Frage an Joachim Schuster bezüglich Finanzen

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Joachim Schuster
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Frage von Matthias W. •

Frage an Joachim Schuster von Matthias W. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Schuster,

meine Fragen betreffen grundsätzlich die Finanzwirtschaft. Doch ganz offensichtlich gibt es große Unterschiede zwischen Buchgeld und Banknoten/Münzen, die ja "unser" gesetzliches Zahlungsmittel sind.

Ist es zulässig, daß auf das Geld, welches von Kreditinstituten aus dem Nichts geschöpft wird (Buchgeld), Zinsen von Kreditnehmern verlangt werden, die real erwirtschaftetes Geld (gesetzliches Zahlungsmittel) dafür aufbringen?
Da z.B. Arbeitnehmer eben keine Möglichkeit haben, Geld zu "schöpfen" sondern es sich durch Arbeit verdienen müssen.

Hier ist die äußerst interessante Aussage zu diesem Thema des Landgerichts Bozen nachlesbar:
http://humaneconomy.it/deutsch/suedtiroler-volksbank-gesteht-am-landesgericht-bozen-die-geldschoepfung-aus-dem-nichts-ein/

Hat der Staat (wir Steuerzahler) wirklich -gesetzlich rechtssicher festgestellte- Schulden bei (privaten) Kreditinstituten? Liegt nicht auch hier o.g. Sachverhalt vor?

Wenn Banken vom Staat mit Steuergeldern (die wir als Bürger/Arbeitnehmer real erwirtschaftet haben) "gerettet" werden, gehören diese Banken doch dem Staat. Zumindest mal anteilig zur hineingepumpten staatl. Geldleistung.

Wenn der Staat bei eben dieser Bank Kredite laufen hat (Staatsverschuldung), müßten diese doch im gleichen Maßstab gelöscht sein?

Wieso darf eine Hypothekenbank Vorfälligkeitsentschädigung beim Eigentumswohnungsverkauf (privat und zudem selbst bewohnt) verlangen, mit der Begründung ihr sei ein Zinsschaden entstanden weg. vorzeitiger Rückzahlung?
Ist es nicht vielmehr so, daß die Bank mit dem früher zurück bezahltem Kredit gleich wieder frisches Kapital
(nebst Kredithebeleffekt) ausgeben kann und somit gar kein behaupteter Schaden eintritt?
Dazu genügt es, soweit ich weiß, daß die Bank selbst nur 10% reales Geld besitzt, kann aber weitaus höhere Kredite ausgeben und darauf auch noch Zinsen kassieren.

In gespannter Erwartung Ihrer Aussage verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

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Sehr geehrter Herr W.,

zunächst muss ich vorausschicken, dass ich kein Experte für Finanzwirtschaft bin. Allerdings möchte ich ihnen doch in der gebotenen Kürze antworten.

In unserer heutigen Gesellschaft existiert Geld nicht nur durch die Produktion von Banknoten und Münzen sondern auch im Zusammenspiel von Kreditvergabe der Zentralbank an Geschäftsbanken und deren weitere Kreditvergabe, die allerdings einen gesetzlichen Rahmen einhalten müssen. Es ist dabei auch grundsätzlich zulässig, dass Geschäftsbanken auf ihre Kredite Zinsenerheben. Es handelt sich nämlich nicht um die Weitergabe geschenkten Geldes der Zentralbank sondern um einen neuen Geschäftsvorgang, für den die Geschäftsbank einen gewissen Aufwand hat und auch Risiken eingeht. Im Extremfall kann dies sogar zu einer Pleite der Bank führen, wenn die ausgegebenen Kredite nicht mehr hinreichend bedient werden. Das dieser Geschäftsvorgang faktisch auch Geldschöpfung ist dabei nicht bedeutsam.

Der Staat hat sich in der Tat auch bei privaten Geschäftsbanken verschuldet. Hier gilt das Gleiche wie bei privaten Kreditnehmern: Er muss Zinsen bezahlen. Es stellt sich hier allerdings die Frage, ob es sinnvoll ist, sich bei Geschäftsbanken zu verschulden, oder ob der Staat andere Wege nutzen sollte, etwa eine Verschuldung bei der Zentralbank.

Eine Vorfälligkeitsentschädigung darf eine Bank nur in der Höhe verlangt werden, in der der Bank ein zusätzlicher Aufwand bzw. ein Schaden entstanden ist. Zum einen hat die Bank Kosten für die Abwicklung des Geschäfts. Zum anderen stellt sich die Frage, ob die Bedingungen, zu der die Bank das zurückerhaltene Geld wieder erneut verleiht schlechter sind, als bei dem ursprünglichen Kredit. Bei Zweifeln an der Angemessenheit der verlangten Entschädigung ist auch eine gerichtliche Überprüfung möglich.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Schuster

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