Wann kommt das AfD Verbotsverfahren in Gang?
Sehr geehrter Herr Herrmann,
das Bundesverwaltungsgericht hat im Compact-Urteil klargestellt, dass Martin Sellners sogenanntes Remigrationskonzept menschenwürdewidrig ist. Damit gilt: Wer es politisch übernimmt, verstößt gegen Artikel 1 des Grundgesetzes. Genau das tut die AfD. Seit 2025 nutzt sie „Remigration“ in Programmen und Kampagnen und bezieht sich damit auf ein Konzept, das die Vertreibung von Asylbewerbern, legalen Einwanderern und sogar „nicht assimilierten“ Staatsbürgern vorsieht. AfD-Funktionäre setzen diese Ideen bereits praktisch um. Wer Remigration fordert, fordert Verfassungsbruch. Dennoch scheuen viele Politikerinnen und Politiker ein Prüfverfahren nach Artikel 21 GG – aus Angst vor politischer Eskalation, juristischen Risiken oder dem Vorwurf, ein Verbot sei undemokratisch. Doch das Gericht hat die Linie gezogen. Jetzt muss sie verteidigt werden.
Sind Sie endlich mit dabei?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr P.,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 25. November 2025, in der Sie sich für die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die Partei Alternative für Deutschland (AfD) einsetzen. Hierzu kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Nach Art. 21 Abs. 2 GG sind Parteien verfassungswidrig, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit ist dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten (Art. 21 Abs. 4 GG). Der Antrag kann vom Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung gestellt werden; eine Landesregierung kann den Antrag gegen eine Partei stellen, deren Organisation sich auf das Gebiet ihres Landes beschränkt (§ 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVerfGG). Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13) stellt an das Verbot von Parteien sehr hohe Anforderungen.
Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) hat im Sommer 2022 die Beobachtung der AfD aufgenommen, um aufzuklären, ob und inwieweit die AfD als Gesamtpartei aktuell von einer verfassungsfeindlichen Grundtendenz beherrscht wird. Das Verwaltungsgericht München hat mit Urteil vom 1. Juli 2024 (Az. M 30 K 22.4912) die gegen die Beobachtung gerichtete Klage des Bayerischen Landesverbandes der AfD abgewiesen. Das BayLfV darf die AfD somit weiterhin beobachten und die Öffentlichkeit über diese Beobachtung informieren. Das BayLfV – so das Verwaltungsgericht – gehe zu Recht davon aus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der AfD als Gesamtpartei bestünden. Aus den vorgelegten Belegen ergebe sich in der notwendigen Breite und Tiefe, dass jedenfalls von Teilen der AfD die Menschenwürde von Menschen mit Migrationshintergrund sowie Personen muslimischen Glaubens und das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip angegriffen würden. In deutlicher Häufung – teilweise durch hochrangige Vertreter – würden Bedrohungs- und Schreckensszenarien mit Blick auf Menschen mit Migrationshintergrund und muslimischen Glaubens hervorbeschworen, die teilweise sogar bis zur Behauptung eines Bevölkerungsaustauschs gehen würden. Zudem lägen Äußerungen vor, die auf einem ethnisch-biologischen Volksverständnis basierten, das darauf abziele, auch deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund menschenwürdeverletzend auszugrenzen. Ferner würde nicht nur die Amtsausübung einzelner politischer Amtsträger in zulässiger Weise kritisiert, sondern es würden auch staatliche Institutionen insgesamt in verfassungsschutzrelevanter Weise verächtlich gemacht. Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 20.05.2025 (Az. 6 B 23.24) eine Beschwerde der AfD gegen die Nichtzulassung der Revision bezüglich des Urteils des OVG Münster vom 13. Mai 2024 zurückgewiesen, mit dem – wie schon in der Ausgangsinstanz – eine Klage der AfD, die sich gegen ihre Einstufung als „Verdachtsfall“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz richtete, abgewiesen worden ist.
Das sind alles wichtige Schritte. Ich muss aber immer wieder darauf hinweisen, dass sich die Voraussetzungen für eine solche Einstufung von den Anforderungen, die das Grundgesetz an ein Parteiverbot stellt, deutlich unterscheiden. Mit anderen Worten: Die Einstufung einer Partei als extremistisch vermag noch nicht zwangsläufig ein erfolgreiches Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu begründen. Ich bin skeptisch, ob derzeit alle für ein Verbot erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Selbstverständlich ist die Bayerische Staatsregierung aber nicht untätig: Wir haben im Kreise der Innenministerinnen und -minister von Bund und Ländern eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet. Für den Fall, dass in einem aktuell vor dem Verwaltungsgericht Köln anhängigen Eilverfahren die Anfang Mai durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) vorgenommene, aber aufgrund einer Stillhaltezusage einstweilen ausgesetzte Hochstufung der AfD als „gesichert extremistische Partei“ bestätigt wird, wollen Bund und Länder einheitliche Sichtweisen zu folgenden Themen entwickeln: Auswirkungen einer Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch auf Fragen des öffentlichen Dienstes und des Dienstrechtes, auf das Waffenrecht sowie auf Sicherheitsüberprüfungen. Die Auftaktsitzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat am 18. September 2025 stattgefunden. Ein ausführlicher, gemeinsamer Beratungs- und Prüfungsprozess wurde eingeleitet.
Wir waren uns auf der Innenministerkonferenz einig: Wer in den öffentlichen Dienst eintritt, sei es als Polizeibeamter, Finanzbeamter oder Lehrer muss die Gewähr bieten, jederzeit für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten. Vor diesem Hintergrund haben wir in Bayern die AfD in das Verzeichnis extremistischer oder extremistisch beeinflusster Organisationen aufgenommen, das Bewerberinnen und Bewerbern für den öffentlichen Dienst bei der Einstellung im Rahmen der Prüfung der Verfassungstreue vorgelegt wird. Das ermöglicht es uns, bei einer angegebenen Mitgliedschaft in der AfD ganz genau hinzuschauen und jeden Einzelfall zu prüfen.
Seien Sie versichert, dass unsere Sicherheitsbehörden die Entwicklung im Bereich des Rechtsextremismus und gerade bei der AfD genau im Blick haben, dokumentieren und bewerten. Die Staatsregierung nimmt die Gefahren, die von jedweder Art von Extremismus für die freiheitliche demokratische Grundordnung, die Sicherheit und Integrität der Bevölkerung und die Friedlichkeit des Zusammenlebens in unserer plural geprägten Gesellschaft ausgehen, seit jeher sehr ernst und bekämpft diese unter Nutzung aller rechtlich möglichen und erfolgversprechenden Instrumente entschieden.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann, MdL
