setzen Sie sich für eine anteilmäßig gleiche Verteilung von Flüchtlingen in allen EU-Ländern mit vergleichbarer Unterstützung und Anerkennungsverfahren ein?
Sehr geehrte Frau K.
selbstverständlich würden wir es unterstützen, wenn Flüchtlinge in der EU nach Kriterien wie Bevölkerungsgröße, Wirtschaftskraft und sprachlichen Voraussetzungen sinnvoll verteilt würden. Dies würde auch die Chancen erfolgreicher Integration erhöhen, wenn Schutzsuchende besser verteilt und dezentraler untergebracht würden. Allerdings ist die Bereitschaft dazu in den EU-Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich ausgeprägt. Wir verfolgen daher mehrere Ansätze in der Migrationspolitik:
Für Menschen, die politisch verfolgt werden, gilt das Asylrecht. Wer vor Krieg oder Hunger flieht, muss ebenso im Rahmen der Genfer Konventionen bzw. über Kontingente in Europa geschützt werden. Dieser Anspruch kann jedoch nicht immer in Deutschland verwirklicht werden.
Etwa die Hälfte der Menschen, die zu uns kommen, fällt aber nicht unter diese Gründe, sondern kommen aus verständlichen wirtschaftlichen und sozialen Gründen. Für diese Menschen kann es nur begrenzte Möglichkeiten der regulierten Zuwanderung im Rahmen der Integrationsfähigkeit der Kommunen geben. Es ist keine Lösung, wenn diese Menschen über Jahre ohne Perspektive in Deutschland ausharren und der Druck bei Wohnungen und Schulungen zunimmt. Dies setzt auch Kapazitäten frei, um Schutzsuchende mit legalen Aufenthalt besser bei der Integration zu unterstützen.
Gleichwohl müssen wir die Mittel, die wir bisher für die Unterbringung und Versorgung dieser Menschen aufbringen, verwenden, um die Herkunftsstaaten zu stabilisieren. Auch müssen wir aufhören, über unfaire Handelsabkommen und Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete (wie zum Beispiel aktuell dem Gaza-Konflikt) Fluchtursachen zu schaffen. Menschen, die bereits bei uns leben und einer geregelten Arbeit nachgehen, dürfen wir hingegen keine Knüppel zwischen die Beine werfen.
Wir streben menschenwürdige Asylverfahren an den Außengrenzen bzw. in Drittstaaten an. Dazu heißt es in unserem Europawahl-Programm unter anderem:
https://bsw-vg.de/wp-content/uploads/2024/02/BSW_Europawahlprogramm_2024.pdf
"Es darf nicht länger kriminellen Schleppernetzwerken überlassen werden, wer Zugang zur EU bekommt: Rechtsstaatliche Asylverfahren an den Außengrenzen und in Drittstaaten wären der sicherste Weg, denjenigen, die wirklich Schutz benötigen, den Weg in die EU zu öffnen, auch wenn sie die finanziellen Mittel zur Bezahlung der Schlepper nicht aufbringen können, und all denjenigen, die kein Recht auf Asyl und daher eine Bleibeperspektive haben, den lebensgefährlichen und teuren Weg zu ersparen.
(...)
Außerdem kann und muss die EU ihre politischen Anstrengungen erhöhen, gemeinsam mit der UNO, mit Regionalorganisationen oder auch bilateral, Kriege und Konflikte diplomatisch zu lösen. Hierzu gehört auch, dass aus der EU keine Waffen in Krisengebiete mehr exportiert werden dürfen und EU-Länder sich nicht mehr an Interventionskriegen beteiligen. Es ist kein Zufall, dass besonders viele Zuwanderer heute aus Ländern kommen, die durch westliche Kriege und Regime-Change-Kriege verwüstet wurden: Afghanistan, Irak und Syrien. Auch aus diesem Grund lehnen wir völkerrechtswidrige Militärinterventionen ab, die zu einer Hauptursache für Flucht, Vertreibung und Migration geworden sind. Der Krieg in der Ukraine, der ebenfalls eine große Fluchtbewegung verursacht hat, wurde militärisch von Russland begonnen, aber er wäre vom Westen verhinderbar gewesen und hätte längst beendet werden können.
(...)
Gleichwohl sollten wir über internationale Partnerschaften einen Beitrag zur Qualifizierung und Ausbildung von Menschen aus ärmeren Ländern schaffen. Im Rahmen von begrenzten Kontingenten müssen Menschen besser unterstützt werden, die bereits einen Arbeitsvertrag und eine sichere finanzielle Perspektive haben. Zuwanderer, die durch Spracherwerb und Arbeit bereits über längere Zeiträume gut integriert sind, brauchen verlässliche Perspektiven. Wir sollten nicht ausgerechnet jenen Menschen Knüppel zwischen die Beine werfen, die sich angestrengt haben.
(...)
Die Zahlen des UNHCR belegen, dass die große Mehrheit der durch Krieg und Gewalt Vertriebenen als Binnenflüchtlinge oder in einem direkten Nachbarstaat Zuflucht sucht, da sie die hohen Summen für Schlepperbanden nicht bezahlen können. Die EU-Staaten stehen in der Pflicht, Organisationen wie das UNHCR und andere humanitäre Organisationen finanziell besser auszustatten, damit sie den Menschen vor Ort effektiv Hilfe und Schutz bieten können. "
Beste Grüße
Fabio De Masi