Frage an Georg Kippels bezüglich Bundestag

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Georg Kippels
CDU
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Frage von Reiner B. •

Frage an Georg Kippels von Reiner B. bezüglich Bundestag

Sehr geehrter Herr Kippels,

in Zeiten von Corona zeigt sich, dass die " Große Koalition", sogar zusammen mit der Opposition, in der Lage ist, schnelle und konstruktive Lösungen für akute Probleme zu finden.

Zum Thema "Begrenzung der Abgeordnetenzahl im Bundestag" läuft aber scheinbar wieder alles wie seit Jahrzehnten zu beobachten ist.
Jeder (jede Partei) besteht auf ihre eigenen Vorstellungen und ist wenig kompromissbereit.
Überspitzt formuliert, haben wir dann irgendwann eine Bundestagsgröße erreicht wie der chinesische Volkskongress.

Wie der Weg zu einem verkleinerten Bundestag aussieht, ist dem normalen Bürger sicher gleichgültig (Wahlrechtsreform oder andere Wege) .
Nur sollten wir nicht weitere Jahre verstreichen lassen und weitere, unnötige Kostenbelastungen als Steuerzahler in Kauf nehmen müssen.

Wie sieht Ihr persönlicher Beitrag bzw. Ihre Einschätzung zu diesem Thema aus ?

Ich würde mich freuen, dazu von Ihnen zu hören.

Bleiben Sie gesund !

Mit freundlichen Grüßen

R. B.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr B.,

herzlichen Dank für die Frage, die ich gerne beantworte.

Die Sache ist leider nicht so einfach, wie sie scheinen mag.

Dies ist sicher nicht die Antwort, die Sie hören möchten. Sie wird gerne mit der Reaktion quittiert, dass die Abgeordneten an ihren Sitzen festhalten wollen, statt sich um eine Reform zu bemühen, die möglicherweise zu einer Reduzierung der Mandate – und dann möglicherweise dem eigenen Mandat - im Bundestag führen würde.

Dies Betrachtung bzw. der Vorwurf verfinge aber nur, wenn zwischen Änderung und Einzug oder Nichteinzug ein sicherer Bezug hergestellt werden könnte. Da aber die Vergrößerung des Bundestages nicht durch das Bundeswahlgesetz direkt, sondern die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Stimmengewicht ausgelöst ist, ist ein solcher Zusammenhang höchst spekulativ und hängt enorm von der Wahlbeteiligung und Stimmenverteilung für die Bundesländer und den Bund ab. Die Prognose ändert sich aber ständig und ist deshalb kaum eine wirklich verlässliche Entscheidungsgrundlage.

Der Verwurf dazu ist daher mehr ein typischer Generalverdacht ohne sachliche Analyse.

Seitens der Fraktion kann ich Ihnen aber versichern, dass uns sehr an einer baldigen Lösung gelegen ist, weil auch wir die Entwicklung aus der Rechtsprechung keinesfalls für sachdienlich für die Arbeit des Parlamentes halten. Innerhalb der Koalition tauschen sich CDU und CDU regelmäßig mit der SPD zu diesem Thema aus. Dieses Format findet trotz der besonderen Herausforderung der Corona Pandemie nach wie vor statt.

Jede Reform des Bundeswahlgesetzes muss sich aber zunächst mit der jetzigen Grundregel des personalisierten Verhältniswahlrechts auseinander setzen. 299 Abgeordnete werden nach relativer Mehrheitswahl direkt in Wahlkreisen gewählt, während 299Abgeordnete durch das Listenmandat (Verhältniswahl) bestimmt werden. Das bedeutet heute, dass gemäß der Rechtsprechung „nur“111 Mandate durch die komplizierte Berechnung von Überhangs- und Ausgleichsmandaten entstanden sind. 2013 waren es sogar nur 33 Mandate.

Auslöser für die Vergrößerung ist also letztlich das Wahlverhalten und die Verteilung der Stimmen über mehr Parteien, als es in früheren Zeiten der Fall war. Man könnte jetzt also die Meinung vertreten, dass es dem Willen des Wählers und nach dem Bundesverfassungsgerichts dem Willen der Verfassung entspricht, die positiven und negativen Stimmwerte verfassungskonform auszuwerten.

Dieser Meinung möchte ich gerne etwas entgegenhalten. Bei der ursprünglichen Festlegung der Anzahl der Sitze auf 598 entsprach es nicht der Vorstellung des Verfassungs- und Gesetzgebers, dass viele Parteien die Grenze von 5 % überschreiten. Nun stehen wir bei einer deutlich veränderten Ergebnislage der Wahlen vor der Aufgabe, bei einer Begrenzung oder Reduzierung des Verteilungseffekts den Grundsätzen der verfassungsmäßigen Bewertung der abgegeben Stimmen gerecht zu werden.

