Frage an Friedrich Ostendorff bezüglich Wirtschaft

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Friedrich Ostendorff
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Frage von Dr. Matthias M. •

Frage an Friedrich Ostendorff von Dr. Matthias M. bezüglich Wirtschaft

Welchen Standpunkt vertreten Sie zur Patentierbarkeit von Software, dem Umbau des Urheberrechts und der Einschränkung der Nutzung von erworbenen Medien?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Dr. Michel,

Vielen Dank für Ihr Interesse an der Politik von Bündnis 80/Die Grünen. Ihre Frage beantworte ich, wie folgt:

Der möglichst offene Zugang zu Informationen und digitalen Gütern ist ein wichtiges bildungs- und medienpolitisches Anliegen von Bündnis 90/Die Grünen. In diesem Zusammenhang ist eine weitere Reform des Urheberrechts unbedingt notwendig, insbesondere vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung. Außerdem werden vom geltenden Urheberrecht insbesondere die Belange von Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht ausreichend erfasst. Wir wollen deshalb die aufgrund der Neuwahlen verschobenen Verhandlungen zum so genannten 2. Korb der Reform des digitalen Urheberrechts so schnell wie möglich wieder aufnehmen.

Bündnis 90/Die Grünen setzen sich bei diesem Gesetzesvorhaben insbesondere auch für eine durchsetzungsstarke digitale Privatkopie im Sinne des Verbraucherschutzes ein. Mit der derzeit geltenden Regelung wird das Recht auf Privatkopie im Grundsatz zwar nicht angetastet, sofern aber technische Schutzmaßnahmen vorhanden sind, wird den Nutzerinnen und Nutzern nicht gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt, dieses Recht auch tatsächlich auszuüben. Wir sind mit dieser faktischen Ungleichbehandlung von analoger und digitaler Privatkopie unzufrieden und wünschen uns eine stärkere Durchsetzbarkeit der digitalen Privatkopie.

Es muss auch zukünftig weiterhin möglich sein, Musik oder Filme für private Zwecke zu kopieren. Verbraucherinnen und Verbraucher wollen ein erworbenes Produkt umfassend nutzen und nicht durch technische Restriktionen eingeschränkt werden. Die Akzeptanz von digitalen Medien hängt auch davon ab, wie einfach und uneingeschränkt die entsprechenden Medien und Formate genutzt werden können, die Privatkopie ist daher ein wichtiges Verbraucherrecht in der Informationsgesellschaft. Der Staat selbst ist ebenfalls gefordert, eine offene Informationsgesellschaft mitzugestalten. Eine öffentliche Hand, die geistiges Eigentum schafft, muss auch einen möglichst breiten Zugang zu diesem vom Staat geförderten Eigentum sicherstellen.

Staatlich finanzierte Forschungsergebnisse, öffentliche Dokumente und Daten von Bund, Ländern und Kommunen sowie öffentlich-rechtlich finanzierte Informationsinhalte müssen unserer Ansicht nach so frei wie möglich lizenziert werden. Dabei handelt es sich insbesondere um Nachrichten, Gesetzestexte und öffentliche Studien. Gleiches gilt für Geodaten, amtliche Statistiken und Forschungsergebnisse der Wissenschaft. Wir unterstützen neue Modelle und Initiativen zur möglichst weiten Verbreitung von Wissen und Schaffung kreativer Leistungen wie Open Access, Freie Software, Wikipedia, Creative Commons oder Open Standards. Innovationshemmend kann sich in diesem Zusammenhang die Übertragung patentrechtlicher Vorschriften auf Gebiete auswirken, deren Schutzfähigkeit bereits ausreichend gewahrt ist. Zu nennen ist hier in erster Linie eine mögliche Patentierung von Software. Softwarepatente würden insbesondere für den Klein- und Mittelstand erheblich negative Folgen nach sich ziehen.

Wir sind vielmehr überzeugt davon, dass Patente im Fall von Software vor allem Großunternehmen nützen und kleinen und mittleren Unternehmen schaden. Eine zunehmende Patentierbarkeit von Software würde dazu führen, dass der Wettbewerb um Innovationen hinter juristische Auseinandersetzungen zurücktritt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher würden ebenfalls leiden, da Software womöglich teurer und in ihrer Vielfalt eingeschränkt sein wird.

Seit dem 7. Juli ist die Erarbeitung der umstrittenen EU-Richtlinie erst einmal gestoppt. Das europäische Parlament hat sich mit einer absoluten Mehrheit der Stimmen in der 2. Lesung gegen den vorliegenden Entwurf entschieden. Damit ist der Richtlinienprozess vorerst beendet, es liegt nun an der Kommission, einen neuen Vorschlag zu unterbreiten. Möglicherweise kommt jedoch auch wieder Bewegung in die Initiative für ein EU-Gemeinschaftspatent.

Doch die Situation bleibt aufgrund der unterschiedlichen Rechtspraxis der europäischen Patentämter kompliziert. Insbesondere das Europäische Patentamt hat oftmals Ansprüche zugelassen, die das Patentierungsverbot von Software in Frage stellen. Eine Richtlinie, wie sie der Rat vorgeschlagen hat, hätte allerdings zu noch größerer Rechtsunsicherheit geführt. Medien müssen unserer Ansicht nach möglichst umfassend genutzt werden, anstatt massiven Restriktionen zu unterliegen: Wir wollen durch eine breite Teilhabe der Bevölkerung an öffentlichem Wissen einen volkswirtschaftlichen Mehrwert schaffen, der die Kreativität der Bürgerinnen und Bürger beflügelt und den geistigen Reichtum der Gesellschaft nachhaltig sichert. Untrennbar hiermit verbunden ist die Verantwortung des Staates für eine entsprechende Ausstattung von Lehre und Forschung in Verbindung mit der Freiheit der Wissenschaft und Unabhängigkeit der Medien sowie der gerechten Entlohnung kreativer Leistungen.

Viele Industrieländer fördern bereits die Schaffung von öffentlichen digitalen Archiven zur Schaffung einer offenen und nachhaltigen Informationsgesellschaft. So stellt das kanadische Kulturministerium jährlich rund 45 Millionen Euro zur Verfügung, um die Entwicklung von und den Zugang zu kulturellen Inhalten in digitaler Form zu unterstützen. In eine ähnliche Richtung zielt die Freigabe der BBC-Archive in Großbritannien unter der Creative-Commons-Lizenz. Hier besteht in Deutschland noch Nachholbedarf. Die Schaffung einer öffentlich-rechtlichen Mediathek oder der Aufbau von Wissenschaftsservern an Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind erste und wichtige Schritte in eine innovative Richtung. Bestandteil der Leistungen öffentlicher Daseinsvorsorge ist auch die Förderung und Absicherung von Bürgermedien wie Offenen Kanälen, Freien Radios oder entsprechender Netzplattformen wie „ourmedia.org“.