Frage an Dietmar Bartsch bezüglich Wirtschaft

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Dietmar Bartsch
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Frage von Grit A. •

Frage an Dietmar Bartsch von Grit A. bezüglich Wirtschaft

Ich habe gestern einen Bericht über Plagiatsvernichtung gesehen. Meine Frage lautet: Warum steht der Schutz von Marken und Profiten höher, als menschliche Bedürfnisse? Es gibt Länder in denen Kinder und Jugendliche ohne Schuhe aufwachsen müssen und bei uns in Deutschland landen vom Zoll beschlagnahmte Waren, z.B. Schuhe, im Schredder. Ich möchte garnicht weiter ausholen, es gibt sicherlich noch andere Sachen wie Pullover, Jacken usw. die dringend woanders benötigt werden. Ein Anwalt einer bekannten Marke sagte, es geht nicht nur um den finanziellen Schaden, sondern auch um den Imageschaden den diese Firmen durch Plagiate fürchten. Warum wird nicht aus dieser " Untugend des Nachahmens" etwas Gutes gemacht, um Bedürftigen in Afrika oder Lybien zu helfen? Kann denn eine Markenfirma nicht auch mit solchen Handlungen etwas für das "Image" tun?
Ich glaube selbst in Deutschland wären viele Kinder dankbar, wenn Sie neue und nicht bereits getragene Sachen aus einem sogenannten Sozialkaufhaus anziehen müssten. Man muss ja nicht mal über die Landesgrenze schauen um zu helfen.
Ich bin mir darüber im Klaren, dass es in Deutschland Gesetze und Bestimmungen gibt, die natürlich die Grundlage für diese Maßnahmen sind, aber wäre es nicht an der Zeit manche Dinge einfach auch mal etwas pragmatischer zu betrachten und Gesetze zu überdenken?

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DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Anders,

danke für Ihre Frage. Ich teile Ihre Sorge um die Lebenslage vieler Menschen in der Welt.
Es sieht auf den ersten Blick so aus, als stünde bei der Vernichtung von Waren, die als Plagiat hergestellt wurden, „der Schutz von Marken … höher als menschliche Bedürfnisse“.
Ich teile aber diese Sicht nicht. Produktpiraterie führt nicht nur beim Handel mit unverzollten Zigaretten oder beim illegalen Medikamentenhandel zu volkswirtschaftlichen Schäden. Zu dem Zeitpunkt, wo derartige Waren vom Zoll entdeckt, eingezogen und schließlich vernichtet werden, haben die kriminellen Hersteller bereits daran verdient. Sie verwenden fremde Markenlogos einzig aus dem Grund, zu Unrecht größere Gewinne erzielen zu können. Ihnen muss durch die intensive Suche nach den Herstellern der Boden ihres kriminellen Handelns entzogen werden.

Mit der kostengünstigen oder gar kostenfreien Abgabe z.B. von Kleidung an bedürftige Menschen in Afrika und anderen Regionen der Welt ist es nicht so einfach.
So führt z.B. die in Deutschland organisierte Erfassung von Altkleidern in erheblichem Umfang dazu, dass Kleidungsstücke containerweise in bedürftige Regionen der Welt verschifft werden und dort, wo vielfach eine hochwertige Textilherstellung beheimatet war, zur immer stärkeren Verdrängung dieser einheimischen Industrie und zum Verlust der oft einzigen Einnahmenquelle der Menschen beitragen. Es geht nicht um Produktion und Handel mit Plagiaten, sondern z.B. darum, dass Deutschland seine Verpflichtungen auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik endlich einlöst und 0,7 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes dafür aufwendet.

Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch

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