Was unternehmen die Grünen, um die berufliche Zukunftsperspektive von Jugendlichen/jungen Erwachsenen zu verbessern?

Irene Mihalic
Irene Mihalic
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Rüdiger S. •

Was unternehmen die Grünen, um die berufliche Zukunftsperspektive von Jugendlichen/jungen Erwachsenen zu verbessern?

Sehr geehrte Frau Mihalic,
ich bin äußerst besorgt um die Zukunftschancen unserer Kinder. Als Dozent an einer Universität habe ich viel mit jungen Erwachsenen zu tun, die ihr Studium absolviert haben und nun im Beruf durchstarten wollen. Nur wenigen gelingt das; viele schreiben sich die Finger an Bewerbungen wund, sind z.T. seit Jahren vergeblich auf der Suche nach einer Anstellung. Da ziehen wir uns eine frustrierte Generation heran, die sicher nicht ewig stillhalten wird.
Welche Perspektive bietet ihnen die Politik?

Irene Mihalic
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr S.,

ich teile Ihre Sorge um die Zukunftschancen unserer Kinder. In vielen Berufen stehen junge Absolvent*innen einem verschlossenen Arbeitsmarkt gegenüber. Grade in der Corona-Pandemie wurden signifikant weniger Menschen eingestellt. So ist die Zahl der angebotenen Stellen im Juli 2020 um 28 Prozent, also ein Drittel gegenüber dem Vorjahr, gesunken. Zwar fanden in allen Personengruppen weniger Menschen einen neuen Job, doch besonders betroffen sind junge Menschen und insbesondere Absolvent*innen, die gerade ihre Ausbildung oder das Studium beendet haben. Die Hürden für einen Berufseinstieg bleiben aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheiten unverändert hoch. Es geht um die Zukunft vieler junger Menschen. Ein nachhaltiger Plan gegen Arbeitslosigkeit insgesamt ist dringend geboten, aber vor allem braucht es umgehend Zukunftschancen für junge Arbeitslose. Nur so kann dafür gesorgt werden, dass wir eine Generation Corona verhindern.

Wir Grüne wollen den Berufseinstieg mit mehreren Instrumenten vereinfachen. Wir schlagen einen Einstiegszuschuss und den Ausbau der Gründungsförderung vor:

Durch den Einstiegszuschuss sollen junge Berufseinsteiger*innen nach ihrer Ausbildung oder Studium beim Start in ihr Erwerbsleben gefördert werden können. Der Berufseinstieg wird erleichtert, indem das Arbeitsentgelt für ein halbes Jahr mit bis zu 50% gefördert wird. Das setzt eine schwierige Arbeitsmarktsituation in der geförderten Branche voraus und ist dementsprechend zielgenau auf Berufe konzentriert, in denen der Einstieg aktuell besonders schwierig ist. Der Einstiegszuschuss ist eine Ermessensleistung, die sich nach den individuellen Arbeitsmarktchancen und der jeweiligen Arbeitsmarktsituation richtet. Zudem soll nach Gewährung des Zuschusses für den Arbeitgeber eine Nachbeschäftigungspflicht in gleicher Dauer der Förderung gelten. Durch den Einstiegszuschuss sollte analog zum Eingliederungszuschuss, der auf Arbeitslose der Rechtskreise SGB II und SGB III mit individuellen Vermittlungshemmnissen zugeschnitten ist, ein ergänzender Zuschuss für schwierige Arbeitsmarktsituationen wie die derzeitige Corona-Krise eingeführt werden.

Weiterhin können Existenzgründungen gerade in diesen Zeiten ein Weg in den Arbeitsmarkt sein. Hier gibt es mit dem Gründungszuschuss ein effektives Mittel, das allerdings vor 10 Jahren von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung massiv zusammengestrichen wurde. Wir wollen den Gründungszuschuss wieder ausbauen und die Selbstständigkeit fördern, indem die erste Förderphase wieder auf neun statt sechs Monate erhöht wird, der Anspruch auf ALG I bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nicht mehr mindestens 150 Tage betragen muss und eine Förderung mit dem Gründungszuschuss grundsätzlich auch für Menschen im SGB II möglich gemacht wird. Der Gründungszuschuss soll arbeitslosen Menschen eine Unterstützung im ersten Jahr einer Existenzgründung und zugleich Interessierten bei Bedarf umfassende Beratung zu Gründungen und Selbstständigkeit bieten. Auch der ökologische Wandel ist auf Innovation und einen Wettbewerb der guten Ideen angewiesen. Ein gründungsfreundliches Umfeld und die Möglichkeit sowie die Beratung zur Selbstständigkeit sind dafür eine elementare Voraussetzungen. Im besten Fall können damit sogar zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden.

Zudem wollen wir Grüne den Einstieg in eine Ausbildung erleichtern. Wir sehen, dass jedes Jahr neu eine Viertelmillion junge Menschen im sog. "Übergangssystem" landen, einer ständigen Warteschleife, die vielen nicht mehr Qualifikation, sondern nur das Warten auf eine betriebliche Ausbildung, bietet. Das wollen wir ändern. Die vielen jungen Menschen sollen gleich in eine Ausbildung gehen können.

Wir Grüne fordern daher seit vielen Jahren eine Ausbildungsgarantie. Diese baut jungen Menschen unabhängig von konjunkturellen Schwankungen auch nach der Krise sichere Brücken in das Berufsleben. Durch die Ausbildungsgarantie sollte neben Bildung in Schulen und Hochschulen auch die Ausbildung staatliche Aufgabe sein. Der Staat soll also auch für Ausbildungsplätze sorgen, bei Bildungsträgern und in den Berufsschulen. Das kostet Geld, aber Bildung kostet eben Geld. Durch den Ausbau der Assistierten Ausbildung und ausbildungsbegleitender Hilfen schaffen so mehr Jugendliche den direkten Übergang in die betriebliche Ausbildung. Wir brauchen zudem wirksame Informationskampagnen und Werbung, speziell im Handwerk.

Zudem wollen wir eine "Jugendberufsagentur" als verantwortliche Stelle für junge Menschen, die in die Berufswelt einsteigen wollen. Sie soll alle Beratungen und Leistungen aus einer Hand und unter einem Dach bieten. Sie berät, unterstützt und vermittelt kompetent und zielgerichtet und stellt die zentrale Ansprechpartnerin für alle Jugendlichen am Übergang von der Schule in den Beruf dar. Durch diese Zusammenführung wird die persönliche Bindung in der Übergangsphase erhöht. Dies stellt sicher, dass auch Jugendliche, die nicht mehr schulpflichtig sind, auf dem Weg in die Ausbildung gut beraten und unterstützt werden können.

Zuletzt möchte ich erläutern, dass wir Grüne grundsätzlich die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung stärken wollen. Diese liegt noch in weiter Ferne. Einerseits geht es darum, Forschungslücken in der beruflichen Bildung zu beseitigen und z.B. eine Sozialerhebung für Azubis zu etablieren. Ein weiteres dickes Brett ist die Einstellungspraxis, sowohl in den Unternehmen als auch im öffentlichen Dienst. Laufbahnregelungen und das Tarifrecht müssen flexibilisiert werden, damit Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung sich nicht nur auf dem Papier wiederfinden, sondern auch in der Einstellungspraxis.

Wir müssen jetzt in Ausbildung, aber auch in Qualifizierung und Weiterbildung investieren!

Ich hoffe, ich konnte Sie von unseren Vorschlägen für einen besseren Berufseinstieg für Jugendliche und junge Erwachsene überzeugen.

Mit freundlichen Grüßen

Irene Mihalic

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