Frage an Helge Braun bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Portrait von Helge Braun
Helge Braun
CDU
51 %
42 / 83 Fragen beantwortet
Frage von Markus B. •

Frage an Helge Braun von Markus B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Helge Braun,

kennen Sie das GG? Warum wurde der Artikel 23 vom 23.05.1949
Dieses Grundgesetz gilt zunächst im Gebiete der Länder Baden, Bayern, Bremen, Groß-Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern. In den anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen. Gestrichen? Kein GG mehr...

Und was sagen sie zum Artikel 146?
Art 146 Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.

Mit freundlichen Grüßen
Markus Becker

Portrait von Helge Braun
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Becker,

Art. 23 des Grundgesetzes (GG) artikulierte in seiner alten Fassung (a.F.) das Wiedervereinigungsgebot: er definierte den seinerzeitigen Geltungsbereich des GG und formulierte dessen künftige Ausdehnung auf weitere Teile Deutschlands. Da im Zeitpunkt des Inkrafttretens des GG der Parlamentarische Rat als das durch die drei Westmächte mit der Ausarbeitung eines GG beauftragte Organ nur für das Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik handeln konnte, wurde das GG ausdrücklich als Übergangsverfassung bis zur Deutschen Einheit konstruiert. Mit Vollendung der staatlichen Einheit Deutschlands wurde Art. 23 a.F. überflüssig, zumal die automatische Rechtsfolge des Beitritts der früheren DDR zur Bundesrepublik die Inkraftsetzung des GG in dem beigetretenem Gebiet war. Weitere Beitrittsgebiete kamen ohnehin nicht in Betracht, da sich das Beitrittsrecht gemäß Art. 23 S. 2 (a.F.) nur an "andere Teile Deutschlands" richtete.

Im Zusammenhang mit dem "Vertrag über die Europäische Union - EUV" ("Vertrag von Maastricht") vom 07.02.1992 sollte schließlich an die Stelle des "Artikels der Deutschen Einheit" der "Artikel der europäischen Einigung" treten. Die Schlussfolgerung, die Bundesrepublik und damit das GG haben mit der Neufassung des Art. 23 (a.F.) ihre Grundlagen verloren und existierten folglich nicht mehr, da nunmehr kein Geltungsbereich für das GG mehr definiert sei, ist unzutreffend. Nach der im Staatsrecht als herrschender Meinung vertretenen "Drei-Elemente-Lehre" ist der Staat ein Völkerrechtssubjekt, dessen konstituierenden Merkmale das Staatsgebiet, das Staatsvolk und die (effektiv ausgeübte) Staatsgewalt bilden. Dies bedeutet: Die Staatsqualität ist immer dann zu bejahen, wenn ein Staatsgebiet, ein Staatsvolk und eine Staatsgewalt gegeben sind. Ob dieser Staat in seiner Verfassung einen Geltungsbereich verankert hat, ja, ob er überhaupt eine kodifizierte Verfassung besitzt (z.B. Vereinigtes Königreich), ist dabei völlig unerheblich. Um einem Staat Staatsqualität zuzusprechen, bedarf es auch nicht einer expliziten Erwähnung seines Geltungsbereiches in dessen Verfassung. Die Neufassung des Art. 23 GG war folgerichtig für das Fortgelten des Grundgesetzes bedeutungslos.

Die in Art. 146 GG getroffene Feststellung, dass das "Grundgesetz seine Gültigkeit an dem Tage verliert, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist", hat rein deklaratorische Bedeutung, denn der Erlass einer neuen Verfassung, die ggf. das GG ablösen könnte, liegt in der freien Entscheidung des Deutschen Volkes als dem Verfassungssouverän. Durch den Beitritt der früheren DDR zur Bundesrepublik und der damit verbundenen automatischen Rechtsfolge der Geltungsausdehnung auf das Beitrittsgebiet ging das GG aus seiner ursprünglichen Vorläufigkeit im Ergebnis über in eine abschließende, gesamtdeutsche Verfassung.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Helge Braun

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Helge Braun
Helge Braun
CDU