Frage an Detlef Müller bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Detlef Müller
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Frage von Nick L. •

Frage an Detlef Müller von Nick L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Herr Müller,
ich habe eine weitere Frage: Wie wichtig finden Sie den Zusammenhalt einer Fraktion, sprich die Fraktionsdisziplin, und wie wichtig ist Ihnen Koalitionsdisziplin? Sie sind natürlich laut Gesetz nur Ihrem Gewissen verpflichtet, aber eine Partei, die Sie in den Bundestag bringt, braucht doch sicher Loyalität?

Danke,
N. L.

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Sehr geehrter Herr L.,

danke auch für diese Nachricht. (Warum bedanke ich mich eigentlich immer? Weil Sie mir nicht schreiben müssten. Sie könnten sich auch aus Politik heraushalten, das tun Sie aber nicht. Das finde ich gut.)

"Fraktionsdisziplin" ist ja mittlerweile eine Art Schimpfwort geworden, als sei es etwas Schlechtes. Das Gegenteil ist der Fall: Man schließt sich ja gerade einer Partei an, um gemeinsam etwas zu bewirken. Als Sozialdemokrat denke ich, dass unsere Politik gut für Deutschland und für Europa ist (das sehen andere natürlich - legitimerweise - anders). Wir können diese Politik aber nur mit interner Disziplin durchsetzen, sprich, wenn wir in der Bundestagsfraktion an einem Strang ziehen. Sonst könnten wir unseren Laden auch zusammenpacken. In den meisten Fällen finden wir nach vielen, langen Diskussionen auch eine gemeinsame Linie, die in den Ausschüssen und im Plenum dann auch gemeinsam vertreten wird. Jeder, der aus der Reihe tanzt, gefährdet den gemeinsamen Erfolg. Und glauben Sie mir, zu weiland Bebels Zeiten war das noch eine andere Nummer: Da hat man als Sozialdemokrat gespurt, wenn der Parteivorstand befohlen hat. Und noch unter Herbert Wehner wurde man als „Abweichler“ in sein Büro zitiert und eine Stunde lang zusammengebrüllt. Das ist zum Glück heute nicht mehr so: Wenn ich abweichend stimmen will, ruft gegebenenfalls Thomas Oppermann an und versucht umzustimmen, aber mit Respekt vor meiner Auffassung. Deswegen aber, um gemeinsam etwas zu erreichen, braucht es eben in der Fraktion Disziplin, und gegenüber der Partei Loyalität.

Die Koalitionsdisziplin ist aber nur eine Vereinbarung, ein gentlemen's agreement, wenn Sie so wollen: Nach Art. 38 Abs. 1 GG bin ich als Abgeordneter nur meinem Gewissen verpflichtet. Bedeutet: Grundsätzlich darf ich immer so stimmen, wie ich das für richtig halte. Wenn ich also einmal nicht mit der Fraktionsmeinung übereinstimme, werde ich abwägen müssen, ob ich um des gemeinsamen Erfolges willen meine entgegenstehende Meinung herunterschlucke und mitziehe, oder abweichend stimme. Das habe ich schon mehrfach getan, z.B. bei der Pkw-Maut. Loyalerweise wird von mir erwartet, dass ich dieses abweichende Verhalten dann der Fraktion anzeige, aus Gründen der Fairness ist das ja auch gut und richtig so. Normalerweise handelt es sich dann aber nicht um echte Gewissensentscheidungen, sondern um politische Wertentscheidungen.

Wenn es aber um echte Gewissensentscheidungen geht, ist üblicherweise auch der Fraktionszwang, also die Vereinbarung, wenn immer möglich gemeinsam zu stimmen, aufgehoben. Das sind z.B. Abstimmungen, die ethische Fragen betreffen, z.B. Bereiche wie die Präimplantationsdiagnostik. Hier macht Fraktionsdisziplin keinen Sinn, bzw. wäre auch im Sinne parteipolitischer Loyalität unredlich, denn auch die Partei möchte ihren Mitgliedern und Abgeordneten nicht abverlangen, gegen ihr Gewissen zu stimmen.

Mit freundlichen Grüßen

Detlef Müller

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