE
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Frage von Frank S. •

Frage an Cornelia Ernst von Frank S. bezüglich Europapolitik und Europäische Union

Sehr geehrte Frau Cornelia Ernst,

auf den Wahlplakaten zur EU-Wahl fordert Die Linke und damit auch Sie persönlich demonstrativ "Raus aus Afghanistan". Hat Ihre Partei auch an die Folgen der Verwirklichung dieser Forderung gedacht? Auf Grund der gegenwärtigen Machtkonstellation in Afghanistan würde dies meines Erachtens bedeuten Wiedererrichtung der Macht der konservativen islamischen Kräfte, deren Repräsentant in Afghanistan die Taliban sind. Die Linke befürwortet in aller Öffentlichkeit damit die Wiedereinführung der Scharia in ganz Afghanistan und die totale Entrechtung der Frauen (keine Bildung für Frauen, keine bürgerlichen Rechte, Verschleierungsgebot). In diesem Zusammenhang möchte ich Sie daran erinnern, dass Die Linke gleichzeitig "Gleicher Lohn für Frauen" auf ihren Wahlplakaten fordert . Die Linke unterscheidet also zwischen Frauen in der EU und Frauen außerhalb der EU. Für die Rechte der EU-Frauen tritt sie ein, aber die Rechte der Frauen außerhalb der EU, genauer gesagt, z. B. in Afghanistan, interessieren Die Linke nicht, bzw. sind für sie während des Wahlkampfes zum EU-Parlament uninteressant.
Welche berechtigten Vorstellungen haben Sie und Ihre Partei Die Linke von den danach eintretenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen in Afghanistan nach einem von Ihnen geforderten Abzug der NATO aus Afghanistan?

Mit freundlichen Grüßen
Frank Steindecker

Cornelia Ernst
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Steindecker,

als Mitglied der Partei DIE LINKE spreche ich mich gegen jegliche Form von Gewalt und damit auch gegen militärische Interventionen aus. Dem Weg der zivilen Konfliktbearbeitung und die Implementierung der UN-Resolution 1325 in jedem Land ist der Vorzug zu geben. (nachzulesen unter http://www.frauensicherheitsrat.de/1325.html. )
Die bisherige, vor allem von der USA dominierte Politik gegenüber dem Land und der Region ist klar gescheitert und es werden gleichzeitig keine ernsthaften Versuche unternommen, eine neue, tragfähige Strategie zu entwickeln. Andere positive Entwicklungen wie z B. der Beteiligung von Frauen am gesellschaftlichen Leben in vielen Städten sowie in der Entwicklung von Infrastruktur und privaten Investitionen werden durch das militärische Engagement immer mehr gefährdet.
Alle demokratischen und staatlichen Strukturen sind immer noch unterentwickelt, die faktische administrative Abkopplung der Provinzen, die Rolle regionaler Machthaber und Warlords verhindern eine gesellschaftliche Erneuerung und leisten radikalislamischen Ideologien Vorschub.
Aber nicht die weitere Entsendung von Truppen sondern sofortige und verstärkte Anstrengungen auf dem Gebiet des zivilen Wiederaufbaus können einen politischen und gesellschaftlichen Wandel befördern.
Nur durch eine friedliche Politik können in Afghanistan Veränderungen bewirkt werden. Der Abzug der Truppen kann nur ein erster Schritt in diese Richtung sein. Dem müssen die Entwicklung eines politischen Konzeptes im Umgang mit militanten Kräften, die Stärkung der afghanischen Beteiligung an allen Entscheidungen und massive Anstrengungen zum Aufbau einer handlungsfähigen Polizei folgen. Parallel dazu muss die internationale Hilfe für Wiederaufbau, Stärkung von Menschenrechten, soziale und kulturelle Entwicklung deutlich ausgeweitet werden. Sie sehen also, dass auch die Rechte der Frauen in Afghanistan im Blickfeld der Linken stehen und über den friedlichen Umbruch diese gestärkt werden müssen.

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Cornelia Ernst

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