Verstösst das Verbot der Ausbürgerung deutscher Staatsbürger gegenüber der Abschiebung von Schutzsuchenden gegen den Gleichheitssatz gemäß Art 3 Abs. 1 Grundgesetz?

Irene Mihalic
Irene Mihalic
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Thomas P. •

Verstösst das Verbot der Ausbürgerung deutscher Staatsbürger gegenüber der Abschiebung von Schutzsuchenden gegen den Gleichheitssatz gemäß Art 3 Abs. 1 Grundgesetz?

Sehr geehrte Frau Mihalic,

nach heutigem Recht ist eine Ausbürgerung deutscher Staatsbürger nicht möglich, selbst bei extremsten Straftaten. Dagegen sind Abschiebungen von Schutzsuchenden möglich.

Handelt es sich hier nicht um eine Verletzung des Gleichheitssatzes gemäß Art 3 Abs. 1 Grundgesetz?

Existiert somit eine Lücke im deutschen Recht, die es insbesondere Rechtsextremisten ermöglich, selbst Putsche zu planen, aber immer sicher zu sein, dass sie in Deutschland bleiben können?

MfG

Irene Mihalic
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr P.,

 

vielen Dank für Ihre Anfrage und entschuldigen Sie die späte Antwort.

Ich sehe hier keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, denn die Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Die Rückführung in das Herkunftsland von Ausländern ist in keiner Weise vergleichbar mit dem Entzug der Staatsangehörigkeit von Deutschen.

Art. 16 GG stellt zu Recht klar, dass die Staatsangehörigkeit gegen den Willen des Betroffenen u.a. nur dann verloren werden kann, wenn dadurch keine Staatenlosigkeit entsteht. Der Parlamentarische Rat hat Art. 16 Abs. 1 GG in Reaktion auf nationalsozialistisches Unrecht in Form von Ausbürgerungen und Staatsangehörigkeitsaberkennungen formuliert. Die Bedeutung dieser historischen Auslegung wird in Literatur und Rechtsprechung stets hervorgehoben (s. etwa die Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 116, 24, 38). Denn die Staatenlosigkeit hat gravierende Konsequenzen - Betroffene sind häufig vom Schutz nationaler Gesetze ausgeschlossen und haben dadurch keine oder nur eine stark eingeschränkte Garantie grundlegender Sozialleistungen und politischer Rechte. Dies kann den Zugang zum Bildungs- und Gesundheitssystem, dem Arbeitsmarkt sowie die Möglichkeiten zu wählen, zu heiraten, zu reisen und Eigentum zu besitzen umfassen. Darüber hinaus könnte eine staatenlose Person auch in kein anderes Land abgeschoben werden, sondern würde unter sehr prekären Bedingungen weiterhin in Deutschland leben. Es ist aus unserer Sicht absolut abzulehnen, dass Deutschland sich seiner Staatsbürger*innen entledigt, wenn sie Probleme verursachen. Wir können und dürfen unsere eigenen gesellschaftlichen Probleme nicht durch Ausbürgerung lösen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Irene Mihalic

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