Bürgerversicherung für alle Gesellschaftsschichten wie realisieren?

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Jamila Anna Schäfer
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Hugo M. •

Bürgerversicherung für alle Gesellschaftsschichten wie realisieren?

Sehr geehrte Frau Schäfer,
in einer vorhergehenden Antwort betreffend der Bürgerversicherung beschreiben Sie, daß bürokratische Vorgänge abgebaut werden müssen, daß Selbständige leichter Zugang zur gesetzlichen Versicherung erhalten müssen. Das sehe ich ebenfalls so.
Allerdings, im Rahmen des Fairnessprinzips und der Leistungsgerechtigkeit ist es ebenfalls absolut notwendig, daß vorallem privilegierte, durch den Steuerzahler alimentierte Gruppen wie Politiker und Beamte verpflichtet werden ebenso gleichermaßen in die gesetzliche Kranken- oder Rentenkassen einzuzahlen um der gesellschaftlichen Spaltung entgegen zu wirken und die Rentengerechtigkeit für zukünftige Generationen sicher zu stellen.
Durch welche Maßnahmen können Ihres Erachtens nach diese gesellschaftlichen Ungleichgewichte beseitigt werden?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr M. .

Es ist ein grundlegendes Problem, dass unsere Sozialversicherungen lediglich Zwangsversicherungen für Arbeiterinnen und Angestellte sind. Gutverdienende können die gesetzlichen Sozialversicherungen verlassen, um nach persönlich vorteilhafteren Lösungen der Krankenversicherung oder der Alterssicherung zu suchen. Mitglieder der privaten Krankenversicherung versichern dabei nur ihr eigenes, meist unterdurchschnittliches Krankheitsrisiko. Das widerspricht dem Solidaritätsgedanken, der diesen Versicherungen zugrunde liegt und ist zutiefst ungerecht. Wir GRÜNE wollen deshalb die Sozialversicherungen (Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung) zu Bürgerinnenversicherungen umbauen. In die Bürgerinnenversicherung sollen alle Bürgerinnen einzahlen, auch Beamtinnen, Freiberuflerinnen, Selbstständige und Politiker*innen. Und es sollen alle Einkommensarten Mieten, Zinseinkünfte usw. in die Beitragsberechnung einbezogen werden. Das stabilisiert unsere Renten- und Krankenversicherung gleichermaßen. 

Die Einbeziehung der privat Versicherten in den Solidarausgleich wollen wir über den Gesundheitsfonds erreichen, über den bereits aktuell der Solidarausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung abgewickelt wird. Die einzelnen gesetzlichen Krankenkassen reichen alle Beitragseinnahmen inkl. der Zusatzbeiträge weiter an den Gesundheitsfonds. Hinzu kommt ein Bundeszuschuss aus dem Bundeshaushalt. Aus diesem Fonds erhalten die Krankenkassen für jeden ihren Versicherten eine nach Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand errechnete Zuweisung. Die Zuweisung entspricht den jeweiligen standardisierten durchschnittlichen Kosten die z.B. jemand in einem bestimmten Alter mit bestimmten Erkrankungen im Jahr verursacht. 

In unserem Vorschlag bekommt der Gesundheitsfonds eine weitere Funktion: Die privat Versicherte zahlen monatlich einen einkommensabhängigen Beitrag an diesen Fonds (Kinder und Versicherte mit sehr geringen Einkommen sind von der Beitragszahlung befreit). Im Gegenzug erhalten alle PKV-Versicherten (auch Kinder) einen Zuschuss zu ihrem monatlichen PKV-Beitrag (in der PKV „Prämie“ genannt). Der Zuschuss entspricht in der Höhe etwa dem, was auch gesetzliche Krankenkassen pro Kopf für einen vergleichbaren Versicherten erhalten würden. Dabei zählt das Alter beim Wechsel in die PKV. Beispiel: Ein Handwerker ist im Alter von 25 Jahren in die PKV gewechselt. Als er wechselte, war er bereits an Diabetes 1 erkrankt. Der Zuschuss aus dem Gesundheitsfonds entspricht dem Betrag, den die gesetzlichen Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds für einen 25jährigen männlichen Versicherten mit Diabetes 1 erhalten. Der Zuschuss wird jährlich angepasst, damit auch Kostensteigerungen berücksichtigt werden. Maßgeblich sind aber immer die Vergleichskosten in der gesetzlichen Krankenversicherung. 

Ich hoffe ich konnte Ihre Frage beantworten!

Mit freundlichen Grüßen,
Jamila Schäfer

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