Sehr geehrter Herr Lindh, wie ich Ihren Antworten auf andere Fragen entnehme, werden Sie bei der kommenden Abstimmung zur allgemeinen Impfpflicht mit Ja stimmen.

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Helge Lindh
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Frage von Klaus H. •

Sehr geehrter Herr Lindh, wie ich Ihren Antworten auf andere Fragen entnehme, werden Sie bei der kommenden Abstimmung zur allgemeinen Impfpflicht mit Ja stimmen.

Als 64-Jähriger werde ich in anderthalb Jahren in Rente gehen. Meine Frau, 59, ist seit unserer 2. Impfung in 7/2021 impfgeschädigt (Taubheit in den Fingerspitzen der linken Hand, Parästhesien am ganzen Arm bis hoch zur linken Gesichtshälfte). Ich habe u.a. vor, in der kommenden Rentenzeit mein bis jetzt zu kurz gekommenes Gitarrespielen weiter auszubauen, da es mir Sinninhalt und Entspannung liefert. Die Schädigung meiner Frau, die wir bei der Entscheidung zur Erst-Doppelimpfung mit Biontech Pfizer aufgrund angenommener Seltenheit und Irrelevanz überhaupt nicht in Erwägung gezogen hatten, verursacht Panik in mir. Bitte erklären Sie mir, wie Sie Ihre Entscheidung rechtfertigen, mich mit Blick auf die dann anstehenden staatsgewollten Nötigungen zu Booster-Impfungen zwingen zu wollen. Abschließend bemerkt: Seit Beginn der Pandemie gehören wir aufgrund selbstauferlegter Kontaktbeschränkungen und Vorsichts- und Hygienemaßnahmen mit Sicherheit nicht zu Pandemietreibern oder Gefährdeten.

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Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für ihre Frage. Zunächst erlaube ich mir richtigzustellen, dass die allgemeine Corona-Impfpflicht derzeit inner- wie interfraktionell im Deutschen Bundestag diskutiert wird und die Meinungsbildung des Parlaments wie auch meine persönliche noch nicht abgeschlossen ist. Anders liegt es bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, der ich im Dezember 2021 zugestimmt habe. Zunächst werde ich unterschiedliche Expert*innen und Expertisen hören und es mir dabei bewusst nicht leicht machen, eine Entscheidung zu treffen und mich zugleich dagegen verwehren, diese Lösung als einzig richtige anzusehen.

Sie können davon ausgehen, dass die Entscheidung über eine einrichtungsbezogene Impfpflicht keine einfache war und die Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht keine einfache werden wird. Sie war jedoch notwendig, geboten und das einzig richtige Mittel, um viele weitere Todesopfer zu verhindern und Einschränkungen des öffentlichen Lebens vorzubeugen.

Hinter uns allen liegen schwere Monate – Monate, die verbunden waren mit besonderen Einschränkungen des alltäglichen Lebens, Monate in denen tausende Deutsche Familienangehörige verloren haben, Monate in denen die Ärztinnen und Ärzte auf den Intensivstationen an das äußerste Limit ihrer Belastungsgrenze gekommen sind und weiterhin kommen. Wir wollen daher jetzt - an diesem entscheidenden Punkt in der Pandemie - sicherstellen, dass Menschen, die aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes ein besonders hohes Infektionsrisiko und ein besonders hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben besser geschützt werden. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen oder auch in Einrichtungen der Eingliederungshilfe kommt hier eine besondere Verantwortung zu. Die Menschen, die ihnen zur Behandlung, Versorgung, Pflege oder Betreuung anvertraut sind, können sich zum Teil aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen. Leider ist es so, dass Schätzungen zufolge bei medizinischem Personal und Pflegepersonal trotz der vorhandenen Impfangebote noch relevante Impflücken bestehen. Ungeimpftes Personal stellt aufgrund der besonderen Nähe zu den anvertrauten Menschen in Einrichtungen ein zusätzliches Risiko dar. Deshalb wollen wir alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einrichtungsbezogen beispielsweise in Krankenhäusern, Tageskliniken, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Entbindungseinrichtungen und voll- oder teilstationären Pflegeeinrichtungen zum Nachweis einer COVID-19-Impfung verpflichten, sofern keine medizinische Kontraindikation gegen die Impfung vorliegt. Das ist auch mit unserem Grundgesetz im Einklang. Die Pflicht, einen ausreichenden Impfschutz gegen SARS-CoV-2 aufweisen zu müssen, berührt zwar das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit, auch wenn die Freiwilligkeit der Impfentscheidung selbst unberührt bleibt. Der Eingriff ist aber in der verfassungsrechtlichen Abwägung angemessen, da die überragend wichtigen öffentlichen Ziele des Gesundheitsschutzes verfolgt werden.

Seien Sie versichert, dass Schicksale wie das ihrer Frau selbstverständlich bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Auch wenn alle zugelassenen Impfstoffe die notwendigen Prüfungen durchlaufen haben und als sehr sicher einzustufen sind, kann es zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen, die gewissenhaft und engmaschig durch das Paul-Ehrlich-Institut überwacht werden. Vor diesem Hintergrund werden selbstverständlich Personen, bei denen ärztlich von einer Impfung abgeraten werden muss, von einer Impfpflicht und auch einem Impfnachweis bei geltenden 2G/3G-Regeln ausgenommen.

In den kommenden Wochen werden wir unter Hinzuziehung von Expertinnen und Experten verschiedene Modelle zur Einführung einer Impfpflicht im Deutschen Bundestag diskutieren. Wir werden dies ohne Fraktionsdisziplin als offene Abstimmung zu einer Entscheidung bringen. Auch innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion wird diese Debatte bereits intensiv geführt.

Gerne stehe ich für Rückfragen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Helge Lindh, MdB

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