Frage an Johanna Voß bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Johanna Voß
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Frage von Hagen B. •

Frage an Johanna Voß von Hagen B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Voß

Ihre Partei setzt sich vehement für einen sofortigen Rückzug der Deutschen Streitkräfte aus Afghanistan ein? Wie wollen Sie das bewerkstelligen ohne International in die Isolation abzurutschen? Außerdem wie können Sie es dem Afghanischen Volk verantworten wenn wir Sie mit einem einseitigen Rückzug aus Afghanistan zurück in Anarchie und Islamische Diktatur schicken obwohl wir sie die letzten Jahre animiert und aufgefordert haben sich am "Neuen" Rechts und Wertesystem zu beteiligen?

Außerdem ein wichtiger Punkt ist was immer wieder gerne von ihrer Partei gefordert wird! Ein Austritt aus der EU wie wollen sie bei einem Austritt aus der Eu den wirtschaftlichen Verfall der Größten Volkswirtschaft Europas verhindern und was haben Sie an Vorteilen die die Nachteile überwiegen für das Deutsche Volk?

F2WO9A BBS1 Lüneburg ( Fachoberschule Wirtschaft) Politik

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Bachsmann,

gern will ich Ihre Fragen beantworten.

Zuvor jedoch eine Richtigstellung: Die LINKE will nicht raus aus der EU. Raus aus der NATO ist eine Parole. Das ist etwas ganz Anderes.

Wir sagen JA zur EU. Man kann aber leicht darauf kommen. In den Medien wird ja immerzu abfällig über die LINKEN berichtet, wenn es um den Lissabon-Vertrag geht. Wir sagen bloß "Nein" zu diesem Lissabon-Vertrag. Haben Sie ihn gelesen?
Das ist eine weitere Kritik. Das Grundgesetz kann jeder lesen und verstehen. Dieser Wust von Papier lag im Bundestag den Abgeordneten noch nicht einmal vor, als sie darüber abstimmten.
Sinn macht eine Verfassung für die EU nur, wenn alle Bürgerinnen und Bürger sie verstehen und über sie abstimmen dürfen.
Und wenn die Abstimmung dann auch gilt. Wir durften nicht abstimmen und in Irland wird nun so oft abgestimmt, bis ein hauchdünnes "Ja" dabei rauskommt. Kann man das noch als demokratisch bezeichnen?

Als Wendländerin ist es für mich schon mal ganz klar: Der Lissabon-Vertrag muß abgelehnt werden, weil er den Euratom-Vertrag einschließt. Und der bedeutet unkritischen Ausbau von Atomkraft und massive Förderung von Atomkraft. Schon das reicht aus, den Vertrag komplett abzulehnen. Da gibt es aber noch mehr Gründe: Das Gebot für alle Mitgliedsstaaten ständig weiter Aufzurüsten, einen Rüstungshaushalt und die Entscheidungsgewalt über Kriegseinsätze nur für die Handvoll größter Länder.
Andere Dinge fehlen drin, z.B. soziale Standards. Außerdem zurrt es den marktradikalen Kurs für ganz Europa fest. Was Wettbewerb auf Teufel komm raus bedeutet, spüren die Milchbauern gerade europaweit. Es fehlt nicht mehr viel und die bäuerliche Landwirtschaft ist ausgerottet. Dazu könnte ich noch so viel sagen.
Oder die neue Arbeitszeitrichtlinie der EU, die 78 Stunden Arbeit pro Woche Regelarbeitszeit europaweit möglich machen wird.

Aber eins steht fest:
DIE LINKE ist eine pro-europäische Partei. Sie will ein demokratisches und soziales Europa. Globale Herausforderungen des gegenwärtig ungezügelten Kapitalismus sind nur lösbar, wenn sie in den Kommunen, den Regionen, den Nationalstaaten und in Europa gemeinsam angepackt werden. Wir erleben allerdings seit Jahren, dass die Politik der Europäische Union und ihrer Mitgliedstaaten vor allem den Interessen des global agierenden Kapitals folgt und sich die Arbeits- und Lebensbedingungen der Bürgerinnen und Bürger verschlechtern. Dies wollen wir ändern. Deshalb fordert DIE LINKE einen grundlegenden Politikwechsel in der EU und in den Mitgliedstaaten. Ein anderes, ein besseres Europa beruht auf sozialer Sicherheit, demokratischer Teilhabe aller Menschen, ziviler Friedenssicherung, ökologischer Nachhaltigkeit, der Gleichstellung der Geschlechter und einer wirtschaftlichen Entwicklung, die den Menschen dient. Es ist ein Europa der Gerechtigkeit und der Solidarität.

Soweit zu Ihrer zweiten Frage. Und nun zu der ersten:

Offensichtlich ist die Bundesregierung nach wie vor nicht bereit, die Realitäten in Afghanistan zur Kenntnis zu nehmen. Die US-Kommandeure der Besatzungstruppen sehen Afghanistan in eine Katastrophe abgleiten: Überfälle und Gefechte breiteten sich in immer mehr Gebiete aus, die Taliban nehmen dramatisch an Stärke zu, alles Hinweise für das Scheitern der NATO-Strategie.

Die Militäreinsätze in Afghanistan haben nicht zu Frieden, sondern zu mehr Gewalt und Terror im Land geführt. Die Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF übernimmt zunehmend die Aufgaben und die Art der Kriegsführung der völkerrechtswidrigen OEF. Dazu gehören auch Menschenjagd und gezielte Tötungen. Infolgedessen steigt die Zahl der Opfer in der afghanischen Zivilbevölkerung immer weiter an. Trotz des massiven Militäreinsatzes sind Ziele wie Wiederaufbau, Demokratie und Sicherheit in weite Ferne gerückt. Die NATO-Strategie, Ziviles und Militärisches miteinander zu verbinden, hat dem Wiederaufbau und vor allem dem Engagement ziviler Organisationen sogar schwer geschadet. Die Truppen sind selbst zum Unsicherheitsfaktor geworden.

