Im März 22 gab es in Istanbul Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland. Sollte es jetzt wieder Verhandlungen geben um endlich Frieden zu erreichen?

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Joachim Schuster
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Frage von Reinhard G. •

Im März 22 gab es in Istanbul Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland. Sollte es jetzt wieder Verhandlungen geben um endlich Frieden zu erreichen?

Sehr geehrter Herr Schuster,
die Ukraine legte damals einen 10-Punkte-Friedensplan vor und wollte auf die Nato-Mitgliedsschaft verzichten.
https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Waffenstillstand_und_Frieden_Ukrainekonflikt.pdf
(Hier sind noch eine Reihe von friedenspolitischen Initiativen aufgeführt)

Laut dem ukrainischen Chefunterhändler Dawyd Arachamija kam Boris Johnson nach Kiew und sagte, dass die Ukrainer überhaupt nichts unterschreiben und weiter kämpfen sollten.
https://www.berliner-zeitung.de/news/boris-johnson-fraktionsvorsitzender-der-selenskyj-partei-ukraine-krieg-haette-2022-beendet-sein-koennen-li.2162278

Was denken Sie? Sollten jetzt wieder Friedensverhandlungen aufgenommen werden, um Tod und Leid endlich zu beenden?

Es werden viele Milliarden für Waffen ausgegeben. Was wird in der EU von der Politik getan, um Friedensverhandlungen zu fördern?

Nach Kapitel I, Artikel 1, Satz 1 der UN-Charta sind Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln beizulegen.
MfG

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr G.,

ich bin davon überzeugt, dass diplomatische Initiativen dringend verstärkt werden müssen, um zunächst einen Waffenstillstand zu erreichen, als Basis für weitergehende Friedensverhandlungen. Dies wird sicher kein einfacher Weg sein, weil komplizierte territoriale Fragen gelöst werden müssen. Ebenso wird es schwierig werden, glaubwürdige Sicherheitsgarantien für beide Seiten zu vereinbaren.

Um solche Verhandlungen in Gang zu setzen, wird es wesentlich sein, Russland zu einem konstruktiven Verhalten am Verhandlungstisch zu bewegen. Dies wird es erfordern, dass alle wesentliche Staaten der Weltgemeinschaft - insbesondere auch China - dafür gewonnen werden, auf eine diplomatische Lösung des Krieges zu drängen. Das ist aber möglich, weil immer offensichtlicher wird, dass militärisch der Krieg für beide Seiten keine vernünftigen Zukunftsperspektiven bietet.

Inwieweit dabei die Verhandlungen aus den ersten Monaten des Krieges noch einmal konstruktiv aufgegriffen werden können, müssten Unterhändler eruieren.

Ich bin davon überzeugt, dass eine Fortführung des Krieges weder für die Ukraine noch für Russland erfolgversprechend sein wird. Mag sein, dass das aktuelle militärische Patt durch einige Geländegewinne Russlands abgelöst wird. Der Preis sind aber auf jeden Fall zig-tausende tote oder schwer verwundete Soldaten auf beiden Seiten. Und selbst ein vorläufiger militärischer Sieg Russlands würde nicht zu einem Frieden führen und wäre damit der Beginn langwieriger Auseinandersetzungen auf dem Gebiet der Ukraine in den nächsten Jahren.

Vor diesem Hintergrund halte ich auch die Diskussion über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern für fatal. Erstens sagen alle sogenannten Experten, dass auch diese Waffe kein militärischer Game-Changer wäre. Zweitens wäre die Lieferung der nächste Schritt in einer weiteren Eskalation. Selbst wenn Russland diese Waffe nicht als Eintritt Deutschlands in den Krieg werten würde - was keineswegs gesichert ist -, wäre zumindest als Antwort ein weiterer Eskalationsschritt Russlands in dem Krieg zu erwarten. Unterm Strich bedeutet eine Lieferung der Taurus Marschflugkörper keinen wesentlichen militärischen Vorteil der Ukraine aber eine weitere Eskalation des Krieges.

Deswegen: Der Krieg wird nicht militärisch beendet werden können. An einer diplomatischen Lösung wird kein Weg vorbei führen. Und deswegen sollten so rasch wie möglich, die diplomatischen Initiativen deutlich intensiviert werden.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Schuster

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