Frage an Jimmy Schulz bezüglich Finanzen

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Jimmy Schulz
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Frage von Franz F. •

Frage an Jimmy Schulz von Franz F. bezüglich Finanzen

sehr geehrter herr schulz,

sind die erläuterungen zum ESM vertrag, wie sie in dem video dargestellt wurden, richtig wieder=
gegeben? ( http://www.marktorakel.com/index.php?id=8623875144565303450 )

Frank

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Sehr geehrter Herr Frank,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Am Freitag, den 29. Juni 2012 haben wir in einer langen Sitzung des Deutschen Bundestages bis in die späten Abendstunden den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und den Fiskalpakt debattiert und beschlossen. Gerne möchte ich Ihnen erläutern, wie ich dazu stehe.

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass es Missverstände in der Kommunikation gab. Die Gespräche der Kanzlerin beim EU-Gipfel am 28. und 29. Juni 2012 hatten keinerlei Auswirkungen auf das, was am Freitag, den 29.Juni 2012 im Bundestag abgestimmt wurde. Beim ESM und beim Fiskalpakt gab es keine Veränderungen. Es wurde der im Vorfeld innerhalb der Koalitionsfraktionen sowie mit der Opposition und auch den Bundesländern erreichte Kompromiss abgestimmt.

Die Einzelheiten für den erleichterten Euro-Schirm-Zugriff soll die Eurogruppe allerdings erst auf ihren nächsten Treffen ausarbeiten. Hier müssen wir sehr aufmerksam sein. Diese Ergebnisse müssen dann aber erneut vom Parlament bestätigt werden. Unser Fraktionsvorsitzender, Rainer Brüderle, hat im Namen der gesamten FDP-Bundestagsfraktion vor dem Deutschen Bundestag bestätigt: „Wir sind alle für eine stark ausgebaute Parlamentsbeteiligung. Deshalb sind wir 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche bereit, zu beraten und zu entscheiden. Das kann ich für meine Fraktion erklären.“

Am Freitag, den 29. Juni 2012 wurde spät Abends im Bundestag abgestimmt. Mit einer deutlichen 2/3-Mehrheit hat sich der Deutsche Bundestag für mehr Europa entschieden.[1] Ich weiß, dass viele dieser Entscheidung sehr kritisch gegenüber stehen, was ich sehr gut verstehen kann und ich kann Ihnen versichern, dass mir die Entscheidung nicht leicht gefallen ist. Deshalb möchte ich Ihnen meine Gründe nennen.

Wenn man Verantwortung für ein stabiles Europa auch in Zukunft übernehmen möchte, muss man die Interessen sorgfältig abwägen. Es gibt kein Richtig oder Falsch in diesem Fall, da kein Experte in die Glaskugel schauen kann und mit Sicherheit sagen kann, was die ideale Lösung wäre. Es ist deshalb die fundamentale Frage zu beantworten, wie wir uns Europa in Zukunft vorstellen. Und da habe ich eine klare Haltung: Ich bin für ein stabiles, starkes und bürgerfreundliches Europa. Das heißt, dass Deutschland große Vorteile (z.B. Wirtschaftswachstum, offene Grenzen und gegenseitige Solidarität) erwarten darf, gleichzeitig aber auch als größte Wirtschaftsmacht Verantwortung übernehmen muss und Vorbild sein muss. Mit der Stimme für den ESM und den Fiskalpakt sehe ich dieses Europa zukünftig eher verwirklicht, als ohne. Daher habe ich abgewogen und mich letztendlich entschieden, dafür zu stimmen.

Nicht zu vergessen ist übrigens auch der Mitgliederentscheid 2011, den die FDP als einzige Partei durchgeführt hat. Dort hat die Position pro ESM die Mehrheit gefunden. Dies war für mich ebenfalls ein Argument, dafür zu stimmen.

Ich möchte Ihnen hier gerne ein paar positive Meilensteine aufzeigen, die beschlossen wurden, sowie die liberalen Schwerpunkte bei den Verhandlungen verdeutlichen:

· Die wesentliche Regelung des Fiskalvertrages ist die Verpflichtung aller unterzeichnenden Staaten, eine Schuldenbremse in ihre nationalen Rechtsordnungen einzufügen. Die Umsetzung der Vorgaben für innerstaatliche Schuldenbremsen wird durch ein sanktionsbewehrtes Klageverfahren beim EuGH sichergestellt. Darüber hinaus werden zukünftig Verfahren im Falle eines übermäßigen Defizits quasi automatisiert eingeleitet und durchgeführt. Mitgliedstaaten, die sich in einem Defizitverfahren befinden, müssen ein Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramm mit konkreten Strukturreformen auflegen, das von Rat und Europäischer Kommission genehmigt und überwacht wird.

