Frage an Gesine Lötzsch bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Portrait von Gesine Lötzsch
Gesine Lötzsch
DIE LINKE
93 %
25 / 27 Fragen beantwortet
Frage von Rasmus J. •

Frage an Gesine Lötzsch von Rasmus J. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Lötzsch,

ich möchte Bezug nehmen auf Ihre letzte Antwort zum Thema Krieg in Afgahnistan. Die Bundeswehr ist ohne Frage in einem gefährlichen Einsatz im Rahmen der OEF und ISAF, jedoch gibt es dazu leider keine Alternative!

Wie Herr Stock sagte, gelang es seit sehr langer Zeit keiner Landmacht dieses Land zu befrieden. Deutschland engagiert sich im Rahmen der ISAF nur im Norden des Landes. Dort werden Schulen gebaut und zivilisatorische Strukturen neu errichtet. Wir bewegen uns dort auf völligem Neuland, denn so viel Erfolg hatte, auch das wird durch Hr. Stocks Aussage impliziert, noch keine Macht seit 2400 Jahren! Es ist gefährlich und realitätsfern zu behaupten, dass dieser Einsatz keine Lösung für Probleme bringt! Eine Partei wie Ihre, die laut Programm angeblich für soziale Gerechtigkeit eintritt, kann nicht einfach mit dieser Gerechtigkeit an den Grenzen Deutschlands halt machen! Ich denke es ist schon gerecht, dass nun auch Mädchen zur Schule gehen dürfen.
Die Bundesregierung hat die Lage eben nicht, wie fast alle anderen ISAF-Staaten, falsch eingeschätzt. Jedem war damals klar, dass dieser Einsatz länger als ein paar Tage dauern wird. Die damalige Bundesregierung hat ein sehr realitätsnahes Konzept durchgesetzt, nämlich das einzig richtige: Den Einsatz nicht nur auf das Militär zu beschränken, sondern auch zivile und wirtschaftl. Hilfe anzubieten!
Welche Lösung hält Ihre Partei bereit? Einfach unserer Truppen aus dem Land herauszuholen, unserer Verbündeten und das Land seinem Schicksal zu überlassen, was automatisch zu einer drastischen Erhöhung unserer Gefährdungslage in Europa führt, ist keine Lösung, sondern Populismus mit dem Zweck, einfach eine alternative Wahlmöglichkeit anzubieten!

Sie sagen in Ihrer vorangegangenen Antwort, dass es Sie beschäftigt, dass unschuldige Menschen in diesem Krieg sterben. Das ist der Zweck dieses Einsatzes!
Bitte teilen Sie mir Ihren Konkreten Plan zum Thema Afgahnistan mit!
Mit freundlichen Grüße,
Rasmus Jessen

Portrait von Gesine Lötzsch
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Jessen,

nein, es gibt Alternativen zu diesem Einsatz der Bundeswehr im Rahmen von OEF und ISAF. Es gibt immer Alternativen zum Krieg. Dass Krieg keinen Frieden schafft, meint im Übrigen nicht nur DIE LINKE, sondern auch der frühere Botschafter Deutschlands bei den Vereinten Nationen, Gunter Pleuger, auf die Frage, ob die Bundeswehr mehr Soldaten nach Afghanistan schicken sollte: "Wir können keinen Frieden schaffen, wenn wir im Süden mehr Soldaten einsetzen.Durch Krieg schafft man keinen Frieden." (Berliner Zeitung, 12.02.2008) Dass die Strategie der Nato in Afghanistan gründlich misslingt, ist doch seit langem nicht mehr zu leugnen, und dass es hierzu keine Alternativen geben soll, also im Zweifel mehr Soldaten und mehr Militär geschickt werden sollen und damit zwangsläufig mehr Gewalt geschürt wird, ist doch absurd.

DIE LINKE, die Sie völlig zu Recht als Partei der sozialen Gerechtigkeit bezeichnen, will doch nicht, dass die Menschen in Afghanistan ihrem Schicksal überlassen werden. Ganz im Gegenteil, sie will z.B., dass es nicht nur rechtlich möglich ist, dass Mädchen die Schule besuchen, sondern auch, dass diese überhaupt existieren, Lehrer bezahlt werden und Unterrichtsmaterialien bereitgestellt werden können. Es ist doch ein Armutszeugnis, wenn nach mittlerweile fast sieben Jahren Wiederaufbau nach Unicef-Angaben nur ein Drittel der afghanischen Mädchen zur Schule geht. Nicht weil sie nicht dürften, sondern weil sie es auf Grund der schlechten Infrastruktur nicht können. Um dies zu beheben, bedarf es nicht mehr Militär, sondern finanzielle und zivile Unterstützung für die öffentliche Infrastruktur in Afghanistan. Nun zu ihrer Behauptung der vermeintlich steigenden Terrorismusgefahr, die ja mehr oder weniger dem Zeitgeist entspricht. Sie ist aus folgenden Grund nicht sehr überzeugend, denn die Schlussfolgerung dieser These wäre doch: Die Bundeswehr und ihre Verbündeten müssten in jedes Land, welches die Menschenrechte missachtet und Hort potentieller Terroristen ist, intervenieren.Wäre man konsequent, hieße dass heute Krieg gegen Saudi-Arabien und morgen vielleicht auch gegen Pakistan. Nein, Krieg ist einfach kein Mittel zur Beilegung von politischen Konflikten.

Letzten Endes möchte ich Ihnen einige sehr realitätsnahe Alternativen zur Politik der Bundesregierung in Afghanistan kurz darstellen: Die militärische Gewalt in Afghanistan muss endlich zugunsten von politischem Dialog und zivilem Wiederaufbau beendet werden. Die wirtschaftliche Infrastruktur muss ebenso gefördert werden wie der Aufbau staatlicher Institutionen und zivilgesellschaftlicher Strukturen, vor allem auf lokaler Ebene. Statt die afghanischen Warlords in militärische Freund-Feind-Schemata zu pressen und die einen zu unterstützen, während man die anderen bekämpft, müssen alle Akteure in einen innerafghanischen Dialog über die künftige politische Ordnung eingebunden werden. Auch Verhandlungen über die Intensivierung regionaler Sicherheits- und Entwicklungszusammenarbeit mit den Nachbarstaaten sind anzustoßen. DIE LINKE fordert die Bundesregierung auf, ihre Zusage zur Entsendung einer QRF (schnelle Eingreiftruppe) zurückzuziehen, den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan einzuleiten und die dadurch freiwerdenden Mittel dem zivilen Wiederaufbau zu zuführen. Statt mit seinen NATO-Kollegen über Truppenzuwächse und Einsatzgebiete zu schachern, muss Verteidigungsminister Jung für einen grundsätzlichen Strategiewechsel streiten.

Herr Jessen, die Behauptung, dass es Zweck ist, unschuldige Menschen zu
töten, gehört in ein anderes Jahrhundert und kennt weder die Genfer
Konventionen noch das Völkerrecht.

Für Sie weiterhin alles Gute!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Gesine Lötzsch, MdB

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Gesine Lötzsch
Gesine Lötzsch
DIE LINKE