Hierzu gibt es eine große Anzahl verschiedener Vorschläge, die in der Fachliteratur dargestellt werden. Die Zitatstelle lautet Boehl; Zu viele Abgeordnete im Bundestag? Zeitschrift für Rechtspolitik 2017 Seite 197.

Ich will die dortigen Ausführungen gerne auf den Punkt bringen: Soll ein Abgeordneter in den Bundestag, wenn er mit Mehrheit – egal wie groß sie ist –gewählt wurde, oder lieber der, dessen Partei deutschlandweit oder landesweit viele Stimmen bekommen hat und dessen Zuteilung dann über eine Liste erfolgt?

Diese Darstellung ist sicherlich verkürzt, stellt aber im Wesentlichen die Konkurrenz der Systeme dar. Sie ist der elementare Grund für die bislang noch nicht erfolgte Einigung.

Die Parteien, die bislang Mehrheiten vor Ort erzielen konnten, bevorzugen das Direktmandat. Sie betrachten den direkten Bezug als besondere Legitimation ihres Mandats. Die Parteien, die in der Fläche Stimmen sammeln, aber nicht im Wahlkreis selbst, wollen lieber eine Listenverteilung.

Dieser Unterschied betrifft die Legitimation eines Parlaments in seinen Grundregeln!

Nun möchte ich auch gerne meine Position darstellen:

1. Für eine effektive Arbeit ist es weder nötig, noch erforderlich wesentlich mehr als 598 Abgeordnete im Bundestag zu haben. Eher das Gegenteil ist der Fall, weil jeder Abgeordnete das Recht bekommen muss, seine Auffassung einzubringen. Dieses Recht gilt unterschiedslos für alle Mandatsträger, sodass sich der Effekt natürlich vervielfacht. Das deutsche sog. "Arbeitsparlament" wird so natürlich vor massive Herausforderungen gestellt.

2. Auch wenn man mir als direkt gewählter Abgeordneter natürlich vorhalten wird, dass ich das Direktmandat befürworte, stehe ich voll und ganz hinter dieser Position. Das Direktmandat ist die unmittelbarste und härteste Prüfung durch den Wähler. Das weiß jeder, der sich schon einmal irgendwo zur Wahl gestellt hat. Der Erfolg ist nur möglich, wenn man den besten und vertrauensvollsten Kontakt zu seinem Umfeld hat. Diesem Umfeld fühlt man sich verbunden und trägt dafür direkt Verantwortung.

3. Ich bin überzeugt, dass es auch im Interesse des Wählers liegt, den zuständigen Wahlkreisabgeordneten zu kennen. Das erleichtert die Wahlentscheidung, denn ein persönlicher Bezug ist gegeben.

4. Ich halte es für sinnvoll, einen sog. "Deckel" ausschließlich für die kommen Wahlperiode 2021 einzuziehen, sollte eine grundlegende und verfassungsfeste Regelung in dieser Wahlperiode nicht mehr gelingen. Dabei muss der Wert des Direktmandates, aber auch die Listenmandate berücksichtigt werden. Diese Lösung wird wohl vom Verfassungsgericht als Überbrückung toleriert und dokumentiert unseren ernsten Willen zur Reform. Eine Lösung die bspw. über den "Deckel" hinausgehende Überhang- und Ausgleichsmandate streichen möchte, gilt hingegen als deutlich angreifbarer. Durch eine Übergangslösung für die Wahl 2021 werden sich die zukünftigen Abgeordneten zudem nicht dem Vorwurf der ständigen Vergrößerung ausgesetzt sehen. Ideal wäre es natürlich, wenn ein solcher "Deckel" gar nicht erst greifen müsste, allerdings können Mehrheitsverhältnisse zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich vorausgesehen werden.

5. Ich habe kein Verständnis für Forderungen zur Begrenzung, die sich offenbar nicht ernsthaft mit dem Stimmwert auseinandersetzen. Es macht für unsere Demokratie einen riesigen Unterschied, ob die einzelne Stimme noch einem Abgeordneten zugeordnet werden kann oder ob nur eine Liste gewählt wird, deren Zusammensetzung kaum nachvollzogen werden kann. Erschwerend kann hinzukommen, dass die Wähler die zu wählende Person während der ganzen Wahl- und Legislaturperiode nicht zu Gesicht bekommen.

Abschließend würde mich Ihre Meinung zum Verhältnis des Wählers zur Umsetzung seiner Stimme interessieren. Sende Sie mir Ihre Meinung gerne direkt unter georg.kippels@bundestag.de

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Georg Kippels MdB

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