Frage an Jan Philipp Albrecht bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Jan Philipp Albrecht
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Frage von Reinhard G. •

Frage an Jan Philipp Albrecht von Reinhard G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Albrecht,

der folgende Artikel hat mich sehr erschreckt: http://www.zeit.de/politik/2016-05/ceta-eu-kommission-anwendung-bundestag

ich hoffe doch sehr, dass nicht versucht wird, Ceta vorläufig in Kraft zusetzen? Nach den vielen Protesten und Demonstrationen gegen die Freihandelsabkommen, den vielen Unterschriften, wäre das fatal. Sollten nicht alle Parlamente demokratisch über Ceta entscheiden? Sollte nicht das (Rest)-Vertrauen in die Demokratie gestärkt werden – indem unsere Demokratie umfassend gestärkt wird? Sehen Sie die Gefahr, dass u.a. sehr rechte Parteien mehr Zulauf erhalten, wenn über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden wird?

Besteht tatsächlich die Gefahr, dass Ceta vorläufig in Kraft gesetzt wird? Wenn ja – wie kann das verhindert werden?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Großmann,

zunächst vielen Dank für Ihre Frage. Ich kann sehr gut verstehen, dass Sie der Zeitartikel zum Ceta-Abkommen erschreckt und Sie sich fragen, wieviel Mitspracherecht die nationalen Parlamente bei der Ratifizierung von Freihandelsabkommen überhaupt haben.

Das Mitspracherecht der nationalen Parlamente hängt grundsätzlich davon ab, ob es sich um ein „gemischtes“ oder ein „reines“ EU-Abkommen handelt. Bei einem gemischten Abkommen müssen an der Ratifizierung auch die Parlamente der einzelnen EU-Mitgliedstaaten beteiligt werden, wohingegen bei einem reinen Abkommen die Parlamente der Mitgliedstaaten nur indirekt über ihre jeweilige Regierung im Ministerrat der EU in den Entscheidungsprozess einbezogen werden und daneben nur das Europäische Parlament seine Zustimmung erteilen muss. Für die Frage, ob ein Abkommen als reines oder als gemischtes EU-Abkommen eingestuft wird, ist entscheidend, ob es Themen beinhaltet, für die die EU keine eigene Zuständigkeit hat. Fehlt der EU eine eigene Zuständigkeit, müssen die EU-Mitgliedstaaten als Vertragspartner einbezogen werden.

Und genau um diese Frage geht es derzeit. Die EU-Kommission hat jüngst dazu einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt, in der sie Ceta als reines Abkommen einstuft. Jetzt können die Mitgliedstaaten diesen Vorschlag noch mit einer qualifizierten Mehrheit die EU-Kommission überstimmen und eine Einordnung als gemischtes Ankommen durchsetzen sowie die Verabschiedung des Abkommens auf unbestimmte Zeit blockieren.

Obwohl eine Vielzahl von Experten davon ausgeht, dass es sich bei Ceta dennoch um ein gemischtes Abkommen handeln müsste (insbesondere wegen des umstrittenen Investorengerichtssystems, das in Ceta vorgesehen ist), hat es bislang keine Regierung eines EU-Mitgliedslandes beantragt, das Ceta ein gemischtes Abkommen sein sollte - lediglich wollen einige Regierungen (wie die Bundesregierung) ihr nationales Parlament dennoch befragen (etwa weil sie, wie in Deutschland, dazu ohnehin gezwungen sind) wie sie sich als Regierung im EU-Ministerrat zu Ceta verhalten sollen. Letzteres hat mit der Frage eines gemischten EU-Abkommens allerdings nichts zu tun.

Es besteht jedoch nicht die Gefahr, dass Ceta ohne irgendeine parlamentarische Abstimmung in Kraft gesetzt wird. Das Europäische Parlament muss das Abkommen annehmen bzw. kann dieses noch ablehnen. Wir Grüne lehnen Ceta in der jetzigen Form, vor allem wegen des Investorengerichtssystems, ab und werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass dem Vertragstext sowohl im Europäischen Parlament als auch im Bundestag bzw. Bundesrat nicht zugestimmt wird.

Ich hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte.

Mit freundlichen Grüßen
Jan Philipp Albrecht