Frage an Gesine Lötzsch bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Gesine Lötzsch
DIE LINKE
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Frage von André E. •

Frage an Gesine Lötzsch von André E. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Lötzsch,

die Haltung der Linken zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr und zum Krieg im allgemeinen war für mich lange Zeit nachvollziehbar und einer von vielen Gründen, der mir ihre Partei sympatisch gemacht hat und ihnen meine Stimme sicherte. Sowohl beim Thema Irak, als auch Afghanistan halte ich ihre Position für richtig.

Die aktuelle Lage in Libyen ist jedoch, aus meiner Sicht, eine andere. Die Motive der einzelnen Natomitglieder gegen Gaddafi werden wahrscheinlich nicht die nobelsten und edelsten sein und auch die Positionen ihm gegenüber noch vor einigen Monaten ist verwerflich. Jedoch ist ihr Handeln vergleichbar mit einer Gruppe von Jugendlichen, die ein paar Nazis mit Gewalt von einem wehrlosen Opfer losreisen.

Gewalt sollte keine Lösung eines Problems sein. Jedoch wird aus Gewalt ohne eine Gegengewalt ein tragisches Massaker, sofern sich der Verteidiger nicht ausreichend wehren kann. Im Vorfeld wäre diese Gewalt sicherlich zu verhindern gewesen, aber während der Eskalation ist es nahezu unmöglich die Dinge auf diplomatischem Weg zu regeln. Das auch die Verteidigung des Opfers nicht Schmerz- und Verlustfrei von statten geht liegt leider in der Natur der Gewalt, aber unterlassene Hilfeleistung, langes Zögern und Abwarten würden mit großer Wahrscheinlichkeit schlimmere Folgen haben.

Der Gedanke, dass der Stärkere den Schwächeren Schütz und Stützt ist in meinen Augen ein grundlegend Linker Gedanke und ein Gegenentwurf zum "Recht des Stärkeren, Besseren und Reicheren" der kapitalistisch geprägten Gesellschaft.

Nun zu meiner Frage: Sollte nicht die gleiche Zivilcourage, die im "Kleinen" Leid und Tot mindern oder gar verhindern kann, sofern man sich in einer deutlich überlegenden Position dem Aggressor gegenüber befindet, auch im "Großen" von Völkern ausgeübt und nicht sogar verlangt werden?

Ich hoffe sie können mir ihre Ansicht zu diesem sehr schwierigen Thema würde mich brennend interessieren.

Mit freundlichen Grüßen
André Eckstein

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Eckstein,

mit der Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates droht aus dem Bürgerkrieg in Libyen ein international geführter Krieg zu werden. So richtig es ist, Gaddafis mörderischem Treiben Einhalt zu gebieten, so falsch ist es, dies mit Krieg erreichen zu wollen. Auch Frankreich, Großbritannien und die USA wissen, welch hohes Risiko mit der Einrichtung einer Flugverbotszone und der faktischen Freigabe von militärischen Interventionen durch den Sicherheitsrat verbunden ist. Die Charta der Vereinten Nationen wird verletzt. Deutschland hat im Weltsicherheitsrat die militärischen Entscheidungen nicht vorangetrieben. Diese Haltung wird nun aus den Reihen von SPD und Grünen kritisiert. Die Kritik ist falsch. SPD und Grüne machen sich wieder zum Vorreiter eines kriegerischen Abenteuers. Sie nutzen dafür das längst widerlegte Argument von Schröder und Fischer, Krieg wäre auch in diesem Falle die ‚Ultima ratio‘. Für DIE LINKE gilt: Krieg ist die Ultima irratio. Wir werden einem Krieg für Öl und einer deutschen Beteiligung daran auf keinem Fall zustimmen.

Die Bundesregierung von Union und SPD hat den libyschen Diktator mit den von ihr 2006 bis 2009 genehmigten Rüstungsexporten von über 83 Millionen Euro aufgerüstet und den Krieg gegen die eigene Bevölkerung für Gaddafi führbar gemacht. Sie hat zu wenig getan, um den wirtschaftlichen Druck auf die Machthaber in Libyen zu erhöhen. Öl- und Geldströme wurden nicht konsequent unterbrochen, ein weltweiter Stopp für Rüstungs- und Munitionslieferungen nicht durchgesetzt. Eine Hilfe in der Flüchtlingsfrage wurde nur nebenbei betrieben. DIE LINKE fordert, eine Kriegsbeteiligung der NATO auszuschließen. Die Bundesregierung muss ihre Enthaltung im Sicherheitsrat nun in politisches Handeln umsetzen und auf Großbritannien, Frankreich und die USA mäßigend einwirken. Deutschland darf sich weder unmittelbar noch mittelbar an einem militärischen Eingreifen beteiligen. Deutschland muss sich dafür einsetzen, dass unter dem Dach der Vereinten Nationen ernsthaft über einen Waffenstillstand aller Konfliktparteien verhandelt wird. Eine militärische Eskalation muss verhindert werden.

Mit freundlichen Grüßen

Gesine Lötzsch

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