· Leistungen des ESM werden nur gemeinsam mit einem entsprechenden Anpassungsprogramm gewährt, das die Ursachen der fiskalpolitischen Schwäche des jeweiligen Mitgliedstaates beseitigt. Die Bundesregierung hat auch beim Gipfel der Eurogruppe am 28. und 29. Juni 2012 erneut mit Erfolg ein Aufweichen dieser Bedingung verhindern können.

· Staaten, die den Fiskalvertrag nicht umsetzen, sollen keine neuen Hilfsprogramme bekommen. Deshalb haben wir stets darauf bestanden, dass in Deutschland beide Verträge gemeinsam ratifiziert werden.

· Mit der gesetzlichen Umsetzung des sog. Collective Action Clauses (CAC´s) wurde ein wichtiger ergänzender Baustein zu Fiskal- und ESM-Vertrag gesetzt. Eine Beteiligung privater Gläubiger kann nun Wesentlich erleichtert werden.

· Alle wesentlichen Entscheidungen, die der ESM treffen kann, müssen einstimmig durch die Finanzminister des Euro- Währungsgebiets getroffen werden, womit Deutschland jederzeit ein Vetorecht zukommt. Mit dem ESM-Finanzierungsgesetz haben wir dieses Vetorecht dem Deutschen Bundestag übertragen, indem dem Abstimmungsverhalten des deutschen Vertreters im Gouverneursrat ein umfangreicher Parlamentsvorbehalt vorgeschaltet wurde. Dieser umfangreiche Parlamentsvorbehalt geht auf Initiative und Drängen der FDP zurück und setzt sich aus dem bisherigen Rettungsschirm EFSF fort.

Weitere liberale Schwerpunkte bei den Verhandlungen:

Die FDP konnten wesentliche liberale Forderungen durchsetzen und hat somit einen großen Beitrag zur Verbesserung der Gesetze geleistet.

· Die FDP konnte Forderungen der Sozialdemokraten und der Grünen abwehren, Eurobonds und eine Bankenunion einzuführen.

· Die Grünen hatten weiterhin die Idee, alte Schulden aus Griechenland und Italien mit deutschen Steuergeldern zu tilgen. Das ist für uns keine Lösung. Die Grünen sind mit ihrer Forderung nach einem Altschuldentilgungsfonds nicht durchgekommen. Rainer Brüderle kommentierte das deutlich: „Mit einem Schuldensozialismus ist niemandem gedient“.

· Die SPD hatte u.a. weitreichende Forderungen nach einer bedingungslosen Finanzmarktsteuer und einem Schuldentilgungsfonds für die ganze Eurozone gestellt. Wir wollen jedoch nicht, dass es zu negativen Folgen für die Bürger und die Wirtschaft in unserem Land kommt. Die Errichtung eines Schuldentilgungsfonds, der zu einer Haftung Deutschlands für rund 2.300 Mrd. Euro europäischer Schulden und einem Fortgang der europäischen Schuldenparty durch Zinssozialismus geführt hätte, konnte durch unseren Einsatz gänzlich verhindert werden! Das wäre letztlich zulasten der Steuerzahler in Deutschland gegangen.

· Die FDP hat ihre Forderungen durchgesetzt und dafür gesorgt, dass eine angemessene Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Krisenbewältigung nicht nur eine leere Formel bleibt.

Was muss man in Zukunft ändern?

Europa muss demokratischer und transparenter werden. Die Rechte des Europäischen Parlaments müssen meiner Ansicht nach gestärkt werden. Weiterhin sollten Instrumente der Direkten Bürgerbeteiligung ausgebaut werden. Zwar gibt es seit April 2012 die Möglichkeit einer Europäischen Bürgerinitiative, allerdings kann das nur der Anfang von mehr Mitbestimmung sein. Durch das Internet und neue Programme gibt es heute ganz neue Möglichkeiten zu informieren und Interessierte in Entscheidungen einzubinden. Das müssen wir dringend auch auf EU-Ebene voranbringen. Hierfür werde ich mich verstärkt einsetzen.

Die FDP-Bundestagsfraktion und damit auch ich werden die folgenden Gespräche und Verhandlungsrunden in Brüssel mit größter Aufmerksamkeit und kritisch hinterfragt betrachten.

Jimmy Schulz