Die Bundesregierung hat mit der Entsendung von Tornado-Kampfflugzeugen und der Übernahme der sogenannten „Quick Reaction Force“ ihren Teil zur Ausweitung der Kampfhandlungen beigetragen. Als weiterer Eskalationsschritt kann die Entsendung von AWACS-Flugzeugen gelten, die auch Aufgaben der taktischen Gefechtsführung übernehmen. Ihr Einsatz wurde Anfang Juli mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Grünen beschlossen.

DIE LINKE. hat als einzige der im Bundestag vertretenen Parteien den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan von Anfang an abgelehnt. Der Kampf gegen den Terror kann nicht mit militärischen Mitteln gewonnen werden. Die Bundeswehr bringt keine Lösung des Konfliktes, sondern sie ist längst Teil des Problems.

Dass zur "Problemlösung" noch mehr Soldaten und intensivierte Militäroperationen gefordert werden, spricht nach acht Jahren Krieg mit tausenden Opfern auch unter der Zivilbevölkerung, der Zerstörung der Infrastruktur, einer in vielen Landesteilen katastrophalen sozialen Situation und einem immer mehr von Gewalt und Unsicherheit geprägten gesellschaftlichen Klima, jeder Vernunft Hohn. Die Übergriffe während der Präsidentschaftswahlen und die anhaltende Diskussion um Fälschungen bei dieser begrenzten Möglichkeit für die Bevölkerung, über das Schicksal Afghanistans mitzubestimmen, belegen, wie weit das Land von der Normalität entfernt ist.

Dennoch hält die Bundesregierung am weiteren und für die Lösung der Probleme des Landes völlig untauglichen Feldzug in Afghanistan fest. Nicht anders sind die Äußerungen Jungs zu verstehen, der Bundeswehreinsatz am Hindukusch könne noch zehn Jahre dauern.

Dringend notwendig ist dagegen, dass die Bundesregierung ein Konzept für den Ausstieg aus dem Krieg in Afghanistan und den sofortigen Rückzug der Bundeswehreinheiten, für eine nichtmilitärische Stabilisierung und Demokratisierung des Landes vorlegt. Eine Strategie, die eine demokratisch gewählte und der Rechtsstaatlichkeit verpflichtete afghanische Regierung stärkt, die zur Beseitigung von Unterentwicklung und Armut beiträgt und die Region als Ganzes betrachtet, ist überfällig, weil ohne erkennbaren Ausstieg aus dem Krieg alle anderen Pläne für das Land nicht verwirklicht werden können.

DIE LINKE. fordert den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und setzt sich für den zivilen Wiederaufbau ein.

Es gibt Alternativen zu diesem Krieg. Gemeinsam mit Aktivistinnen und Aktivisten, auch aus Afghanistan, setzt sich DIE LINKE. für die Stärkung von demokratischen Kräften und insbesondere von Frauen in Afghanistan ein. Das bedeutet einen Neuanfan unter Einbeziehung aller politischen Kräfte.

Die internationale Gemeinschaft könnte die AfghanInnen unterstützen, landwirtschaftliche Reformen durchzuführen, bei der Produktion und Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse im Mittelpunkt stehen, mit denen die Versorgung der Bevölkerung gesichert wird. Um einen Industrialisierungsprozess in Afghanistan einzuleiten, könnte die lokale Wirtschaft zum Beispiel durch Schutzmaßnahmen gegenüber Importen gestärkt werden.

Eine Befriedung es Landes wird auch nur möglich sein, wenn die isolierte, vom Westen eingesetzte und unterstützte Karsai-Regierung abtritt. Der Westen sollte helfen, eine repräsentativ und demokratisch legitimierte Versammlung alller Stämme und Volksgruppen, eine neue Loja Dschirga, durchzuführen, die nach einer Lösung für die vielschichtigen Konflikte sucht.

Der Einsatz der Bundeswehr hat die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bisher weit über 2 Milliarden Euro gekostet. Geld muss statt dessen für den zivilen Wiederaufbau des Landes eingesetzt werden.

DIE LINKE will eine Entmilitarisierung der Außenpolitik. Sie fordert, dass Deutschland sich aus seiner Rolle als weltweite Interventions- und Kriegspartei zurückzieht. Auslandseinsätze der Buneswehr müssen kategorisch verweigert werden.

Die strikte völkerrechtliche Bindung der Außenpolitik und die Anerkennung der Souveränität und Gleichheit aller Staaten sind mir selbstverständlich. Dafür haben wir haben doch ein Grundgesetz.

Die Prinzipien der Demokratie und der Rechtsstaaatlichekeit sind verbindlich anzuerkennen, wie sie in der Verfassung der UNO-Charta festgeschrieben sind.

Ich stehe zu der Forderung der LINKEN, dass sich Deutschland und die EU-Staaaten von einer Politik der "imperialistischen" Globalisierung distanzieren müssen, wie sie derzeit als Prinzip in den außenpolitischen Vorstellungen angelegt ist.

Statt Krieg gegen Kulturen muss der Dialog der Kulturen stattfinden. Anstelle von Ausbeutung und Machtinteressen muss die Idee des solidarischen Teilens Prämisse des außenpolitischen Handelns werden.

mit freundlichem Gruß

Johanna Voß