Wie kommen Sie darauf, das Schwerbehinderte nicht auf PG 1 angewiesen sein könnten?
Werte Frau Staffler, Ihre Aussage im Bundestag zur Pflegestufe 1 "Das birge doch die Gefahr noch immobiler zu werden. Gerade im Alter sei Bewegung enorm wichtig, um den Kreislauf zu stärken und dem Muskulaturabbau entgegenzuwirken", finde ich unverschämt. Es gibt Erkrankungen, die das einfach nicht zulassen.Es gibt Schwerbehinderte, die auf solche geringe Hilfen angewiesen sind um noch selbstständig leben zu können. Ich bin gering Hilfsbedürftig, Ihre Aussage hat mich sehr verletzt. Bei Pflegegrad 1 kann man sich gerade eine Putzfrau für 3 Stunden im Monat leisten. Für die meisten bereits eine große Hilfe. Sie sind Jung und anscheinend sehr gesund. Wie kommen Sie zu dieser geringschätzenden Aussage?
Sehr geehrte Frau K.,
vielen Dank für Ihre Nachricht, in der Sie mir Ihre Enttäuschung über meine Aussage zum Pflegegrad 1 mitteilen.
Für mich ist klar: Wer Unterstützung braucht, soll sie bekommen. Doch Hilfe darf nicht beliebig sein. Sie muss passgenau, unterstützend und vor allem vorbeugend wirken.
Passgenau heißt für mich: die richtige Hilfe zur richtigen Zeit – auch im Haushalt oder bei den alltäglichen Hilfen.
Wichtig sind vor allem aber auch Prävention und Gesundheitsförderung - grundsätzlich und in jedem Alter. Der Pflegegrad 1 wurde 2017 mit dem Ziel eingeführt, dass Menschen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt gezielte Hilfen und Präventionsangebote erhalten. Ich wünsche mir, dass wir die Potentiale durch Reha und Prävention in der Versorgung noch viel stärker nutzen. Gerade im Bereich der häuslichen Pflege, wenn nur ein geringer Pflegegrad vorliegt, gibt es oft viel Spielraum, die Selbstständigkeit und Beweglichkeit langfristig zu erhalten und zu fördern. Ziel ist es, auch im Alter und trotz Einschränkungen, so lange wie möglich selbstbestimmt und aktiv im eigenen zu Hause leben zu können. Das ist der Wunsch der meisten Menschen.
Sicherlich gibt es auch Personen im Pflegegrad 1 bei denen eine Haushaltshilfe durchaus sinnvoll ist. Ich möchte betonen, dass ich mir der Lebenssituation und der besonderen Herausforderungen von Menschen mit Pflegebedarf aus eigenem Erleben sehr bewusst bin.
In meiner Aussage zur Diskussion um den Pflegegrad 1 geht es vor allem darum, stets den Einzelfall zu betrachten, zu erörtern und zu entscheiden, was für die Betroffenen ganz individuell und nachhaltig am meisten Sinn macht.
Seien Sie jedoch gewiss, dass ich Menschen im Pflegegrad 1 definitiv nicht als passiv oder untätig darstellen wollte. Im Gegenteil, ich sehe mit individueller Hilfe großes Potential in der Prävention, um Selbstständigkeit zu erhalten und weitere Pflegebedürftigkeit aufzuhalten.
Ich hoffe, ich konnte ihnen mit diesen Informationen helfen, meine Aussage besser einzuordnen.
Mit freundlichen Grüßen
Katrin Staffler
