Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Hermann B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Winkelmeier-Becker,
Die Rentenanpassung unterliegt mehr oder weniger einem "Good will"
des Sozialministers bzw. dem Bundestag und liegt, an diversen Kriterien gebunden, meist nur bei wenigen Prozent.
Die Erhöhungen der Beamtenpensionen richten sich nach den Besoldungserhöhungen der Beamten u. werden dann mit dem reduzierten Prozentsatz gewährt.
Obgleich Beamte nie einen Pfennig/Cent in die Sozialkassen gezahlt haben, werden sie über alle Maßen bevorzugt, dazu noch immer nach dem letzten Gehalt, es gibt also keine Höchstpension wie bei den Rentnern. Das kann z.B. dazu führen, daß ein ehemaler hoher Beamter
über 9.000€ Pension Netto bezieht. Das ist schlicht und einfach unsozial und hat mit einem Sozialstaat nicht das geringste zu tun.
Plant man hier mal eine grundlegende Reform ?
Mit freundlichen Grüßen
Hermann Böhm
Sehr geehrter Herr Böhm,
die beiden großen Altersicherungssysteme in Deutschland -- Gesetzliche Rentenversicherung und Beamtenversorgung - sind historisch bedingt sehr stark unterschiedlich strukturiert. Ich nutze gerne die Gelegenheit, in meiner Antwort auf
einige verbreitete Vorurteile gegenüber den Systemen der Rente einerseits und der Beamtenversorgung andererseits einzugehen und einige Irrtümer klarzustellen.
Zunächst zur Systematik der Rentensteigerung: Diese unterliegt keineswegs dem Good will des Sozialministers oder des Bundestages, sondern folgt einer mathematischen Formel, die an die Lohnentwicklung bei den Beitragszahlern anknüpft, allerdings auch eine demographische Komponente enthält. Das sind die wesentlichen Kernpunkte der Rentenformel. Sie sichern die Beteiligung der Rentner an der allgemeinen Lohnentwicklung, berücksichtigen aber auch, dass in Zukunft immer weniger aktive Beitragszahler immer mehr Rentner finanzieren müssen. Für einige Jahre zeitlich befristet wurde außerdem der sog. "Riesterfaktor" eingeführt, der über 10 Jahre hinweg eine Verminderung der jährlichen Rentensteigerung um jeweils 0,6 Prozentpunkte vorsieht. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die aktiven Beitragszahler ihrerseits auch durch Einzahlungen auf "Riesterverträge" eine vergleichbare Kürzung ihres verfügbaren Nettoeinkommens hinnehmen müssen. Dieser Faktor ist bei den Rentenerhöhungen 2008 und 2009 außer Kraft gesetzt worden und wird in 2 späteren Jahren nachgeholt. Die Rentenanpassung konnte damit 0,6 Prozentpunkte höher ausfallen, als es sonst der Fall gewesen wäre. Politischer Wunsch war dabei natürlich, auch die Rentner zumindest in diesem Rahmen an den bereits erkennbar positiven Lohnentwicklungen teilhaben zu lassen. Sie erschien aber auch deshalb objektiv gerechtfertigt, weil die Verbreitung von Riesterverträgen noch nicht die ursprünglich erwartete Quote erreicht hat und die Reduzierung des verfügbaren Nettoeinkommens bei den erwerbstätigen Beitragszahlern durch die Kürzungen in den vergangenen Jahren vorläufig bereits ausreichend berücksichtigt worden sind. Durch die höheren Tarifabschlüsse dieses Jahres steht zu erwarten, dass es im nächsten Jahr eine dementsprechend höhere Rentenanpassung geben kann - nicht nach dem Willen des Sozialministers, sondern nach der mathematischen Berechnung der Rentenformel.
Die Beamtenversorgung ist - anders als die gesetzliche Rentenversicherung -- Ausdruck der Alimentationspflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten und sie ist gleichzeitig die Gegenleistung für die Verpflichtung des Beamten zur vollen Hingabe an den Beamtenberuf, seinem besonderen Dienst- und Treueverhältnis gegenüber dem Dienstherrn. Etwa 75 % aller Beamten sind im höheren oder gehobenen Dienst beschäftigt, wobei es sich in der Regel um Personen mit einem Hochschulabschluss oder Fachhochschulabschluss handelt. Innerhalb der Beamtenschaft überwiegen demnach Bezieher relativ höherer Arbeitseinkommen, was sich zwangsläufig auf die Höhe der Versorgung auswirkt. (Höhere Einkommen führen auch bei der gesetzlichen Rentenversicherung zu höheren Versorgungsbezügen.)
Die Alimentationspflicht und die damit verbundene Versorgung aus dem letzten Amt gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Grundsätzen des Berufsbeamtentums und wird über Art. 33 Abs. 5 unseres Grundgesetzes besonders geschützt. Die Leistungshöhe des Ruhegehaltes ergibt sich aus der Anzahl der Dienstjahre und den ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen. Bei frühzeitigem Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit müssen auch Beamte dauerhafte Abschläge hinnehmen.
