Was haben EU und NATO Ihrer Ansicht nach in Bezug auf Russland alles falsch gemacht, wie Sie neulich auf einer Kundgebung in Halle sagten?

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Frage von Lukas V. •

Was haben EU und NATO Ihrer Ansicht nach in Bezug auf Russland alles falsch gemacht, wie Sie neulich auf einer Kundgebung in Halle sagten?

Sehr geehrter Herr Gysi,

ich habe Ihnen, als Sie neulich in Halle auf dem Marktplatz redeten, gespannt zugehört. Ich habe, nachdem ich zuletzt unsicher war, wo ich mich politisch verorten kann, durch Sie wieder gemerkt, dass ich viele "linke Werte" teile. Doch bei einer Aussage bin ich stutzig geworden. Sie sprachen eben das in der Frage Genannte aus.
Nun kann ich nachvollziehen, dass EU und NATO durchaus Fehler gemacht haben können, was Russland angeht. Doch haben Sie wirklich alles falsch gemacht? Das klingt für mich sehr danach, dass eben diese beiden weltpolitischen Akteure Mitschuld am Krieg in der Ukraine tragen, den wir beide verurteilen, wie sie ja auch in Halle bekundeten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das meinen - oder irre ich mich?

Ich danke im Voraus für Ihre Antwort und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.

Mit freundlichen Grüßen
ein interessierter Student aus Halle

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr V.,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 3. November.

Ich möchte keinesfalls missverstanden werden. Es war kein Fehler dabei, der den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine rechtfertigen könnte. Deshalb muss er schwer verurteilt werden. Ich werde Ihnen einige Beispiele nennen. Während der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen hatte die NATO versprochen, sich nicht nach Osteuropa zu erweitern. Daran haben sie sich aber nicht gehalten. Es wurden viele osteuropäische Länder in die NATO aufgenommen. Außerdem hat die NATO schon seit geraumer Zeit die Ukraine aufgerüstet. Die EU hat auch nichts unternommen, als die Ukraine Minsk 2 verletzte. Dort war unter Vermittlung von Deutschland und Frankreich vereinbart worden, dass das Donbassgebiet innerhalb der Ukraine autonom werden muss und dort Regionalwahlen unter Aufsicht der OSZE stattzufinden haben. Beides hat die Ukraine vertragswidrig nicht gemacht. Es wurde auch nichts unternommen, als die russische Sprache in der Ukraine verboten wurde. Vor allem gibt es aber einen weiteren Vorfall. Russland bot der Ukraine ein Zollabkommen unter der Bedingung an, dass es keine entsprechende Vereinbarung mit der EU geben darf. Die EU bot der Ukraine ebenfalls ein Zollabkommen unter der Bedingung an, dass es keinen Vertrag mit Russland geben dürfe. Warum konnten beide Seiten nicht den Versuch unternehmen, aus der Ukraine eine Brücke zwischen der EU und Russland zu machen.

Es gibt noch viele weitere Beispiele. Ich wollte Ihnen nur zeigen, was ich meinte.

Mit freundlichen Grüßen

Gregor Gysi

 

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