Frage an Inge Gräßle bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Dr. Inge Gräßle
Inge Gräßle
CDU
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Frage von Karin W. •

Frage an Inge Gräßle von Karin W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Dr. Gräßle,

mit größter Sorge betrachte ich das geplante TiSA-Abkommen.

Sie, als Europaratabgeordneter stehen mit dieser Jahrhundertentscheidung und ihren Folgen in riesiger Verantwortung und Bedeutung für uns Bürger, für unser Land und für die Zukunft unseres Planeten.

Wie kann es sein, daß mit diesem Zeitplan – Offenlegung der Unterlagen im November, Besprechung und spätestens Unterschrift Anfang Januar – alle Fragen umfassend bedacht, diskutiert und die Konsequenzen daraus von Ihnen persönlich geleistet werden kann? Und wo bleibt da die Transparenz gegenüber der Bevölkerung? Ein Abnicken scheint gewollt!

Alle diese Handelsabkommen ob CETA, TTIP, oder TiSA eint im Grunde der Gedanke, der billigste Anbieter bekommt den Zuschlag. Daß dies, wirtschaftlich betrachtet, nur möglich ist, wenn die Kosten gesenkt werden, ist klar. Das bedeutet letztendlich, daß sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern müssen: Arbeitsschutz, Sicherheitsvorkehrungen, Gesundheitsschutz sind zu teuer. Rechte werden abgeschafft und Ressourcen gnadenlos ausgebeutet. Und wenn Widerspruch sich regt? Die privaten „Schiedsgerichte“ werden alles niederschmettern.

Wir Deutsche können stolz darauf sein, daß Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und soziale Errungenschaften und die Würde des Menschen auf hohem Niveau sind.

Wollen wir dies alles den Interessen der Großkonzerne opfern?

Sehen Sie, werte Frau Dr. Gräßle, noch eine Möglichkeit, dieses Rad zu stoppen?

In der Hoffnung auf Ihre ganz persönliche Verantwortung verbleibe ich mit freundlichen Grüßen.

K. W.

Dr. Inge Gräßle
Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau W.,

vielen Dank für Ihre Nachricht, die Sie mit über abgeordnetenwatch.de haben zukommen lassen. Sehr gerne nehme ich dazu Stellung.

Ich setze mich dafür ein, dass das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP und das Handelsabkommen mit Kanada CETA zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht wird. Diesseits wie jenseits des Atlantik eröffnen diese Abkommen eine große Bandbreite vielversprechender Chancen für Unternehmen wie für Verbraucher, für technologische Innovation wie für politische Integration. Auch TiSA, das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen mit dem Ziel den Handel mit Dienstleistungen zu liberalisieren, befürworte ich. Ich bin davon überzeugt, dass die Abschaffung von Handelsbarrieren eine Zunahme des Wirtschaftswachstums in Europa mit sich bringt. Verbraucher profitieren von einer größeren Produktauswahl und einem stärkeren Wettbewerb zwischen Unternehmen.

Vor allem bieten diese Abkommen der EU die unverzichtbare Gelegenheit, ihren globalen wirtschaftlichen und politischen Einfluss zu stärken dank einer vertieften Kooperation mit den USA, Kanada und anderen wichtigen außenpolitischen Partnern. Diese Gelegenheit zu verpassen bedeutet das Risiko einzugehen, dass die Stimme Europas in der Welt zukünftig weniger gehört wird und unsere gemeinsamen Werte wie Demokratie und Menschenrechte an Einfluss verlieren.

Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben 21 TiSA-Verhandlungsrunden stattgefunden, die zu guten Fortschritten geführt haben. Bisher gibt es noch keinen bestimmten Termin für das Ende der Gespräche. Das Ziel der Verhandlungen ist nicht der kleinste gemeinsame Nenner zwischen europäischen und den Vorschriften der anderen Verhandlungspartner, sondern ein umfassender Schutz für Bürgerinnen und Bürger auf höchstem Niveau. Das hat die Europäische Kommission stets klar gemacht.

Die Befürchtungen, dass durch TiSA, CETA und TTIP die hohen europäischen Standards in allen möglichen Bereichen herabgesenkt werden, teile ich nicht. Es geht nicht darum bestehendes EU-Recht auszuhebeln, sondern Ziel ist es, ähnliche Standards, Verfahren oder Vorgehensweisen anzugleichen. Die hohen Sicherheits-, Umwelt-, Produkt-, Lebensmittel-, Gesundheits- und Arbeitsschutzstandards innerhalb der EU bleiben bestehen und gültig. Denn eines ist klar: Die EU wird kein Abkommen unterschreiben, die den bestehenden Umweltschutz untergraben oder Arbeitsschutzrechte einschränken - dasselbe hat z. B. auch die US-Seite immer wieder betont.

Ich hoffe, ich konnte darlegen, warum ich denke, dass das Freihandelsabkommen grundsätzlich größeren Wohlstand innerhalb der USA und der EU verspricht. Gerade in Zeiten von Wirtschafts- und Finanzkrisen ist ein derartiger Aufschwung notwendig und begrüßenswert. Die öffentliche Debatte ist wichtig und notwendig und ich begrüße den Diskurs, doch wir sollten davon absehen ein Abkommen wie TiSA zu verurteilen, das noch nicht zu Ende verhandelt wurde. Und vergessen Sie nicht: Die endgültige Entscheidung über die Abkommen liegt bei den gewählten Regierungen der europäischen Mitgliedstaaten. Entgegen dem Eindruck, den mancher Interessenvertreter vermittelt: Das Abkommen wird nicht in Hinterzimmern beschlossen, sondern in ordentlichen demokratischen und öffentlichen Verfahren! Die Verhandlungsführer müssen sich im Ergebnis an dem messen lassen, was sie zuvor angegeben haben.

Mit freundlichen Grüßen

Inge Gräßle

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