Trotz der strukturellen Unterschiede der Systeme hat der Gesetzgeber versucht, die Kosten dämpfenden Reformmaßnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Beamtenversorgung wirkungsgleich zu übertragen. Um hier nur die wichtigsten Maßnahmen zu nennen: Mit dem Versorgungsreformgesetz 1998 - parallel zur seinerzeit beabsichtigten Einführung eines "demographischen Faktors" in der gesetzlichen Rentenversicherung -- ist ein Versorgungsabschlag zum Aufbau einer Versorgungsrücklage eingeführt worden, der das Besoldungs- und Versorgungsniveau im Ergebnis um ca. 3 % absenken wird. Das Gesetz zur Neuordnung der Versorgungsabschläge aus dem Jahr 2000 hat - entsprechend den rentenrechtlichen Regelungen - einen Versorgungsabschlag in Höhe von 3,6 % pro Jahr (höchstens 10,8 %) bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit und Schwerbehinderung eingeführt. Das Versorgungsänderungsgesetz 2001, mit dem die Rentenreform 2001 auf die Beamtenversorgung übertragen wurde, führt zu einer Absenkung des Höchstruhegehaltssatzes von bisher 75 % auf künftig 71,75 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge.
Darüber hinaus hat es in den Jahren 2003 bis 2005 bei den Beamtenpensionen wie in der Rente faktisch Nullrunden gegeben. Die mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2006 beschlossenen Konsolidierungsmaßnahmen führen in den Jahren 2006 bis 2010 zu einer deutlichen Kürzung der Versorgungsbezüge von 2 % für die Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger des Bundes.
Es stimmt, dass Beamte keine Beiträge in Sozialkassen zahlen. Gleichwohl haben sie die Altersversorgung verdient durch den Dienst in ihrer aktiven Zeit. Sie ist im "Gesamtpaket" von Leistung und Gegenleistung ein Teil der Vergütung, die der Staat für die Lebensleistung des Beamten und seine besondere Loyalität verspricht. Diese attraktive Altersversorgung war für viele Beamte mit entscheidend für die Berufswahl und Grund dafür, im Gegenzug Nachteile des Beamtentums -- in vielen Fällen auch finanzieller Art im Vergleich zu Berufschancen in der freien Wirtschaft - in Kauf zu nehmen. Beispielsweise sind Einstiegsgehälter für Akademiker im öffentlichen Dienst vielfach geringer, als in der freien Wirtschaft; der Öffentliche Dienst ist keineswegs immer die wirtschaftliche lukrativere Möglichkeit. Wirtschaftlich gesehen stellen sich die Pensionen damit letztlich als einbehaltene Gehaltsbestandteile der aktiven Beamten dar. Sie sind auf diesem Wege daher zumindest mittelbar an ihren Versorgungskosten beteiligt. Diese Versorgung im Nachhinein -- über die o.g. Einschränkungen parallel zur Entwicklung bei den Renten hinaus - einseitig zu verändern, wäre nicht gerechtfertigt und mit den grundgesetzlich geschützten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nicht vereinbar.
Außerdem ist am 1. Januar 2007 das Erste Gesetz zur Änderung des Versorgungsrücklagegesetzes in Kraft getreten, mit dem beim Bund ein Versorgungsfonds zur Finanzierung der Versorgungsausgaben für alle neu eingestellten Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter sowie Berufssoldatinnen und Berufssoldaten eingerichtet wird. Die Finanzierung der Beamten- und Soldatenversorgung wird damit schrittweise auf eine vollständige Kapitaldeckung umgestellt.
Beamte haben im Vergleich zu vielen gesetzlich Versicherten neben ihrer Pension keine Versorgungsleistung, die mit einer Betriebsrente vergleichbar wäre. Dies ist ein weiterer Grund, warum es schwierig ist, die Höhe der Beamtenversorgung mit der Höhe der gesetzlichen Rente zu vergleichen.
Alles in allem haben sich aber über einen längeren Zeitraum betrachtet Rente und Beamtenversorgung trotz der Unterschiede und Besonderheiten durchaus vergleichbar entwickelt; das Dienstrechtneuordnungsgesetz sieht im Übrigen vor, dass bis Ende 2011 unter Berücksichtigung der allgemeinen Entwicklung der Versorgungssysteme zu prüfen ist, ob die bisherigen und künftigen Einschnitte in der Beamtenversorgung des Bundes ausreichen oder gegebenenfalls angepasst werden müssen.
Für die Frage, ob die verbleibenden Unterschiede gerecht sind, ist m. E. wichtig, dass die Beamtenlaufbahn grundsätzlich jedem Bürger offen steht, der über die entsprechende Qualifikation verfügt. Wer diese mitbringt mag sich frei entscheiden, ob er mit allen Konsequenzen ein Berufsleben im Staatsdienst anstrebt, oder ob er eine andere Anstellung oder selbständige Tätigkeit für lukrativer oder seinen Interessen für angemessener hält.
Wenn Sie sich weiter über Besonderheiten der Beamtenversorgung informieren wollen, empfehle ich Ihnen die Homepage des Bundesministeriums der Innern unter der Adresse http://www.bmi.bund.de/cln_012/nn_884620/Internet/Content/Themen/FragenUndAntworten/Oeffentlicher__Dienst__Fragen__Versorgungsrecht.html.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker